Von BERNHARD ZIMNIOK, EU-Abgeordneter | Die türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, die gleichzeitig am 14. Mai 2023 stattfanden, sind offen wie nie zuvor in den letzten 21 Jahren seit Erdogans Amtsantritt (anfänglich noch als Ministerpräsident)., da das Endergebnis erst nach einer Stichwahl feststehen wird.
Nachdem Erdogan sein Land aus der Instabilität geführt und die türkische Gesellschaft immer mehr mit seinen Gefolgsleuten aus der AKP durchdrungen hat, scheint sein Thron dieses Jahr allerdings zu wackeln: Außenpolitisch hat er sich besonders im Syrienkonflikt verrechnet, die galoppierende Inflation frisst das Vermögen der Mittelschicht auf und nicht zuletzt die inkompetente Reaktion der türkischen Behörden auf das Erdbeben im Februar hat das Vertrauen weiter Bevölkerungsteile in ihre Regierung beschädigt.
Als Deutsche und Europäer tangiert uns diese Situation direkt: Nicht nur haben die Entwicklungen zwischen Bosporus und Ararat enorme Wechselwirkungen mit unserem eigenen Land – gerade angesichts der großen Zahl türkischstämmiger Migranten. Die Türkei ist auch ein Schlüsselland bei der Bewältigung der Migrationskrise, die seit 2015 fortdauert und dieses Jahr einen neuen Höhepunkt zu erreichen droht.
Unabhängig davon also, ob Erdogan selbst die Wahl noch einmal für sich entscheiden kann oder von seinem Herausforderer Kemal Kilicdaroglu aus dem konkurrierenden Parteienblock abgelöst wird – der Ausgang wird erhebliche Auswirkungen auf Deutschland haben. Aus diesem Anlass habe ich nun eine neue, erweiterte Auflage meines erfolgreichen Buches herausgegeben: Die Gläubigen sind unsere Soldaten – der türkische Griff nach Europa beschäftigt sich mit den Spannungen, die durch die Einflussversuche Ankaras auf unserem Kontinent entstehen. Die türkischen Ambitionen haben dabei drei Schwerpunkte: Einerseits ist dies der Balkan, wo Erdogan die wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen Beziehungen in den letzten Jahren erheblich ausgebaut und immer direkter in die Innenpolitik der entsprechenden Länder eingegriffen hat. Länder wie Mazedonien und der Kosovo, einst vom Osmanischen Reich beherrscht, bieten dabei günstige Ausgangsbedingungen für die Etablierung eines türkischen Außenpostens.
Zum anderen versucht Ankara immer aggressiver, im Gasstreit mit Griechenland Boden – oder besser gesagt: See – gutzumachen. Denn im ägäischen Meer, das zwischen der Türkei und Griechenland liegt, sind umfangreiche Gasvorkommen entdeckt worden, aus denen die ganze EU jahrzehntelang versorgt werden könnte und auf die beide Nachbarn Ansprüche erheben. Mehrere Male geriet dieser Streit bereits an die Schwelle eines militärischen Konflikts. Wird dies früher oder später zum Auseinanderbrechen der NATO führen? Auch diese Frage analysiere ich in meinem Buch.
Den dritten Schwerpunkt schließlich bildet Deutschland – und das nicht von ungefähr. Etwa drei Millionen türkischstämmige Migranten werden hier von Erdogan und seinen politischen Konkurrenten umworben: Diese können bei Wahlen in der Türkei das Zünglein an der Waage bilden – das Verfassungsreferendum im Jahr 2017 hat bereits gezeigt, dass eine deutliche Mehrheit von Ihnen zu Erdogan tendiert. Doch heimische Wahlen sind nicht der einzige Grund, weshalb jeder türkische Präsident an der Diaspora in Deutschland interessiert sein wird: Denn etwa die Hälfte von ihnen besitzt mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit und kann damit auch an Bundestagswahlen teilnehmen –damit bilden sie eine zunehmend ernstzunehmende Größe, um auch die deutsche Politik unter Druck zu setzen. Dies zumal, da gerade die jüngeren Generationen, die längst hier geboren sind, immer weniger Anpassungsbereitschaft zeigen und sich aus Umfragen eine klare Tendenz zu fundamentalistischen Einstellungen ergibt.
