Horst D. Deckert

Der Stab des Zauberers

Von Irén Rab

Ungarn hat weltweit die höchste Sterblichkeitsrate, bedauert das deutsche Nachrichtenportal. Auch für sie sei es unangenehm, denn auf dieser Weltnegativkurve haben es die Ungarn geschafft, auch unterentwickelte Länder wie Brasilien und Indien zu überholen. Die Kurve sei absolut glaubwürdig, da sie anhand der Daten der Bundesbehörden und der Johns Hopkins Universität dargestellt wurde. Sie ziehen natürlich sofort Vergleiche, in Ungarn gebe es auf die Bevölkerung gerechnet dreimal so viele Covid-Tote, als in Deutschland. Das ist sehr gut geeignet, um bei sich selbst zu kompensieren, die bundes- und landesweiten epidemiologischen Maßnahmen seien bei aller Kritik ja hervorragend, Deutschland schneide im Vergleich zu anderen Ländern gut ab!

Die Anzahl der Geimpften wird wiederum nicht verglichen, dort werden die Ungarn irgendwie nicht gelistet. Diese Tabelle wird mit beliebigen Ländern gefüllt, die Deutschen mögen Ungarn nicht an der Spitze zu sehen, denn was würden sie dann statt des besorgten Gesichts von Orbán auf der Titelseite präsentieren? Es wäre blamabel, aufzuzeigen, dass Ungarn in Europa führend in Anzahl und Geschwindigkeit von Impfungen ist, 44 Prozent der Bevölkerung erhielt die erste, 25 Prozent bereits die zweite Impfung, verglichen mit 31,5 bzw. 8,8 Prozent in Deutschland (Werte von 9. Mai 2021), was zugegebenermaßen gemessen am EU-Durchschnitt ein ansehnlicher Wert ist.

Wir könnten in Ungarn auch solche, für uns günstige Tabellen aufstellen, z.B., dass

bei uns bereits 80 Prozent der Registrierten die Impfung erhalten haben, sogar die Jugendlichen und die hier lebenden Ausländer können sich jetzt impfen lassen, zusätzlich zu den im Ausland lebenden Ungarn. Nach der Registrierung kann man bei uns sofort zum Impfzentrum spazieren und unter den vorhandenen Impfstoffen wählen.

Man muss nicht monatelang auf die Freiheit warten.

Laut der gut informierten deutschen Medien liefert Ungarn keine ausreichende Auskunft über die epidemiologische Situation. Selbstverständlich sei dafür auch die Orbán-Regierung verantwortlich, weil sie die Opposition nicht in die Nähe von Krankenhäusern lasse und sie systematisch behindere, Informationen zu erhalten. Zum Beispiel habe die „unabhängige“ Oppositionspresse keinen Zutritt zu den Covid-Stationen, sie dürfe keine Innenaufnahmen von den Abteilungen machen und dürfe keine Fragen an die auf den Beatmungsgeräten liegenden Menschen zu richten, ob sie mit der Krankenhausversorgung zufrieden seien und was sie über den Zustand des ungarischen Gesundheitswesens dächten? Ich glaube, dass die Oppositionspolitiker, aber auch die Pressevertreter, eigentlich wissen sollten, wie man Zugang zu Quellen, zu offiziellen Daten erhält.

Alle Informationen findet man tagesaktuell auf Koronavírus.gov.hu in zwei Sprachen, die operative Leitung der Corona-Maßnahmen steht jeden Tag für die Fragen der Journalisten und der Öffentlichkeit zur Verfügung.

(Die deutschen Angaben entnehme ich auch von der offiziellen Seite des Robert-Koch-Instituts, die internationalen Vergleiche von der WHO, und mangels besseren Wissens vertraue ich denen einfach.) Wenn jedoch die oppositionellen Journalisten den offiziellen Verlautbarungen trauen würden, wie könnten sie dann die Menschen gegen die Regierungshandlungen aufstacheln?

