Horst D. Deckert

Magnesiumhydrid zur Energieversorgung: Absurde Mengen & die totale Abhängigkeit vom kommunistischen China

Eventuell ist Wasserstoff doch keine so schlechte Idee für die Energieversorgung, dachte ich mir vor kurzem, als ich noch einmal gedanklich die Alternativen dazu durchgegangen bin. Denn immerhin ließe sich der angedachte Magnesiumhydrid als Trägerstoff in aller Welt an optimalen Orten zu billigsten Preisen produzieren und könnte hierzulande ohne größere Umstände gelagert und verbraucht werden. Doch die Sache hat einen Haken: Das Magnesium. Die benötigten Mengen wären so groß, dass sich Deutschland völlig von dessen Förderländern abhängig machen würde. Mit Abstand größter Produzent und quasi Monopolist auf dem Weltmarkt für Magnesium wiederum ist… die Volksrepublik China.

Mit Magnesiumhydrid aus der Energiewendensackgasse

Neben Japan ist Deutschland das einzige Land, das in Wasserstoff als Energieträger eine relevante Zukunft für dessen industrielle Anwendung sieht. Insgesamt 33 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Töpfen sollen in die marktreife Entwicklung von Systemen fließen, die Wasserstoff als Energieträger verwenden.

Es gibt viele Fragezeichen, ob nicht auch dieses Vorhaben zu einem Rohrkrepierer werden könnte. Insbesondere lithiumbasierte Feststoffbatterien scheinen bei den Opportunitätskosten die Nase vorne zu haben, da seit Jahren bereits an diesen weltweit geforscht wird und sie ein erheblich breites Anwendungsspektrum erlauben. Unabhängig von der Investitionssumme hätten es Wasserstoffspeichersysteme schwer, den heute bestehenden Rückstand in allen Dimensionen aufzuholen.

Dennoch böte Wasserstoff auch Vorteile, was insbesondere für dessen Anwendungsform als Magnesiumhydrid gilt. Unter anderem ist dieser ist weitgehend ungefährlich, so dass eine einfache und damit kostengünstige Handhabung möglich wäre. Transportverluste wären inexistent, so dass er weltweit an den optimalen Standorten produziert werden könnte und auch die Versorgungssysteme könnten relativ autonom funktionieren, was eine größere Infrastruktur unnötig macht. Schließlich wäre auch der Trägerstoff Magnesium zu 100% wiederverwendbar, was langfristig eine geringe Ressourcenbelastung bedeuten würde.

Ineffizient, aber billig

In Anbetracht des Produktionskreislaufs schätze ich, dass Magnesiumhydrid einen Wirkungsgrad von etwa einem Fünftel hätte. Das heißt, man setzt zu Beginn der Produktion 5 KWh ein, woraufhin beim Endkunden 1 KWh ankommt. Abzüge gibt es bei der Umwandlung des Eingangsstroms in Wasserstoff, der Herstellung des Magnesiumhydrids, dem Transport zum Verbraucher, der Rückumwandlung in Strom und dem Rücktransport zum Herstellungsort.

Für sich gesehen ist das eine schlechte Ausbeute. Allerdings relativiert sich diese, wenn man bedenkt, dass es auf der Welt Orte gibt, an denen der Strom quasi gar nichts kostet. Dazu gehören einige große Wasserkraftwerke in Sibiren und Südamerika, aber auch potenzielle Photovoltaikfarmen an Standorten, an denen ganzjährig täglich acht Stunden lang die Sonne scheint. In Anbetracht immer weiter fallender Herstellungskosten für Photovoltaikpanele wären die Stückkosten für den Strom bald nur noch in Megawattstunden zählbar. Nicht zuletzt gibt es außerhalb von Deutschland zahlreiche Atomkraftwerke, die zuverlässig große Mengen an Strom bereitstellen können.

