Horst D. Deckert

Im Zeitalter der Massenmanipulation

Von István Heinrich

 

Gleich am Anfang beziehe ich mich ich auf einen weisen Spruch, der besagt, dass unsere besten Gedanken nicht spontan von uns stammen, sondern von irgendwer anderem. Das ist tatsächlich oft der Fall.

Seit einiger Zeit trage ich mich mit dem Gedanken, dass alles, was ich meinen Lesern mitteilen möchte auch von meiner Vorliebe, sogar Voreingenommenheit beeinflusst sein könnte. Wieso glaube ich, dass meine Ansicht der Wahrheit mehr entspricht, als sie deren, die ich widerlegen möchte?

Ich kann mich glücklich schätzen, dass der ungarische Autor Csaba Braskó an ähnlichen Gedanken interessiert ist. Da konnte ich viel von ihm lernen. Er ist unter anderem der Auffassung, dass es

zweierlei Art der Denkweisen gibt: die eine erschafft die Probleme, die andere löst sie.

Die zweite Denkweise ist freilich schwieriger, aber es lohnt sich, uns darin zu üben, wenn wir ein glücklicheres Leben führen möchten. Seine Gedanken sind im folgenden Aufsatz reichlich zu finden.

In den letzten rund hundert Jahren entwickelte sich die Massenkommunikation im hohen Maße. Das ermöglichte für die Medien, die Leser, Zuhörer und Zuschauer erheblich beeinflussen zu können. Wir Menschen haben nämlich eine kuriose Eigenschaft, die darin besteht, dass je grösser eine Masse ist, umso wahrscheinlicher scheint, dass die Einzelnen der allgemein herrschenden Gesinnung erliegen. Die Reaktion der Massen ist nämlich völlig unabhängig von der Überzeugung der Einzelnen.  Genau diese Eigenschaft des menschlichen Gehirns kann für uns gefährlich werden.

Im Zeitalter der Massenkommunikation besteht also die Möglichkeit, die Massen zu manipulieren.

Ein großer Teil der Beiträge in der Presse, im Rundfunk und Fernsehen bezweckt dieses Ziel.  Das Mittel dafür besteht darin, die Empfindungen der Menschen aufzupeitschen, denn die angestachelten Leser, Zuschauer und Hörer konsumieren mehr. Nicht alle Medien sind darin interessiert, mental gesunde, ausgeglichene, rational denkende Menschen zu erziehen. Wenn die Gesellschaft mehrheitlich aus solchen Menschen bestünde, so würde ein Großteil der Massenmedien Konkurs machen. Deshalb wählen viele einen anderen Weg. Bereits Anfänger in Journalistenschulen werden darin geübt, gewählte Themen möglichst so zu bearbeiten, dass die Leser durch den Text emotional bewegt werden. Das ist an sich nicht verwerflich. Gedichte, Erzählungen, Musikstücke und Kunstwerke überhaupt bilden maßgeblich nicht nur unseren Verstand, sondern auch unsere Gefühlswelt. Darauf sollten wir keineswegs verzichten. Unsittlich und schändlich wird es nur da, wo wir durch künstlich geschürte Seelenzustände manipuliert werden. Nun erleben wir das heutzutage immer häufiger.

Das war freilich nicht immer der Fall. Am Anfang gab es Grenzen, ethische Regeln und Überlegungen, die eingehalten werden sollten und uns vor Beeinflussung durch die Medien geschützt haben. Damals waren noch die Zeitungen relativ klein. Dann aber hat man entdeckt, dass je mehr die Massen manipuliert werden, umso mehr Zeitungen können verkauft werden und umso höher ist die Anzahl der Fernsehzuschauer. Somit wurde die Norm in den Medien von Schritt zu Schritt in die derzeitige Form gelenkt.

Die Medienleute sind umso erfolgreicher, je mehr Menschen sie manipulieren können.

