Horst D. Deckert

Mit dem politisch alternativlosen Kasinokapitalismus in den Untergang

Die totale Interventionsspirale aus politischen Steuerungsversuchen und monetären Geldfluten hat sich weltweit so weit institutionalisiert, dass sich ganze Wirtschaftssektoren entwickelt haben, die nur und nur noch deswegen existieren. Dadurch entstand eine Fallhöhe, die das „too big to fail“ zum Systemdogma werden ließ. Die Erkenntnis darüber hat sich inzwischen bis zum Bevölkerungsdurchschnitt am Ende der wirtschaftlichen Nahrungskette herumgesprochen. Dort werden die Kalküle so sehr ins extreme verzerrt, dass für die meisten der Gang in das Kasino des Finanzkapitalismus der einzig verbliebene Weg ist, um zu Wohlstand zu kommen.

 

Of Two Minds: Der einzige Weg voraus besteht in absurden, riskanter Spekulation

 

Es ist alles so erbärmlich. Der einzige Weg voran scheint nur noch darin zu bestehen, absurde und riskante Spekulationen einzugehen. Irgendwie scheint aber niemandem diese krasse und abwegige Realität überhaupt aufzufallen. Die Frage ist, warum so viele Leute irre Wetten auf spekulative Vehikel wie Gamestop und Dogecoin eingehen. Die offensichtliche Antwort darauf besteht darin, dass einige wenige dort in wenigen Wochen das an Gewinnen mitgenommen haben, wofür andere andere ein oder zwei Jahrzehnte arbeiten mussten. Bei dem Versuch, mit Hilfe derartige Spekulationen ein paar hunderttausend Dollar zu verdienen, scheint es sich für Durchschnittsverdiener um den einzig verbliebenen Weg für das persönliche Vorankommen zu handeln.

 

Die Preise steigen, die Leistung sinkt

 

Ein Blick auf die Entwicklung der Löhne verrät das Dilemma in den USA: Im Jahr 1986 konnte man problemlos 12 Dollar pro Stunde verdienen, was damals einem guten Durchschnittslohn entsprach. Heute dagegen, 35 Jahre später, werden 12 Dollar noch immer als ein guter Lohn erachten. Viele bekommen weniger als das.

Gleichzeitig jedoch sind in diesen 35 Jahren die Kosten für Gesundheit, Wohnen, Kinderbetreuung und allem anderen, was man für eine Familie braucht ungebremst in die Höhe geschnellt. Schon 1986 war es schwierig, mit 12 Dollar pro Stunde ein Haus zu kaufen. Heute ist das unvorstellbar. Je nach Region haben sich die Kosten für ein kleines Eigenheim in den letzten 35 Jahren verdrei- bis fünffacht, teilweise sogar verzehnfacht.

Auch der Weg zum Wohlstand über die Selbstständigkeit ist zu einem bitteren Witz verkommen. 1986 konnte Angestellten je nach Familienstand für 50 bis 150 Dollar eine anständige Krankenversicherung angeboten werden. Die Angestellten zahlten für diese Versicherung keinen Cent aus der eigenen Tasche. Die Arbeitgeber übernahmen sämtliche Krankenverischerungskosten und obendrein die Prämie für die Unfallversicherung, die Haftpflichtversicherung und die Arbeitslosenversicherung.

Laut dem US-Statistikamt ist der Konsumentenpreisindex in einer Weise gestiegen, dass man heute 2,40 Dollar ausgeben muss für Waren und Dienstleistungen, die 1986 noch einen Dollar gekostet haben. Gleichzeitig ist die Preisleistung mitunter massiv gesunken. Man muss nur einmal versuchen, heute eine brauchbare Krankenversicherung für 120 Dollar zu kaufen, was der Preisteuerung um den Faktor 2,4 entspricht. Die Aussagekraft des Konsumentenpreisindex spottet jeder Beschreibung, wenn es um die wichtigen Anschaffungen für ein geordnetes Leben geht: Wohnen, Kinderbetreuung, Krankenversicherung, Studiengebühren und auch alle anderen für eine Familie notwendigen Anschaffungen sind weit mehr als um das 2,4-fache gestiegen.

Nicht weniger sind auch die Kosten in der Privatwirtschaft gestiegen. Die Abdeckung von Haftungsrisiken, Kosten für die Einhaltung von Vorschriften und Nebenposten wie Müllgebühren sind in der selben Weise in die Höhe geschnellt. Dennoch ist automatisch jeder „reich“, der sich als Unternehmer betätigt, auch wenn das lediglich bedeutet, dass man zu einer besonders großen Zielscheibe für das Finanzamt wird, das die zahlreichen lokalen, regionalen und Bundessteuern mitsamt Bußgeldern einzieht und permanent mehr abkassiert.

