Horst D. Deckert

Bill Gates’ selbstlose Liebe stösst in Indien auf wenig Begeisterung

In Indien werden erneut Forderungen laut, Bill Gates zu verhaften. Der vermeintliche Altruist und seine Stiftung werden heftig kritisiert. Das entspricht so gar nicht der PR-reifen Inszenierung des Milliardärs als Menschenfreund. Und damit die guten Absichten auch für alle klar erscheinen, bemüht sich die Gates Foundation nach Selbstangabe besonders um die «am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen».

Die Bill & Melinda Gates Foundation ist nach eigenen Angaben seit über zehn Jahren in Indien tätig. Begonnen wurde mit einer HIV-Präventionsinitiative, so RT mit Hinweis auf The Diplomat. Danach wurden die Tätigkeitsfelder nach und nach ausgeweitet. Diese umfassen zum Beispiel: Infektionskrankheiten, Ernährung, Landwirtschaft, Geschlechtergleichstellung oder Finanzdienstleistungen, womit auch finanzielle Inklusion gemeint ist – was bedeutet, Menschen in ein elektronisches Finanzsystem einzubinden, um Transaktionen überwachen zu können.

arrestgates_twit-3caf9-313b1.jpg?1624653

Quelle: Twitter, The Diplomat

Zum letzteren Thema hat der Finanzjournalist Norbert Häring über die vergangenen Jahre mehrere Artikel geschrieben. Zum Beispiel im Jahr 2017, wo er beschreibt, «wie Indien zum Versuchskaninchen von Bill Gates wurde», oder 2019 im Handelsblatt. Hintergrund war ein Experiment der indischen Regierung im November 2016, als die meisten Geldscheine «überfallartig» aus dem Verkehr gezogen wurden.

Kritik an Impfstoff-Politik

Die Forderung nach der Verhaftung von Bill Gates hängt mit seiner Impfstoff-Politik zusammen. Erst vor rund zwei Monaten sprach sich Gates gegen die Weitergabe der Covid-19-Impfstofftechnologie an Entwicklungsländer wie Indien aus. Damit verbunden sind internationale Forderungen zur vorübergehenden Aussetzung bestimmter Patentrechte, um Impfstoffe rascher zugänglich zu machen.

So forderte die US-Handelsbeauftragte, Katherine Tai, wiederholt die Aufhebung des Patentschutzes, um Entwicklungsländern die Produktion zu ermöglichen (Corona-Transition berichtete). Gates jedoch ist nicht bereit, auf die Impfprofite zu verzichten (Corona-Transition berichtete).

Nach breiter öffentlicher Kritik erklärte der Chef der Gates Foundation, Mark Suzman, am 6. Mai einen temporären Verzicht auf das geistige Eigentum des Impfstoffs, so RT. Gates, dessen Vermögen auf dem Schutz des geistigen Eigentums von Microsofts Lizenzprodukten basiert, gilt als eiserner Verfechter von geistigem Eigentum.

Prabir Purkayastha schreibt bei Counterpunch von einem «Aufguss der AIDS-Debatte». Dabei hätten westliche Regierungen und die multinationalen Pharmakonzerne argumentiert, «dass die Entwicklung generischer AIDS-Medikamente zur Herstellung minderwertiger Medikamente und zum Diebstahl des westlichen geistigen Eigentums führen würde». Purkayastha:

«Mit seinem neu entdeckten Heiligenschein als grosser Philanthrop führt er [Gates] den Angriff von Big Pharma gegen die Schwächung von Patenten auf der globalen Bühne an.»

2013 war gemäss RT der ständige Ausschuss des indischen Parlaments für Gesundheit und Familienwohlfahrt zum Schluss gekommen, dass das von der Gates Foundation finanzierte Program for Appropriate Technology in Health (PATH) regulatorische und ethische Normen für klinische Studien verletzt hatte. Dabei sei es um die Erprobung von Impfstoffen gegen das Human Papilloma Virus (HPV) gegangen, die von der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation PATH durchgeführt worden war. Die Studie sei 2010 abgebrochen worden, nachdem lokale Medien über den Tod von sieben teilnehmenden Mädchen berichtet hatten.

arrestgates_twit1-2-a98c9-fe91a.jpg?1624

Quelle: UncutNews.ch

«Kriegsähnliche Mentalität»

Gates spielte in jüngster Vergangenheit auch eine wichtige Rolle bei der Privatisierung der Landwirtschaft. Indische Landwirte protestierten gegen entsprechende Gesetze. Diese würden lokale Kleinbauern benachteiligen, schreibt Akshay Tarfe von Oxfam Indien. Profitieren würde demnach Microsoft Indien, wie laut RT Recherchen zivilgesellschaftlicher Organisationen zeigen würden. Der Konzern erhalte dadurch potenziell Zugang zu Daten von 50 Millionen indischen Landwirten, die zuvor zur Digitalisierung der Landwirtschaft gesammelt worden waren.

Eine bekannte Kritikerin in Indien gegen Gates’ Praktiken ist die Physikerin Vandana Shiva. Sie hat mit anderen Persönlichkeiten aus der Zivilgesellschaft die Schrift «Gates to a Global Empire» verfasst. Darin werden die Gefahren des «Philantrokapitalismus» beschrieben, wie durch vermeintliches Wohltätertum eine Clique aus Konzernen zunehmend unter anderem über Ernährung, Landwirtschaft, Bildung oder Gesundheitswesen bestimmt und die Demokratie aushöhlt.

Die Gates Foundation verfolgt dabei ein technokratisches Muster, indem sie zum Aufbau ihres Machtnetzwerks Grosskapital, Wissenschaft, technische Institutionen und Regierungen einbindet. In der Landwirtschaft ist die Rede von Rekolonialisierung der Landwirtschaft durch die Gates Foundation – nicht nur in Indien, sondern in quasi-globaler Manier. Shiva:

«Diese Milliardäre schaffen genauso wie die Kolonialisten ihre eigenen Regeln und Gesetze, die sie allen aufzwingen, anstatt dass die betroffenen Menschen selbst die Lösungen finden.»

In der Corona-Krise seien eine Reihe globaler Probleme noch deutlicher geworden. Technokraten wie Gates würden einfache, auf Technik basierende Lösungen für komplexe Probleme präsentieren, was einer «kriegsähnlichen Mentalität» gleiche.

Ähnliche Nachrichten