Zweifellos besteht die Möglichkeit, dass wir der schädlichen Beeinflussung trotzdem nicht erliegen. Aber nur eine Minderheit widersteht bewusst dem Trend, der dazu führt, von der herrschenden Meinung manipuliert zu werden. Man könnte natürlich in Ruhe nachdenken, wieviel Wahrheit in den Nachrichten steckt, und wer und wieso daran Interesse hat, uns zu manipulieren. Freilich braucht man dafür Zeit, Nüchternheit und Übung im rationalen, kritischen Denken. All das ist aber mühevoll, einfach ausgedrückt nicht praktisch. Wer sich diese Mühe ersparen will, kann sagen: Jemand sollte mich schon aufklären, welche Nachrichten manipuliert sind, und diese werde ich nicht lesen. Diese Überlegung auf den Punkt zu bringen heißt: Jemand sollte mir schon sagen, was ich denken soll.

So wird das Problem freilich nicht gelöst. Obwohl dieses Dilemma ist doch nicht neu. Bereits Mark Twain (1835–1910) klärte die Menschen durch seinen ironischen Spruch auf: Wenn du keine Zeitung liest, dann bleibst du uninformiert. Liest Du aber Zeitungen, so wirst du falsch informiert. Schon die alten Römer wussten das. Sie hatten einen Spruch dafür: Caveat emptor, d.h.  Käufer aufgepasst! Seid vorsichtig! Das nächste geflügelte Wort lautet: Cui bono? Deutsch: Wem nützt das? Wer ist der Nutznießer bestimmter Ereignisse oder Handlungen und politischer Entscheidungen?

Denn die Nachrichten sind eben nur Nachrichten, keine Wirklichkeiten.

Wenn unsere Gefühle aufgewühlt sind, müssen wir tief durchatmen und versuchen, über unseren Seelenzustand Herr zu werden. Entscheidungen im aufgeregten Befinden nutzen uns meistens nicht.

Es gibt freilich richtungsgebende Normen, welche die Medien einhalten sollten. Nur sind eben die Journalisten darin gut geübt, die Nachrichten so zu manipulieren, dass Juristen ihr tun nicht einfach beanstanden können.

In der Medienwelt ist ein richtiger Wettkampf entstanden. Es gab immer mehr Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehanstalten. Wenn einer von ihnen anfing, Techniken für Manipulationen anzuwenden, dann durften die anderen auch nicht zurückstecken, damit sie um Gottes Willen nicht ihre Leser und Abonnementen verlieren. Es war ähnlich wie in der Rüstungswettkampf im Kalten Krieg. Um den Frieden zu bewahren mussten die Großmächte gegenseitig ein großes Kernwaffenarsenal aufstellen, mit dem sie unseren Globus hätten mehrfach vernichten können. Alles nur deswegen, damit das „Gleichgewicht“ erhalten wird.

Was kann eigentlich getan werden, um diesen unsinnigen Wettbewerb zu bremsen?

Jacques Lacan (1901–1981), der berühmte französische Psychiater und Psychotherapeut hat herausgefunden, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens zwei verschiedene Brillen tragen sollte. Die erste ermöglicht eine Sicht von einem grenzenlosen Zutrauen. Diese Brille sollen wir im Kreis unserer Familie und Freunde tragen. Skepsis und ständige Besorgnisse können unsere Beziehungen schwer belasten und sogar kaputt machen. Wenn wir uns jedoch über die Dinge der Welt informieren wollen, dann ist es angebracht, eine andere Brille zu tragen, die uns dabei hilft, die Angelegenheiten nüchtern und kritisch zu betrachten. In diesem Fall wäre die Brille mit völligem Vertrauen fehl am Platz, weil sie eine Sicht vermitteln würde, die zu einer gefährlichen Naivität führt.

Diese zweierlei Brillen können wie unsichtbare Leibwächter aufgefasst werden, die um unsere Sicherheit sorgen. Sie kümmern sich darum, dass wir nicht manipuliert werden können, und somit wir freier und glücklicher leben.

Denn die zwei Leibwächter sind mit anderen Namen Selbstvertrauen und Selbstsicherheit.

Ich schließe mit einem alten Witz. Er ist freilich vielen bekannt, aber es lohnt sich immer wieder zu erzählen. Humor ist ein guter Wegbegleiter.

„Kluge Leute wissen, dass davon, was überall erzählt und geschrieben wird, nur die Hälfte ist wahr.  Geniale Menschen aber wissen auch, welche Hälfte.“

Der Autor, Prof.Dr. István Heinrich, ist Agrarökonom.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei UNGARNREAL, unserem Partner bei der EUROPÄISCHEN MEDIENKOOPERATION.


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