Horst D. Deckert

Irreführende Zahlen über den Nutzen der Impfstoffe

Am 1. Februar 2021 veröffentlichten wir einen Beitrag von Gerd Gigerenzer et al. über die Wirksamkeit der Impfstoffe. Darin wurde der Unterschied zwischen relativer und absoluter Risikoreduktion erläutert. Da es ein äusserst wichtiges Thema ist, greifen wir es nochmals auf und berechnen konkret auch die absolute Risikoreduktion der Covid-19-Impfstoffe von Pfizer-BioNTech, Moderna und AstraZeneca.

Wenn in Studien neue Medikamente oder Impfstoffe getestet werden, werden Zahlen angegeben, die die Reduktion des Risikos an einer bestimmten Krankheit zu erkranken, oder daran zu sterben, darstellen sollen. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die angegebenen Zahlen praktisch immer die relative Risikoreduktion darstellen, nicht die absolute.

Der Unterschied ist enorm wichtig. Die relative Risikoreduktion bezeichnet, um wieviel Prozent das Risiko durch eine Intervention verringert wird, bezogen auf alle Probanden, die in der Experimentalgruppe und in der Kontrollgruppe erkrankt sind. Die absolute Risikoreduktion bezeichnet hingegen, um wieviel Prozent das Risiko durch eine Intervention verringert wird, bezogen auf alle Untersuchte in beiden Gruppen.

Hier ein Beispiel, um die beiden Begriffe darzustellen. In einer Studie wird ein neues Medikament getestet, das Herzinfarkte verhindern soll. Dabei wird in der Experimentalgruppe 1’000 Probanden das neue Medikament verabreicht, während in der Kontrollgruppe 1’000 Probanden ein Placebo erhalten.

In der Experimentalgruppe erleiden nun 20 Probanden einen Herzinfarkt, in der Kontrollgruppe hingegen 40 Probanden. Die relative Risikoreduktion ist in diesem Fall 50%, da in der Medikamentengruppe halb so viele Probanden einen Herzinfarkt erlitten wie in der Kontrollgruppe. Die absolute Risikoreduktion beträgt hingegen 2%, da in der Experimentalgruppe 20 von 1’000 Probanden (2%) einen Herzinfarkt erlitten, im Gegensatz zu 40 von 1’000 (4%) in der Kontrollgruppe. 4% minus 2% ergibt somit 2%.

Der Hersteller des Medikaments wird nun sagen, dass sein Präparat das Risiko eines Herzinfarktes halbiert. Das ist an sich nicht falsch, doch es ist auch eine Irreführung, denn in Wahrheit reduziert sich das Risiko für alle Patienten, die das Medikament erhalten, lediglich um 2%. Die wichtige Information, die der Patient braucht, ist der Wert der absoluten Risikoreduktion. Denn diese muss mit den Nebenwirkungen aufgewogen werden – nicht die relative Reduktion -, da ja alle Risikopatienten das Medikament erhalten. Bei den Covid-19-Impfungen soll es nun sogar ein Grossteil der Bevölkerung sein.

Analysieren wir also die Daten der Studie für die Comirnaty-Impfung von Pfizer-BioNTech. In der Studie wird eine Wirksamkeit (efficacy) von 95% angegeben. 21’720 Probanden erhielten die Impfung und 21’728 ein Placebo. In der Placebogruppe hatten 162 Probanden Grippe- oder Atemsymptome und einen positiven SARS-CoV-2-Test, in der Gruppe der geimpften waren es 8 Probanden. Das ergibt eine relative Risikoreduktion von 95%, doch die absolute Risikoreduktion beträgt lediglich 0,7%.

Wenn also ein Grossteil der Bevölkerung dem Risiko von Nebenwirkungen ausgesetzt wird, ist es enorm wichtig zu wissen, dass jeder Einzelne, der sich impfen lässt, de facto eine um 0,7% geringere Chance hat, Grippe- oder Atemsymptome zu entwickeln und ein positives SARS-CoV-2-Testresultat zu erhalten. Notabene, nicht schwer zu erkranken oder gar zu sterben.

Diese niedrige absolute Risikoreduktion ergibt sich aus der niedrigen Prävalenz – die Anzahl der Krankheitsfälle in einer definierten Population zu einem Zeitpunkt oder während einer definierten Zeitdauer, in diesem Fall der Probanden in der Placebogruppe während der Dauer der Studie.

Bei gleichbleibender relativer Risikoreduktion gilt: je höher die Prävalenz, desto höher die absolute Risikoreduktion, und umgekehrt. Bei einer Prävalenz von 20% und einer relativen Risikoreduktion von 95% ergäbe sich zum Beispiel eine absolute Risikoreduktion von immerhin 19%, wenn alle Menschen in der berücksichtigten Population das Medikament erhalten würden.

Es folgt eine Tabelle mit den relativen Risikoreduktionen und den absoluten Risikoreduktionen der drei Impfstoffe, basierend auf den offiziellen Zahlen der Phase-III-Studien.

tabelle_impfstoffe_rrr_arr_4s-c1066-6294

Unter allen, die sich impfen lassen, hat somit jeder Einzelne eine 1,2%, respektive eine 0,7% geringere Chance, Grippe- oder Atemsymptome zu entwickeln in Verbindung mit einem positiven SARS-CoV-2-Test – was als «Covid-19» bezeichnet wird. Der sogenannte primäre Endpunkt der Studien, also das vorrangige Ziel, war die Bemessung der Reduzierung der Fälle mit Grippe- und Atemsymptomen in Zusammenhang mit einem positiven SARS-CoV-2-Test – nicht spezifisch die der Reduzierung der Todesfälle.

Als sekundärer Endpunkt wurde die Reduzierung der schwereren Fälle mit diesen Symptomen in Zusammenhang mit einem positiven SARS-CoV-2-Test berücksichtigt, inklusive die Todesfälle. Bezogen auf den sekundären Endpunkt war die angebliche Wirksamkeit in den Studien ähnlich wie die auf den primären Endpunkt bezogene Wirksamkeit. Die Studien sind noch nicht beendet, somit könnten sich die Resultate bis zum Ende der Studien noch ändern. Auch sind die Daten mit Vorsicht zu geniessen, da die Pharmafirmen selbst für die Studien verantwortlich sind.

In der Pfizer-Studie starb keiner der Probanden offiziell an «Covid-19», in denen von Moderna und AstraZeneca jeweils einer. Hinzuzufügen ist, dass in den Studien nur Menschen mit einem erhöhten Risiko einer «SARS-CoV-2-Infektion» teilgenommen haben. In der Gesamtbevölkerung wäre die absolute Risikoreduktion somit noch geringer, weil eben die Prävalenz geringer wäre.

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