Ein Grund für die westliche Zurückhaltung der Informationen über die vorhandenen Daten von Ungarn könnte auch sein, dass die ungarische Regierung nicht den mit Politikinteressen gepflasterten Weg der EU beschreitet, sondern sie auf eigene Verantwortung durch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) nicht zugelassene Impfstoffe kauft, zum Beispiel von den Russen, die unter einem Wirtschaftsembargo stehen, oder von den vertrauensunwürdigen Chinesen. Daran sieht man sofort, dass es den Ungarn an der notwendigen europäischen Solidarität mit Europa mangelt, sie seien ausschließlich um ihre eigene Gesundheit, um ihre eigenen nationalen Interessen besorgt! Was nicht erwähnt wird, ist, dass auch einige deutsche Bundesländer, wie z.B. Bayern, den gleichen asozialen Weg betraten, nachdem sie von der hilflosen zentralen Impfstoffbeschaffung die Nase voll hatten, und Abgesandte zu Putin schickten. Es wird auch nicht darüber informiert, dass ein Schweizer Pharmaunternehmen die Lizenz für Sputnik V gekauft hat und in Mailand, also auf EU-Gebiet, Millionen von Dosen dieses verteufelten Vakzins noch dieses Jahr produzieren wird. In der deutschen Presse wird auch laut darüber geschwiegen, dass Bundeskanzlerin Merkel über chinesische Impfstoffe verhandelt und ich bin neugierig, wie, in welcher Form in der Presse erscheinen wird, dass die WHO das chinesische Sinopharm inzwischen empfiehlt, ein Produkt, das in ungarischen Oppositionskreisen als Orbáns verpfuschter Impfstoff verunglimpft wurde.

Dann gibt es hier noch die schnelle Aufhebung der nationalen Notfallsituation. Wie kann es sein, dass Geschäfte, Schulen, Restaurants, Cafés und Nachtclubs in Ungarn über Nacht urplötzlich aufmachten, man kann ins Kino, Restaurant, zum Friseur und zum Fußballspiel gehen, statt auf einen zentralen Befehl aus Berlin oder Brüssel zu warten? Noch schlimmer, es wird ein Impfausweis, eine kleine Plastikkarte ausgestellt und damit natürlich die Spaltung der Gesellschaft, jetzt gerade auf Geimpfte und Ungeimpfte, weiter vertieft. Noch gut, dass dieser Ausweis angeblich nirgendwo auf der Welt anerkannt werde.

Und wenn doch, dann muss eine neue Geschichte gegen Orbán erfunden werden.

Dass das Öffnen zu früh und unausgegoren war, und diese unverantwortlichen servilen Regierungsentscheidungen nur in Orbáns eigenem Interesse oder im Interesse seiner Tochter, seines Schwiegersohnes, Freundes, Nachbars, oder wegen seiner krankhaften Fußballliebe getroffen wurden.

Wenn man heutzutage die deutsche angeblich “freie, unabhängige” Presse liest, fällt am meisten auf, dass sie buchstäblich das Narrativ der ungarischen Opposition wiedergeben. Den offiziellen Informationen, die von der ungarischen Regierung veröffentlicht werden, den tatsächlichen, realen Ereignissen wird in diesen Nachrichten keinen Platz eingeräumt. Bei allen Themen ist es, als würde man die deutsche Übersetzung der ungarischen oppositionellen „unabhängigen“ Medien lesen, das weltberühmte Klubrádió oder die Hassreden der Opposition im Parlament hören.

Nun ist das Hauptthema heutzutage das Pandemie-Management und wir lesen keine Spur von Lob, kein Zeichen der Anerkennung. Erfolg wird als Misserfolg dargestellt, der Grund für den Misserfolg soll die Inkompetenz und die Korruption der ungarischen Regierung sein.

Keine Erwähnung der Prognosen der renommiertesten Denkfabriken oder der Meinung der Deutschen Industrie- und Handelskammer, dass sich die ungarische Wirtschaft dank des beherzten Pandemie-Krisenmanagements der ungarischen Regierung nach dem Ende der Pandemie am schnellsten erholen werde,

dass Arbeitsplätze gerettet wurden, dass auch während dem Lockdown die Leute weiter gearbeitet haben. Kein Wort darüber, wie viele internationale Unternehmen ihre Produktion gerade deswegen hierher verlegt haben, wie viele ausländische Investitionen ins Land gekommen sind und wie viele Milliarden Forint belebende Wirtschaftsinvestitionen die Regierung selbst getätigt hat.

Werden eigentlich die erwünschten Informationen von der zusammengezimmerten ungarischen Oppositionskoalition auf Anfrage in die fortschrittliche westliche Welt geliefert oder spielen die liberalen ungarischen und die internationalen Medien aus der gleichen Partitur? So oder so, man kann erkennen, dass der unsichtbare Zauberer mit seinem Zauberstab in diesem großen Spiel die Rolle des nützlichen Idioten für die ungarische Opposition vorgesehen hat. Sie wird als Werkzeug benutzt, um seine Ziele zu erreichen. In diesem Spiel geht es unter anderem um uns, um die renitenten Ungarn, welche die nationalen Interessen vertretend dem globalistischen Internationalismus im Wege stehen!

Die Autorin, Dr. Phil. Irén Rab, ist Kulturhistorikerin.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei MAGYR HÍRLAP und in deutscher Übersetzung von Dr. Andrea Martin bei UNGARNREAL, unserem Partner in der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


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