Flaschenhals Magnesium

Das große Problem an diesem Lösungsweg liegt an einer ganz bestimmten Stelle, die meines Wissens noch niemand bedacht hat. Der oben angeführte Prozess deutet diesen aber implizit an: Es ist das Magnesium, von dem wir bei einem Abschalten aller fossiler und Kernkraftwerke Unmengen benötigen würden.

Denn neben dem Magnesium für den aktuellen Verbrauch müsste noch einmal die gleiche Menge für die gleichzeitige Befüllung vorhanden sein. Wiederum die gleiche Menge befände sich gerade auf dem Weg zum Kunden und ebenso die gleiche Menge wäre auf dem Rückweg zur Befüllung. Das entspräche dem Vierfachen dessen, was an Magnesium gerade beim Kunden zum Verbrauch bereitsteht. Überdies wäre auch eine umfassende Vorratshaltung für den Fall notwendig, dass es in der Lieferkette zu ernsten Problemen kommt. Mengenmäßig wäre das für die Reserve noch einmal mindestens ein doppelter Monatsverbrauch an Magnesiumhydrid.

Absurde Mengen an Magnesium

Auf der Wikipediaseite von Magnesiumhydrid heißt es, dass sich in einem Kilogramm Hydrid bis zu 800 Liter Wasserstoffgas speichern lassen, wobei die kombinierte Masse dann zu 7% aus Wasserstoff besteht. Leider wird nicht gesagt, welcher Druck für das Wasserstoffgas angenommen wird, da dies einen großen Einfluss auf dessen spezifische Energiedichte hat. Geht man wie auf dieser Seite von unverdichtetem Wasserstoff aus, dann lässt sich aus 12 Kubikmetern Wasserstoff die gleiche Menge nutzbarer Energie gewinnen, wie aus einem Liter Benzin. Ein Kilogramm Magnesiumhydrid entspräche damit 67ml Benzin (ja, Milliliter oder 0,067 Liter).

In diesem Wert zeigt sich das große Problem. Denn wollte man sämtliche benzingetriebenen Motoren umstellen auf Antriebe mit Magnesiumhydrid, dann bräuchte es in Anbetracht von 16,8 Millionen Tonnen Benzin, die jährlich in Deutschland verbrannt werden, mehr als 250 Millionen Tonnen Magnesium als Trägerstoff. Bricht man diese Menge herunter auf den Tagesverbrauch, dann läge der Bedarf noch immer mindestens 700.000 Tonnen. Hochgerechnet auf den gesamten Prozesskreislauf und ohne Vorratshaltung bräuchte Deutschland ungefähr 3 Millionen Tonnen Magnesium – und das alleine, um das Benzin zu ersetzen.

Neben Benzin gibt es aber noch Dieselkraftstoffe mit der doppelten Jahresverbrauchsmenge, dazu müssten alle Kraftwerke mit einer Gesamterzeugung von 500-600 Terrawatstunden damit ersetzt werden können, und nicht zuletzt gibt es noch die Wärmeerzeugung, sei dies über Fernwärme oder aus direkter Erzeugung per Gasheizung. Alles in allem liegt der jährliche Primärenergieverbrauch Deutschlands bei circa 14 Petajoule. Das wären 38,9 Billionen Kilowattstunden oder im Äquivalent 10 Milliarden Kubikmeter Benzin (Annahme 3,9 KWh pro Liter). Die Speicherung dieser Energiemenge als Magnesiumhydrid würde die Vorhaltung von über 150 Milliarden Tonnen Magnesium erfordern.

Die globale Magnesiumförderung entspricht zwei Tagen Benzinverbrauch

Ich hoffe sehr, dass ich mich im Dschungel der vielen Formelzeichen irgendwo verlaufen habe. Denn ansonsten muss man ernsthaft bezweifeln, ob irgendjemand im energiepolitischen Deutschland seinen Verstand noch nicht komplett verloren hat. Doch selbst unter Ignoranz der obigen Zahlen lässt sich das Vorhaben, das Land energietechnisch auch nur in einigen Nischen auf Magnesiumhydrid zu eichen, leichtens als Hirngespinst entlarven.