Traditionell gelten die türkischen Einwanderer als eine im Durchschnitt besonders schlecht integrierte Gruppe: Ob es um Bildungstand, Arbeitsmarktbeteiligung oder den täglichen Kontakt zu Deutschen geht, überall sind ihre Werte schlechter als die der meisten anderen Nationalitäten. Damit bildet ihr Milieu einen idealen Nährboden für Einflussversuche von außen, die die türkische Politik in den letzten Jahren immer energischer betrieben hat: Predigten in den von der Türkei aus gesteuerten Ditib-Moscheen riefen mehr als nur einmal zum Märtyrertod für den Islam auf, die „Union internationaler Demokraten“ bildet mittlerweile ein Netzwerk von Auslandsorganisationen und mit den „Osmanen Germania“ gab es sogar eine Schlägertruppe, die in Deutschland Jagd auf Gegner des türkischen Staatspräsidenten machte.
Während unsere öffentliche Sicherheit auf diese Weise destabilisiert wird und sich eine „fünfte Kolonne“ zu bilden droht, haben die etablierten deutschen Parteien das Potential längst für sich entdeckt: Um bei der wachsenden türkischen und islamischen Wählerschaft anzukommen, bringen sie gezielt Einwanderer in hohe staatliche Positionen. Solange diese Politiker mit Migrationshintergrund sich anpassen und für deutsche Interessen einsetzen würden, wäre das grundsätzlich kein Problem. Einige von ihnen, wie die Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz, scheinen aber – ganz im Gegenteil – gerade deshalb gefördert worden zu sein, weil sie radikalen Migrantenverbänden nach dem Mund reden, die eine echte Assimilation verhindern wollen. Das Kalkül dahinter: Indem man die deutsche Kultur verächtlich macht, sollen Ressentiments gegen die Einheimischen geweckt und islamistisch geprägte Einwanderer als neue Wählerschicht erschlossen werden. Eine Verschärfung dieser unheilvollen Tendenzen ist bereits in Sicht, da nämlich die Einbürgerung der seit 2015 angesiedelten „Flüchtlinge“ zunehmend an Fahrt aufnimmt.
Innenministerin Faeser hat bereits einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der genau darauf abzielt. Und während die Ampelkoalition dieses Projekt unbedingt beschleunigen will, da SPD und Grüne sich als größte Profiteure sehen, hat mittlerweile auch die CDU/ CSU Morgenluft gewittert. Denn Friedrich Merz hat bereits erkennen lassen, dass er der Ampel beim Staatsbürgerschaftsrecht weit entgegenkommen möchte.
Artikel Türkei-Buch – 20.04.2023 Die Altparteien unterscheiden sich hier also nur minimal, sie alle tragen ja ihren Teil der Verantwortung für die Masseneinwanderung – und wollen nun möglichst viel für sich selbst dabei herausschlagen. Doch die Konkurrenz mit ausländischen Akteuren wie Erdogan wird, wie wir oben gesehen haben, zunehmend härter. Droht uns damit eine Situation wie im Libanon, wo der politische Streit nur noch zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen ausgetragen wird? Wie hoch ist das Gewaltpotential türkischer Organisationen in Deutschland? Und vor allem: Wie können wir uns selbst gegen die Islamisierung unserer Gesellschaft stemmen, die von in- und ausländischen Kräften betrieben wird? Und wie verhalten wir uns am klügsten auf dem Feld der Außenbeziehungen? Diese und viele weitere Antworten finden Sie in meinem neu aufgelegten Buch so aktuell wie nie beantwortet.
Das Buch kann kostenlos unter Angabe der Adresse an bernhard.zimniok@ep.europa.eu vorbestellt werden, die Auslieferung wird ab Mitte Mai stattfinden.