Horst D. Deckert

Berset gesteht ein, dass die Positivitätsrate kein zuverlässiger Indikator ist

Seit Monaten setzt der Bundesrat auf vier Indikatoren zur Beurteilung der Lage. Die Auslastung der Intensivbetten, die Reproduktionszahl, die durchschnittlichen Neuinfektionen pro Tag sowie auch auf die Positivitätsrate – sie sollen darüber entscheiden, ob die einschneidenden Massnahmen gelockert werden oder nicht. Letzterer Indikator, die Positivitätsrate, muss im 7-Tage-Schnitt unter 5 Prozent liegen, so will es die Regierung.

Wie willkürlich einzelne dieser Indikatoren sind, gab Bundesrat Alain Berset unlängst selbst zu. In einer schriftlichen Anfrage wollte der St. Galler SVP-Nationalrat Mike Egger vom Bundesrat wissen, weshalb die Regierung nach wie vor an der Positivitätsrate als Indikator zur Beurteilung der Corona-Lage festhalte. Dies, obwohl die Rate viel zu hoch ausfalle, weil bloss die positiven Tests meldepflichtig sind, was auch das BAG Mitte Februar bestätigte.

Die Antwort Bersets:

„Das BAG berechnet die Positivitätsrate auf der Basis der gemeldeten Tests. Testergebnisse nicht-symptomatischer Personen, die zum Schutz besonders gefährdeter Personen, in Situationen mit erhöhtem Übertragungsrisiko oder ausserhalb der Beprobungskriterien des BAG durchgeführt wurden (Massentests), sind nicht meldepflichtig. Wenn auch alle Massentests gemeldet und erfasst werden, würde die Positivitätsrate so tief sinken, dass sie ihre – inzwischen ohnehin beschränkte – Aussagekraft verlieren würde.“

Und weiter: „Der Bundesrat ist sich bewusst, dass diese Meldevorgaben einen direkten Einfluss auf die Positivitätsrate haben und diese entsprechend ein unvollständiges Bild gibt. Auch deshalb hat der Bundesrat bewusst auf ein fixes Ampelsystem verzichtet. Er wird die Auswirkungen der aktuellen Meldevorgaben auf die Positivitätsrate bei seinem Entscheid über allfällige weitere Öffnungsschritte berücksichtigen.“

Im Zuge der Debatte über das Covid-19-Gesetz am Montag hakte Egger im Parlament nochmals nach. „Sie haben in der Antwort auf meine Frage … bestätigt, dass die Positivitätsrate massgeblich verfälscht wurde. Was sagen Sie dazu? Das ist doch sehr ärgerlich für die Schweizer Wirtschaft, die unter falschen Zahlen geschlossen bleiben muss“, sagte Egger.

Darauf entgegnete Berset:

„Was Sie da gesagt haben, Herr Nationalrat Egger, ist der beste, der absolut beste Beweis, dass ein Ampelsystem mit Automatismen genau falsch wäre. Genau deswegen macht der Bundesrat das nicht. Wieso? Die Positivitätsrate, das haben Sie gesagt, zeigt einfach nicht die exakte Positivität, weil die Massentests nicht integriert sind. Denn wir wollen aus administrativen Gründen die Unternehmungen nicht auch noch damit belasten, sämtliche Tests eins zu eins zu melden. Das wollen wir nicht tun. Aber dass das nicht passiert, bedeutet, dass die Covid-Positivitätsrate einen Teil ihres Erklärungspotenzials und einen Teil ihrer Wichtigkeit verliert. Gerade deswegen werden wir auch nicht mehr nur wegen der Positivitätsrate etwas tun. Es braucht wirklich einen Strauss von unterschiedlichen Kriterien, und dann braucht es einfach gesunden Menschenverstand, wenn ich das so sagen darf, um zu versuchen, einen Entscheid zu fällen. Aber Ihre Frage – ich danke dafür – zeigt genau, wieso ein Ampelsystem mit Automatismen falsch wäre.“

Im Klartext: Die Positivitätsrate ist sinnlos. Trotzdem wird sie beibehalten. Und anhand von Pseudo-Indikatoren wird die Spirale von steigender Arbeitslosigkeit, Armut, und Verzweiflung weiter aufrechterhalten. Corona-Transition informierte bereits mehrfach darüber, dass die Positivitätsrate nichts weiter als Willkür in Reinkultur darstellt.

Umso bemerkenswerter ist es, dass die Politik weiter an dem Indikator festhält – auch das Parlament, das an einer evidenzbasierten Politik scheinbar kein Interesse zeigt. SVP-Nationalrat Thomas Aeschi forderte im Rahmen der Debatte über das Covid-19-Gesetz am Montag in einem Antrag erfolglos, dass der Bundesrat umgehend auf die Positivitätsrate und den R-Wert als Indikatoren zur Lagebeurteilung verzichtet.

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