Aufklärung hierzu bietet die jährliche Produktionsmenge an Magnesium, die bei etwas mehr als einer Million Tonnen liegt. Würde Deutschland die gesamte Weltjahresproduktion aufkaufen, dann könnten daraus in etwa 1,08 Milliarden Kilogramm Magnesiumhydrid hergestellt werden. Gespeichert wären darin ungefähr 900 Millionen Kubikmeter Wasserstoff. Im Gegenwert wären das knapp 100.000 Tonnen Benzin, so viel wie derzeit in Deutschland an zwei durchschnittlichen Tagen verbrannt wird.

Damit zeigt sich, wie wenig der Planet vorbereitet ist auf die deutsche Weltrettungsaktion über den Winkelzug des Magnesiumhydrids. Zwar gibt es auch andere Metalle, mit denen sich Wasserstoff verschmelzen lässt, jedoch sind diese allesamt weniger geeignet. Es wird einen Grund haben, warum heute bei schon bestehenden Spezialanwendungen Magnesium als Trägerstoff verwendet wird und nicht etwas anderes. Die vorhandenen Mengen des Trägerstoffs sind viel zu klein für eine industrielle Entwicklung der Technologie jenseits der existierenden Nischen.

Lithium und der politische Wille

Für die Magnesiumförderung würde ein Einstieg in die Hydrierung bedeuten, dass diese um das Tausendfache oder noch mehr ausgeweitet werden müsste, um hinsichtlich der Energiespeicherung auf industriell relevante Mengen zu kommen. Lithium als der große Konkurrent des Magnesiums im Bereich der Energiespeicherung liegt in dieser Betrachtung so weit vorne, dass trotz der bestehenden Förderprobleme bei Lithium nicht einmal der Verdacht eines Wettrennens aufkommen kann.

Die Bundesregierung wird sich daran nicht stören. Die dafür reservierten Gelder werden sicherlich fließen und die Technologie wird so lange für teures Geld vorangetrieben werden, bis sie schließlich realisiert ist. Am Ende wird es in Deutschland absehbar Großanlagen zur Herstellung und zum Verbrauch von Magnesiumhydrid geben, und sei dies auch nur zur Vorratshaltung, wenn Sonne und Wind wieder einmal ausfallen.

Rotchina wird der große Gewinner sein

Auch wenn Wasserstoffhydrid im Energiewendenkalkül künftig nur eine kleinere Nebenrolle spielen wird, können sich die Förderländer jetzt schon die Hände reiben. Bei den größten davon handelt es sich um die USA auf Platz 3 mit einer Jahresproduktionsmenge von circa 50.000 Tonnen. Geschlagen werden sie von Russland mit 65.000 Tonnen auf dem zweiten Platz. Der mit Abstand größte Magnesiumproduzent aber ist das kommunistische China mit 800.000 Tonnen. Wie auch bei anderen Metallen mit Nischendasein dominiert das Land den Weltmarkt mit 80% der globalen Produktionsmenge.

Das heißt, sobald der deutsche Magnesiumbedarf nach oben schnellt, werden in Peking erst einmal die Kassen klingeln. Ebenso wird China vermutlich das einzige Land sein, das in kurzer Zeit die Produktion so weit ausweiten kann, dass sie (auf Kosten der dortigen Umwelt) mit den deutschen Energiewendeträumen mithalten kann. In Anbetracht der gegebenen Relationen ist daher absehbar, dass Deutschland selbst bei einem nur mittelgroßen Einstieg in die hydridbasierte Wasserstoffwirtschaft in die völlige Abhängigkeit von Rotchina geraten wird. Der Gang in diese Sackgasse ist so eindeutig, dass man fast meinen könnte, das Vorhaben habe sich nicht jemand in Deutschland, sondern in Peking ausgedacht.

Quelle Titelbild

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