 

„Reich“ sein und reich sein

 

Auch bei den Hochschulabschlüssen herrscht eine eklatante Schieflage vor. Die Bedeutung guter Noten zur Abgrenzung von der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt hat zu einer steten Noteninflation geführt, welche die Preisinflation noch einmal übersteigt. Heute muss sich jeder mit einhundert anderen Kandidaten um eine hochbezahlte Stelle streiten, wobei der Gewinner am Ende ebenso verliert, da er am Ende ohne Privatleben dasteht. Wer heute noch sehr gut verdient, der ist effektiv nicht mehr als ein abhängiger Diener der Konzerne.

Doch selbst wer sich damit abfinden kann, den markiert das Finanzamt nun ebenfalls mit dem Attribut des „Reichen“ mit der direkten Folge, dass 40% bis 50% des Einkommens unmittelbar in die Staatskasse abfließen. Außen vor bleiben nur die Superreichen und deren Unternehmen, die sich dank der zahlreichen teuren wie lohnenswerten Tricks mit Hilfe von Stiftungen, Offshore-Konten, Subventionen oder gleich dem Kauf von Politikern freikaufen können. Abgemolken werden nur all jene, die für das systematische Abschöpfen von Einkommen „reich“ genug sind, gleichzeitig aber auch zu arm sind, um sich dem Hamsterrad entziehen zu können.

Nur wer Glück hat, kann ein Mehr an Arbeit am Ende auch in mehr Geld ummünzen. Meist steht auch hier ein Fragezeichen dahinter, weil Sie sind ja „reich“ und da kann der Staat schadlos etwas mehr zugreifen. Am Ende des Spiels ackert man sich ab, besitzt aber dennoch nichts und kann sich keine Familie leisten. Aber wenigstens ist man „reich“ in Bezug auf das Bruttoeinkommen.

 

Letzter Ausweg Kasinokapitalismus

 

Bei Lichte betrachtet verwundert es in keinster Weise, dass viele, die nicht zur Elite des obersten Einkommensprozents gehören, oder einer wohlhabenden und gut vernetzten Familie angehören, ihre letzte Hoffnung darin sehen, sich im finanzkapitalistischen Kasino an den von der Federal Reserve betreuten riskantesten Tisch zu setzen, um sich auf Pump Aktien zu kaufen, die wertlos verfallen, wenn die Wette schiefgeht.

Die traurige Realität des amerikanischen Fortschritts besteht aus den folgenden Möglichkeiten mit ungefähr den selben Eintrittswahrscheinlichkeiten: 1) Reiche Eltern haben; 2) im Lotto gewinnen; 3) sich über einen hochbezahlten Job bei gleichzeitig spartanischer Lebensweise frühzeitig aus dem System ausklinken; 4) ein Start-Up gründen, das von Microsoft, Google, Apple oder Facebook aufgekauft wird; oder 5) sich im Casino an den FED-Tisch zu setzen und gewinnen.

Drei Diagramme geben Auskunft über das System, das diese Entwicklung befördert. Einmal jenes mit den kreditfinanzierten Aktienkäufen, dann die M2-Geldmenge und die Geldumlaufgeschwindigkeit. Die ersten beiden befinden sich auf einem Rekordhoch, da die FED aus dem Nichts Billionen von Dollar druckt, die zum allergrößten Teil in spekulative Vermögensblasen fließen. Dort beflügelt der Geldrausch Zocker, die für ihr persönliches Vorankommen keine andere realistische Möglichkeit mehr sehen als sich kreditfinanziert an der Spekulationsblase zu beteiligen. In der Zwischenzeit stagniert die Realwirtschaft in einer nie dagewesenen Weise: Die Löhne stagnieren, die Gründung von eigenen Haushalten und Familien stagniert, die Unternehmensgründungen stagnieren. All das erzählt uns das Rekordtief bei der Geldumlaufgeschwindigkeit.

Daher ist alles so erbärmlich. Der einzige Weg voran scheint nur noch darin zu bestehen, absurde und riskante Spekulationen einzugehen und darauf zu wetten, dass an den manipulierten Tischen der FED am Ende jeder als Gewinner nach Hause gehen wird. Die andere Seite der Geschichte – jene mit dem Verlieren – scheint noch niemandem aufgefallen zu sein. Alles, was man aus der Szene hört besteht in Beteuerungen, dass ihnen die FED schon den Rücken freihalten wird. Das wird dann so lange gehen, bis das gesamte Kasino unter dem Gewicht des fauligen Haufens an Betrug, Korruption, Gier, systemischem Risiko und Hybris zusammenbricht.

Quelle Titelbild, Diagramme

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