Horst D. Deckert

#2 Tipp: Wie man gute Studien von schlechten unterscheiden kann

Im ersten Teil dieser Serie beschäftigten wir uns mit der Frage, ob in einer Studie wichtige Informationen ausgelassen oder versteckt wurden. Im nun zweiten Teil beschäftigt sich Rosemary Frei mit Datenmaterial von Studien zur Gefährlichkeit der neuen «indischen SARS-Variante» beim Menschen.

Wenn es beim Quellenmaterial um eine Studie über die Wirksamkeit einer Behandlung geht, muss man genau hinschauen: Hat die Studie ernsthafte Krankheiten oder Todesfälle bei Menschen gemessen? Oder wurde sie nur mit Tierversuchen oder theoretischen Modellen durchgeführt?

Ständig wird uns gesagt, dass eine bestimmte «Behandlung» oder eine «Gesundheitsmassnahme» Leben retten kann, oder dass die neuen «Virusmutanten» tödlich seien. Doch solche Behauptungen sind ohne Bedeutung, wenn sie sich nicht objektiv und nachprüfbar als wahr erwiesen haben. Also müssen die Studien zunächst an Menschen untersucht worden sein. Nicht an Mäusen oder Affen (Versuchstieren), und nicht in Reagenzgläsern oder Petrischalen (in vitro).

Eine Studie am Menschen muss sich darauf konzentrieren, ob die Behandlung ernsthafte Krankheiten oder Todesfälle reduzieren kann, oder ob Dinge wie die «neuen Varianten» Krankheiten oder Todesfälle erhöhen.

Vorbehalt: Selbst wenn die Studien an Menschen durchgeführt wurden und schwere Krankheiten oder Todesfälle untersuchen, sind sie wahrscheinlich stark verzerrt. Denn praktisch alle medizinischen Studien, zumindest in den letzten drei Jahrzehnten, wurden von einer Organisation oder einem Unternehmen mit finanziellen bzw. politischen Interessen finanziert. Die Studien sind damit so angelegt, dass sie Ergebnisse liefern, welche diese Interessen fördern.

Als Beispiele sind zwei Arbeiten genannt, die angeblich «beweisen», das die neue indische «Dreifach-Mutation B1.617» hochgradig ansteckend und sehr gefährlich ist (Anmerkung vom 25. Mai: Diese Studien sind nicht leicht zu finden und die Mehrzahl der Arbeiten über die «indische Variante» bieten kein Primärquellenmaterial).

1. Studie

Die erste Studie wurde auf der Website des Fachmagazins bioRχiv am 3. Mai 2021 veröffentlicht und trägt den Titel «Konvergente Evolution von SARS-CoV-2-Spike-Mutationen, L452R, E484Q und P681R, in der zweiten Welle von COVID-19 in Maharashtra, Indien.» Diese Studie will herausfinden, ob die neue indische Variante ansteckender und gefährlicher als SARS-CoV-2 ist.

Das Studiendesign:

«Zur Beurteilung der festgestellten Mutationen auf die Bindung an neutralisierende Antikörper wurde die SARS-CoV-2-Spike-RBD-Domäne im Komplex mit zwei ausgewählten mAbs REGN10933/ P2B-2F6 abgerufen (PDB ID: 6XDG; Auflösung 3,90Å bzw. 7BWJ; Auflösung 2,65 Å). Punktmutationen wurden mit Biovia Discovery studio visualizer 2020 durchgeführt und die Strukturen der Komplexe wurden einer Energieminimierung mit dem Makromodell-Tool von Schrödinger 2020 unter Verwendung der Standardparameter unterzogen. Die molekularen Wechselwirkungen zwischen der RBD-ACE2-Grenzfläche, innerhalb der RBD und zwischen den neutralisierenden mAbs-RBD, wurden mit dem Werkzeug für nicht-gebundene Wechselwirkungen in Biovia Discovery studio visualizer 2020 analysiert.»

Übersetzung: Die Studie wurde also unter künstlichen Bedingungen (in vitro) mit hochkomplexen Methoden, Geräten und Berechnungen durchgeführt. Weiter weg vom Leben kann man nicht sein!

2. Studie

Dieses Papier wurde am 5. Mai 2021 auf bioRχiv veröffentlicht und trägt den Titel: «SARS-CoV-2 Variante B.1.167.1 ist bei Hamstern hochpathogener als die B.1 Variante.» Die Studie wurde mit 18 Hamstern durchgeführt. Die Wissenschaftler haben allerdings nicht einmal untersucht, ob sich diese «neue Variante» bei den Hamstern tatsächlich schneller ausbreitet, und ob sie krankmachender oder tödlicher ist als andere Viren.

Diese beiden Studien sagen also praktisch nichts darüber aus, ob die indische «neue Variante» beim Menschen gefährlicher ist als andere Formen des Coronavirus.

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Im dritten und letzten Teil dieser Serie werden wir uns damit beschäftigen, ob die Studie wirklich die Informationen enthält, auf die sie sich bezieht.

Zur Person:

Nachdem Rosemary Frei einen Master of Science in Molekularbiologie an der medizinischen Fakultät der Universität Calgary erworben hatte, wurde sie freiberufliche Schriftstellerin. Sie arbeitet seit 22 Jahren als Autorin und Journalistin mit Schwerpunkt Medizin. Website: www.rosemaryfrei.ca

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