Horst D. Deckert

Anti-Terrorgesetz: Wird unser Rechtsstaat am 13. Juni ausgehöhlt?

Am 13. Juni werden die Schweizer über ein neues Gesetz zur Terrorismusbekämpfung abstimmen. Das wirft die schwierige Frage auf, ob jemand zukünftig nur auf polizeilichen Verdacht hin massiv in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt werden darf.

So sollen gegen Personen, die im Verdacht stehen, terroristische Aktivitäten zu planen, folgende präventiven Massnahmen ergriffen werden können: Zwangsbefragungen, Kontaktverbote, geographische Verbote, Hausarrest. Und dies, ohne dass ein Richter sich dazu äussern kann. Ein Verdacht der Polizei genügt dafür.

Konsequenzen: Bis heute gilt in unserem Rechtssystem die Unschuldsvermutung. Dies bedeutet, dass jemand solange als unschuldig zu gelten hat, bis ihm eine Straftat nachgewiesen werden kann. Dieser Grundsatz wird mit dem vorliegenden Gesetz aufgehoben.

François Sureau hat diese Situation in seinem 2019 erschienenen Essay Without Freedom treffend analysiert. Er schrieb unter anderem:

«Dass Regierungen die Freiheit nicht mögen, ist nichts Neues. Der Rechtsstaat muss in seinen Grundsätzen und Organen jedoch so beschaffen sein, dass weder die Begierden der Regierung noch die Ängste des Volkes die Freiheit hinwegfegen können.»

Sureau stellte in seinem Heimatland Frankreich fest, dass in den letzten 20 Jahren die politische Freiheit durch neue Gesetze massiv ausgehöhlt wurde. Genau auf diesen Weg wird uns das zur Abstimmung gelangende, neue Gesetz auch in der Schweiz führen.

Um als Terrorist zu gelten, müssten zukünftig keine Straftaten mehr geplant oder ausgeführt werden. Es reicht aus, verdächtig zu sein oder Handlungen zu begehen, die darauf abzielen, die staatliche Ordnung zu beeinflussen oder zu verändern, um als Terrorist zu gelten.

Was wird zukünftig mit Politikern, Journalisten und kritischen Beobachtern geschehen, die Meinungen äussern, welche als kontrovers gelten? Werden sie als Terroristen abgestempelt? Ist das Gesetz ein Freipass, um sogenannte Verschwörungstheoretiker jagen zu dürfen? Werden Debatten über eine Vielzahl von Themen noch möglich sein?

Fragiler Rechtsstaat in der Schweiz

Sureau stellt in seinem Aufsatz fest, dass die Polizei in Frankreich bei Demonstrationen zwecks Einschüchterung der Teilnehmer sehr martialisch auftritt. Als wenn die Demonstranten feindliche Truppen wären. Auch bei uns greift die Polizei in Robocop-Anzügen oft in meist friedliche Demonstrationen ein, die sich zum Beispiel gegen die Covid-Massnahmen wehren.

Werden Demonstranten in Zukunft als Terroristen eingestuft? Mögliche Teilnehmer bereits im Vorfeld unter Hausarrest gestellt? Alles ist denkbar!

Oder wird dank elektronischer Überwachung bereits der Besuch gewisser Websites als Terrorvorbereitung eingestuft? Genau zu diesem Punkt versichert Bundesrätin Karin Keller-Suter, dass das Aufsuchen z.B. von islamistischen Seiten nicht per se ein Einschreiten der Polizei rechtfertigen wird. Aber wo werden dann die Grenzen gesetzt? Haben wir Vertrauen in das richtige Augenmass der Polizei?

Wenn es um Terrorismus geht, ist für Sureau klar: «VOR dem Verbrechen gibt es nichts! Wir müssen zwischen Denken und Handeln unterscheiden!»

Fazit: Es ist die Aufgabe jedes Einzelnen, das zur Abstimmung stehende Terrorgesetz zu prüfen und abzuschätzen, ob sich der Verzicht auf persönliche Freiheit zugunsten von allenfalls ein wenig mehr Sicherheit lohnt.

Dieser Text wurde uns von «bonpourlatete.com» zur Verfügung gestellt, dem führenden alternativen Medium der französischsprachigen Schweiz. Von Journalisten für wache Menschen.

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