Horst D. Deckert

Richter des spanischen Verfassungsgerichts stellt fest: Erster «Alarmzustand» im Jahr 2020 war verfassungswidrig

Nach einem Jahr und drei Monaten der brutalen Corona-Massnahmen, der zerstörten Existenzen und des menschlichen Leids hat ein Richter des spanischen Verfassungsgerichts kürzlich festgestellt, dass der erste «Alarmzustand» zwischen März und Juni 2020 verfassungswidrig war.

Für Corona-Kritiker nichts Neues. Denn schon Anfang April 2020 erschien in der Zeitung ABC ein Kommentar von Javier Borrego Borrego, Richter am Obersten Gerichtshof Spaniens, in dem dieser darauf hinwies, dass die spanische Regierung den «Alarmzustand (Estado de Alarma)» mit dem «Ausnahmezustand (Estado de Excepción)» verwechselt. Womit er sagen wollte, dass der «Alarmzustand», der genutzt wurde, um das Volk rigoros wegzusperren, die fundamentalen demokratischen Grundrechte verletzte. Dieser hinter der Zahlschranke verborgene Artikel wurde später auch in anderen Portalen veröffentlicht.

Der Jurist hatte seinen Kommentar mit schönen Worten des revolutionären russischen Poeten Vladimir Vladimirovich Mayakovski geschmückt:

«In der ersten Nacht kommen sie und holen eine Blume aus unserem Garten. Wir sagen nichts. In der zweiten Nacht verstecken sie sich nicht mehr, treten auf die Blumen, töten unseren Hund und wir sagen nichts. Bis eines Tages einer von ihnen allein in unser Haus kommt und uns den Mond stiehlt. Und da wir unsere Angst kennen, reisst sie uns die Stimme aus dem Hals, und weil wir nichts gesagt haben, können wir nichts mehr sagen.»

Am 11. Juni 2021 mussten sich die spanischen Mainstream-Medien nun wieder mit dem unangenehmen Thema der Verfassungsrechtlichkeit des «Alarmzustands» beschäftigen. El País schrieb:

«Der während des ersten Alarmzustands zwischen März und Juni 2020 verordnete Lockdown (Anm. d. Red.: confinamiento) ist verfassungswidrig – so die Einschätzung des Richters des konservativen Sektors des Verfassungsgerichts, Pedro Trevijano, in seinem Urteilsentwurf, der am 22. dem Plenum des Hohen Gerichts zur Beratung vorgelegt wird.»

El País liess zudem wissen, dass die Prüfung des Sachverhalts auf einen Einspruch der Partei Vox erfolgte (Anm. d. Red.: wird vom Mainstream als rechtspopulistisch betrachtet). Von Trevijano als verfassungswidrig eingestuft wurde Artikel 7 des «Alarmzustand»-Dekrets. Dieser verbot die «Freizügigkeit von Personen – ausser in Ausnahmen». Der Richter beschied: Die Aussetzung dieses Grundrechts sei nur im «Ausnahmezustand» möglich, nicht in einem «Alarmzustand». Obendrein hätte ein «Ausnahmezustand» vom Abgeordnetenkongress beschlossen werden müssen, und nicht wie im Fall eines «Alarmzustands» von der Regierung.

Mit dem Lockdown habe eine «Aussetzung der Grundrechte und nicht eine blosse Einschränkung» vorgelegen, so Trevijano. Am 22. Juli wird das Plenum des Verfassungsgerichts über den Urteilsentwurf abstimmen. Da die Konservativen dort eine grosse Mehrheit (sieben zu vier) hätten, würden «verschiedene Quellen» davon ausgehen, dass man Trevijanos Einschätzung folgen werde, informierte El País.

Dies würde bedeuten, dass alle Sanktionen, die wegen der «Nichteinhaltung der Corona-Massnahmen» verhängt wurden, aufgehoben werden müssen. Dies betrifft selbst «rechtskräftige Urteile über strafrechtliche oder verwaltungsrechtliche Bussgelder». Diese würden aufgrund der «rückwirkenden Aufhebung der Sanktionsnorm» automatisch hinfällig, schrieb El País.

Das Urteil entscheide allerdings nicht über die vermögensrechtliche Verantwortung des Staates gegenüber den Tausenden von Betrieben, die durch die monatelange Schliessung infolge des Dekrets einen enormen wirtschaftlichen Schaden erlitten hätten, fügte die Zeitung hinzu.

In den etwas mehr als drei Monaten des ersten spanischen «Alarmzustands» schlugen die Sicherheitskräfte die Verhängung von 1,1 Millionen Bussgeldern vor. Mehr als 9000 Verhaftungen wegen Nichteinhaltung der Mobilitätsbeschränkungen wurden durchgeführt. Es handelte sich um Geldbussen in einem Umfang von 601 bis 30’000 Euro.

Am Rande: Diese eher überraschende juristische Entwicklung am düsteren spanischen Corona-Horizont beruht auf einer kuriosen Begebenheit. Denn eigentlich hätte der Richter Fernando Valdés Dal-Ré über die Verfassungsrechtlichkeit des «Alarmzustands» entscheiden müssen. Dieser sei von der links-sozialistischen Regierung in seine Position gewählt worden und hätte wohl anders entschieden als Trevijano, berichtete der Rechtsanwalt Aitor Guisasola am 12. Juni in einem Video in seinem Kanal «Un abogado en contra de la demagogia».

Doch Valdés wurde im August 2020 wegen eines mutmasslichen Delikts von «Häuslicher Gewalt» von der Guardia Civil verhaftet. Mitte Oktober trat der Richter dann von seinem Amt zurück und wurde durch Pedro Trevijano ersetzt.

Auch Guisasola ist sich sicher, dass die Verfassungswidrigkeit des «Alarmzustands» bestätigt wird.

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