
Gestern Abend saß GauGau Kurti, wie immer Hasskommentare im Internet schreibend, in seinem Zimmer. Zwischendurch ließ er seinen Blick über den düsteren Innenhof schweifen. In der Ferne glitt ein Helikopter zwischen den Dächern herunter, schwebte für einen Moment lauernd wie eine Schmeißfliege und schwirrte dann in einem weiten Bogen wieder ab. GauGau Kurti bemerkte nicht, dass mehrere Personen im Dunkeln aus dem Fluggerät abgesprungen waren. Es war eine Polizeistreife des Seuchensicherungshauptamtes, die Hygiene-Kontrollen unter den Bewohnenden der Blocks vornahm. Diesmal war es aber keine der üblichen Zufallsstichproben, sondern sie hatten es konkret auf ihn abgesehen, denn er war beim illegalen Sockenkauf von aufmerksamen Bürgern beobachtet und angezeigt worden. Schon hörte er die eisenbeschlagenen Stiefelabsätze im langen Flur näherkommen und jetzt flog die Tür zu seiner Wohnung aus den Angeln.
„Hände hoch! Im Namen des Infektionsschutzgesetzes. Sie sind verhaftet!“ – Sofort wurde ein Gesundheitstest bei ihm vorgenommen. „Gut, sehr brav! So, rein das Stäbchen. Schön tief in den Rachen und am besten noch ein kleines Stückchen weiter!” GauGau Kurti musste würgen und hatte das Gefühl, dass seine Augen aus den Höhlen traten.
Sonderabteilung des Seuchensicherungshauptamtes
Das Teströhrchen mit seiner Speichelprobe verschwand in einem der Medizinalkoffer einer der mit Schutzanzügen Uniformierten. Jemand im Dienstrang eines Feldwebels durchsuchte währenddessen die Schränke des Delinquenten und kippte einige an. Das übliche Prozedere also in einem Rechtsstaat, das sich auch hier wieder bewährte: Denn, siehe da… zwei neue Paar Socken purzelten samt Kassenzettel heraus!
Unterdessen wurde der somit gerichtsfest überführte Sockenverbrecher von vier Amtspersonen in schwarzen Ledermänteln mit Gasmasken umstellt. Ihre roten Armbinden mit der schwarzen Aufschrift „ZVTSM” auf weißem Grund wiesen sie als Mitarbeitende des „Zentrums für Vielfalt, Toleranz und Solidarisches Miteinander” aus, einer Sonderabteilung des Seuchensicherungshauptamtes.
”Hinsetzen!” – Einer der vier drückte GauGau Kurti mit dem Kolben seiner Maschinenpistole auf einen Stuhl. Jetzt erschien eine weitere Person. Sie trug einen auffallenden lila Blazer sowie zwei farblich abgestimmte, prächtige FFP-3-Sonntagsmasken übereinander, richtete ihren stechenden Blick wie einen Röntgenstrahl auf ihn und tippte etwas mit spitzen Fingern, die in dünnen Latexhandschuhen steckten, auf ihren Teleschirm. GauGau Kurti blickte zu ihm auf: ”Weit hast du es gebracht, Karl. Richtig Karriere gemacht, wie man so hört”, sagte er frech, denn er hatte ohnehin nichts mehr zu verlieren. Er hatte ihn erkannt – den Minister persönlich.
Unbefugter Sockenkauf eines Ungeimpften war schließlich ein Staatsverbrechen höchster Ordnung. GauGau Kurti wurde mitgenommen. Bis heute hat man nichts mehr von ihm gehört.