Horst D. Deckert

Betriebe müssen ÖVP-Propaganda finanzieren: Kommt Impfzwang in der Arbeit?

Dass die Volkspartei über zahlreiche Bünde verfügt und auch sonst in vielen Bereichen des täglichen Lebens eine dominante Rolle einnimmt, ist nicht neu. Ebenso wenig neu ist, dass sie eine federführende Rolle in der Wirtschaftskammer (WKO) einnimmt. Neu ist hingegen das Amtsverständnis eines Kammer-Präsidenten, das nach dem Prinzip „Ich bin die Wirtschaft“ zu funktionieren scheint.

Eine Reportage von Alfons Kluibenschädl

Werbung


Als Medienmacher sind wir auch Bürger dieses schönen Landes zugleich – und fallen somit gerne in die eine oder andere Zielgruppe als Zwangsbeglückte schamloser Online-Werbung. Und so staunte unser Redakteur nicht schlecht, als er sich in einem Anflug von „seniler Bettflucht“ frühmorgens auf Facebook bewegte und plötzlich eine Werbung für die betriebliche Impfung hereintrudelte, die ein Indiz für den Filz in der österreichischen Politik darstellt. Außerdem stellt sich die Frage: Wohin soll die „betriebliche Impfung“ führen? Wohl nicht etwa, wie beim betrieblichen Testen, früher oder später in einen weiteren Zwang, um überhaupt noch ins Büro zu dürfen?

Kein Geld für Betriebe in Not – aber für Eigenwerbung?

Die Werbung war im Sujet-Design von WKO-Chef Harald Mahrer gehalten, warb für seine persönliche Politiker-Seite. Befördert wurden Inhalte, die der Impf-Agenda seiner Partei auf Punkt und Komma entsprachen. Und als finanzierende Instanz war die Wirtschaftskammer ausgewiesen. Sprich: Es konnte der Eindruck entstehen, dass heimische Betriebe – die reihenweise ums wirtschaftliche Überleben kämpfen – Werbung für Mahrer und ÖVP- bzw. Regierungsziele mitfinanzieren.

Infolge der WKO-Pflichtmitgliedschaft – viele Branchen haben Kammerzwang – kommen Firmen und Selbständige oft nicht umhin, deren Aktivitäten mittels Kammerumlage zu finanzieren. Es sammelten sich Rücklagen von über einer Milliarde Euro an, wobei die Kammer schon zu Beginn der Krise wenig Anstalten machte, diese für „Notlagen“ gedachten Rückstellungen direkt an heimische Unternehmer auszuschütten, was seinerzeit zu scharfer Kritik von FPÖ und NEOS führte. Für die Bewerbung der Facebook-Seite seines Präsidenten hat man das Geld aber offenbar – ebenso wie für das Golfspiel ÖVP-naher Funktionäre und die Privatschulen derer Kinder.

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Screenshot: Facebook

Screenshot: Facebook

Geld auch bei betrieblichen Impfstraßen ein Lockmittel?

Auch inhaltlich stellte sich die Frage: Woher genau will die WKO wissen, dass sich „1.700 Betriebe mit 532.000 Mitarbeiter“ dafür interessieren würden? Zumindest auf diese Frage zeigt man sich bei der Kammer gesprächig. Dies gehe aus der Zahl an Anmeldungen für das betriebliche Testen bzw. Impfen hervor, so eine Sprecherin der WKO gegenüber dem Wochenblick.

Dabei stellt sich heraus: Diese Option gibt es nicht einmal in allen Bundesländern – in Vorarlberg setzt man etwa nicht darauf. Und überall sonst ist die Informationspolitik je nach Region unterschiedlich. In Oberösterreich erfährt man, dass sich Betriebe nur bis zum 9. März dafür anmelden konnten – was gerade vor der jüngsten massiven Impfstoff-Bestellung der Regierung, die für die achtfache (!) Durchimpfung der gesamten Bevölkerung reichen würde, kurios anmutet.

Unklar ist sowohl, ab welcher Betriebsgröße eine betriebliche Impfung infrage kommt, als auch eine allfällige Vergütung des Bundes. Bei der betrieblichen Testung gibt es pro Antigen-Test 10 Euro an Steuergeld. Eines ist jedenfalls klar: Sollte eine solche Förderung stattfinden, wären kleine Betriebe bei Impfstraßen wegen der logistischen Anforderungen benachteiligt. Hoffen die Übrigen auch auf etwas Unterstützung über die Hintertür auf diesem Weg, wenn die Kammer ihnen schon nicht unter die Arme greift und auch deren Verteilung der staatlichen Hilfsgelder schleppend läuft?

