Horst D. Deckert

Spital Thun verpasste seinen Mitarbeitern einen «Maulkorb»

Seit rund einem Jahr wird die Öffentlichkeit inzwischen andauernd in Schockstarre gehalten. Eines der häufigsten Argumente lautet: Die Massnahmen seien zwingend notwendig, um die Spitäler vor einer Überlastung zu schützen. Tatsächlich waren diese jedoch auf die gesamte Schweiz gesehen zu keinem Zeitpunkt auch nur annährend überlastet (Corona-Transition berichtete). Trotzdem versuchte man dieses Bild der Öffentlichkeit zu vermitteln.

Eifrig an dieser verzerrten Realität mitgewirkt haben einzelne Spitäler selbst. Darunter die Spital STS (Simmental-Thun-Saanenland) AG, die als regionales Spitalzentrum in den Spitalbetrieben Thun und Zweisimmen die medizinische Versorgung gewährleistet. Kurz nach Beginn der Coronakrise, am 6. April 2020, machte das Spital alle Mitarbeiter darauf aufmerksam, keine Informationen über die tatsächliche Situation in den Spitälern in den sozialen Netzwerken an die Öffentlichkeit zu tragen.

«Bitte posten Sie keine vertraulichen Informationen aus Ihrem Arbeitsalltag wie zum Beispiel ‹wenig an COVID-19 erkrankte Personen im Spital› oder ‹zur Zeit ist der Notfall nicht ausgelastet›. Und seien Sie sich bewusst, dass Ihre Aussagen Auswirkungen auf das Image der Spital STS AG haben können», schrieb Marie-Anne Perrot, die damalige Kommunikationsverantwortliche des Spitals, in einem Rundschreiben an alle Mitarbeiter. Die E-Mail-Nachricht liegt Corona-Transition vor.

Private Fotos schaden angeblich dem Image

Weiter wurden alle Mitarbeiter angewiesen, keinerlei Fotos oder Posts von Ausflügen, Freizeitaktivitäten oder Treffen mit Freunden in den sozialen Medien zu verbreiten. Solche Posts hätten dort nämlich «nichts zu suchen und werfen ein negatives Bild auf das Personal im Gesundheitswesen», so das Rundschreiben. Und weiter:

«Und seien Sie sich bewusst, dass Ihre Aussagen Auswirkungen auf das Image der Spital STS AG haben können. Themen oder Auskünfte zur Corona-Krise, welche für die Öffentlichkeit relevant sind, werden ausnahmslos durch die zuständige Stelle der Unternehmenskommunikation publiziert.»

Perrot wies zudem alle Mitarbeiter darauf hin, sich an die «Verhaltensregeln des Bundesamts für Gesundheit zu halten». Bei mehreren Mitarbeitern stiess das Schreiben auf wenig Begeisterung. Einzelne sahen darin nichts weiter als einen «Maulkorb».

Auf diesen Vorwurf angesprochen entgegnet Pierre Hagmann, der inzwischen die Kommunikationsabteilung des Spitals leitet: «Zu keiner Zeit – vor oder während der Coronavirus-Pandemie – haben wir unseren Mitarbeitenden einen ‹Maulkorb› erteilt. Diesen Vorwurf weist die Spital STS AG zurück. Nicht erlaubt sind selbstverständlich vertrauliche Auskünfte zu Patientinnen und Patienten (Schweigepflicht).» Mit dem Schreiben, so Hagmann, hätte man die Mitarbeiter sensibilisieren wollen.

Über tatsächliche Auslastung wird geschwiegen

Auf die Frage, weshalb die Mitarbeiter keine privaten Fotos von Freunden ins Netz stellten sollten, entgegnet Hagmann: «Zum Zeitpunkt der internen Mitteilung vor einem Jahr befand sich die Schweiz in einem harten Lockdown, verbunden mit dem behördlichen Appell, zuhause zu bleiben – in jenem Zusammenhang hätten Fotos und Posts von Ausflügen, Freizeitaktivitäten oder von Treffen mit Familien und Freunden ein unvorteilhaftes Bild auf das Personal im Gesundheitswesen geworfen.»

Auch sei es wichtig, dass sich die «gesamte Bevölkerung – und dazu gehören auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – an die jeweils gültigen Verhaltens- und Hygienemassnahmen von Bund» halten würden, so Hagmann weiter. Der Kommunikationsverantwortliche vertritt die Meinung, dass der Spital STS AG jederzeit «transparent über die Situation» im Unternehmen informiert habe. Auf Nachfrage wollte Hagmann jedoch keine Auskunft über den Stand der Auslastung im April 2020 erteilen.

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