Amerikanische Ökonomen machen sich gewohnheitsmässig Sorgen um die Staatsverschuldung. Aber Staatsschulden können getilgt werden, indem die Federal Reserve das Geld druckt, mit dem die Anleihen zurückgezahlt werden. Privatpersonen, Unternehmen sowie Landes- und Kommunalregierungen können das nicht, denn sie haben keine Druckerpresse. Das Schuldenproblem lastet damit auf den Schultern der Gesellschaft.
Die Verschuldung der Bevölkerung bedeutet, dass es wenig verfügbares Einkommen gibt, mit dem die Wirtschaft angetrieben werden kann. Die Auslagerung von Arbeitsplätzen der Mittelschicht hat die Einkommen gesenkt. Nach Zahlung der Raten – Hypothekenzinsen, Autoabzahlungen, Kreditkartenzinsen, Schulden aus Studentenkrediten – sind die Taschen der Amerikaner leer.
Diese Situation wurde durch die Lockdowns noch verschlimmert. In den USA hat die Bundesregierung Corona-Hilfsgelder gesprochen, damit die Menschen einigermassen über die Runden kommen, solange sie kein Einkommen haben. Die Finanzwelt bezeichnet diese Corona-Hilfen als «fiskalischen Anreiz». Aber es gibt keinen Anreiz. Die Hilfsgelder reichen nicht annähernd aus, um die Löhne, Gehälter und Unternehmensgewinne zu ersetzen, die den Lockdowns zum Opfer fallen.
Die Unternehmen haben sich verschuldet und ihre Kapitalisierung beeinträchtigt, indem sie sich Geld geliehen haben, mit dem sie ihre Aktien zurückkaufen können. Dies hat ihre Verschuldung angesichts der stagnierenden oder sinkenden Einkommen noch erhöht.
Wir schlagen vor, die Schuldenkrise durch einen Schuldenerlass zu bewältigen, so wie es in der Antike gemacht wurde. Unsere Grundannahme ist, dass Schulden, die nicht bezahlt werden können, auch nicht bezahlt werden. Zwangsversteigerungen und Zwangsräumungen würden die Verteilung von Einkommen und Vermögen weiter verschlechtern und das wirtschaftliche Wachstum zusätzlich behindern. Ein Schuldenerlass auf einem Niveau, welches bedient werden kann, würde die Voraussetzungen für einen echten Aufschwung schaffen.
Einige Ökonomen murren, dass wir die «moralische Gefahr» übersehen, den Menschen ihre Schulden zu erlassen. Aber die Wirtschaft in der Verschuldung stagnieren zu lassen, ist ebenso eine moralische Gefahr.
Die Politiker haben unseren Vorschlag nicht gebilligt, aber unsere Politik faktisch übernommen. Doch anstatt die Schulden selbst zu erlassen, verzichteten sie auf die Zahlung des Schuldendienstes. So werden Einzelpersonen und Unternehmen, die ihre Vermieter oder Kreditgeber nicht bezahlen können, bis im Juni vor Zwangsräumungen oder Zwangsversteigerungen bewahrt. Dies schadet den Kreditgebern und Banken nicht, da die Kredite nicht in Verzug sind und ihre Bilanz nicht beeinträchtigt wird. Die Banken fügen die offenen Zahlungen ihren Vermögenswerten hinzu, und ihre Bilanzen bleiben intakt.
Im Juni wiederum muss das Zwangsvollstreckungsverbot verlängert werden, da der entstandene Schuldenberg nicht abgebaut werden kann. Eine Verlängerung des Moratoriums für Zwangsversteigerungen und Zwangsräumungen wird die Rückstände nur noch vergrössern. Ist die Konsequenz ein ewiges Moratorium?
Die Frage ist: Wenn die Politik bereit ist, den Schuldendienst zu erlassen, warum nicht einfach die Schulden erlassen? Letzteres ist sauberer und schafft Raum für die wirtschaftliche Wiederherstellung.
Die US-Wirtschaft ist heute dem Finanzmarkt-Kapitalismus unterworfen (Stichwort financialization): Es werden Schulden angehäuft, ohne dass ein entsprechender Zuwachs an produktiven Kapitalinvestitionen zu verzeichnen ist, um die steigenden Schulden zu tragen.
Der Hauptzweck von Bankkrediten ist die Refinanzierung bestehender Investitionen, nicht die Ausweitung der Produktionskapazität, mit der die Schulden bedient werden sollen. Es ist nicht möglich, in einer «finanzialisierten» Wirtschaft aus den Schulden herauszuwachsen, weil zu viel Einkommen für den Schuldendienst verwendet wird. Die Abschreibung von Schulden ist der Weg, um aus diesem Problem herauszukommen.
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Michael Hudson ist ein US-amerikanischer Ökonom, Finanzanalyst und Autor.