Die Crux mit der türkisen „Transparenz“

Zurück zur Finanzierung von Mahrers Impf-Propaganda: Die Frage, in welcher Höhe diese Werbung geschalten wurde und ob dies aus Mitteln der WKO, der ÖVP oder aus Mitteln der öffentlichen Hand geschah, konnte oder wollte man uns nicht beantworten. Es wurde lediglich darauf verwiesen, dass die Seite „der Information über die Arbeit und die Aktivitäten des Präsidenten der Wirtschaftskammer Österreich, Dr. Harald Mahrer, sowie der Kommunikation mit allen an seiner Arbeit Interessierten“ diene.

Der Finanzierungshinweis stünde dort lediglich auf Grund der Transparenz-Richtlinien von Facebook; die Betreuung der Seite erfolge „durch eine Redaktion in enger Abstimmung mit Dr. Harald Mahrer“. Die WKO-Sprecherin erklärte zudem, dass es auf der Seite eine „Verlinkung in das Impressum“ gebe. In Wirklichkeit trifft dies aber nicht zu: Auf der Seite Mahrers steht unter „Info“ lediglich „Wirtschaftskammer Österreich“, der Link in die Offenlegungs-Seite findet sich ausschließlich auf der Facebook-Seite der WKO selbst. Die Möglichkeit, bei Mahrer ein Impressum einzutragen, wurde ausgelassen.

Ziemlich viel Werbung einer Sozialpartnerin für ihren Obmann jedenfalls. Mit Kalkül? Immer wieder sprechen informierte Insider davon, dass Mahrer höhere Würden in Partei und Staat anstreben könnte. Immerhin stehen etwa Finanzminister Gernot Blümel und Kanzler Sebastian Kurz nach Postenschacher-Vorwürfen mit dem Rücken zur Wand. Unsere Frage, ob der WKO-Chef sich ein Ministeramt oder gar den Posten als Parteichef vorstellen könnte, ließ seine Sprecherin allerdings unbeantwortet.

Pünktlich zum Impfstart – Zwist über Dosen-Verteilung

Der Zeitpunkt für die Werbeschaltung ist übrigens kein Zufall: Denn die Möglichkeit einer betrieblichen Impfung begann erst diese Woche – unter großem politischen Tamtam. Zumindest bei der Zahl teilnehmender Betriebe gehen die Zahlen dabei aber stark auseinander. So spricht die Stadt Wien nämlich von nicht weniger als „10.000 Betrieben“, die sich alleine in Wien beteiligen würden. In Salzburg sind es laut ORF 180 Unternehmen, in Tirol 140.

Dieser Unterschied löst inzwischen sogar innerhalb der Volkspartei einigen Zwist aus. So ärgert sich ÖVP-Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander, dass Unternehmen mit Sitz in Wien bevorzugt würden, während Oberösterreich als wichtigster Industriestandort aus den dem Bundesland zugesprochenen Kontingent ein Auslangen finden müsste. Es könnte noch spannend werden, wenn sich die Türkisen um die Verteilung der Impfdosen balgen…

Mahrer und seine vielen Pferde in der Krise

Für Mahrer ist es eine Win-Win-Situation: Als ÖVP-Nationalratsabgeordneter und als WKO-Chef hat er mehr als ein Pferd im Rennen, wenn es um die Corona-Maßnahmen geht. Seine Überlegung aus dem Dezember (!), dass nur noch negativ Getestete (oder Geimpfte) ins Wirtshaus dürfen, wird mit dem 19. Mai Realität. Damals erklärte er auch bereits, dass er die Tests nur als Zwischenschritt zur Impfung sieht. Die umstrittenen Impfstoffe wiederum bezeichnete er damals als „Freiheits- und Wirtschaftsturbo“.

Gegen eine Impf-Pflicht sprach er sich damals mit dem Worten aus: „Freiheit kann ich nicht über einen Zwang erreichen“. Zumindest bei den Tests hat seine Partei dies für die Betriebe bereits gekippt. Kritiker fragen sich: Wann folgt die Überholung der „Freiwilligkeit“ der Impfungen? Einige Politiker, darunter auch der oö. ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer können sich einen Zwang bekanntlich vorstellen…

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