Horst D. Deckert

Meine Kunden kommen fast alle aus Deutschland, obwohl ich mich schon vor 48 Jahren auf eine lange Abenteuerreise begeben habe.

So hat alles angefangen:

Am 1.8.1966 begann ich meine Ausbildung, 1969 mein berufsbegleitendes Studium im Öffentlichen Recht und Steuerrecht.

Seit dem 1.8.1971 bin ich selbständig und als Spezialist für vermeintlich unlösbare Probleme von Unternehmern tätig.

Im Oktober 1977 bin ich nach Griechenland umgezogen und habe von dort aus mit einer Reiseschreibmaschine und einem Bakelit-Telefon gearbeitet. Alle paar Monate fuhr oder flog ich zu meinen Mandanten nach Deutschland. Griechenland interessierte sich damals nicht für Steuern.

Bis 2008 habe ich mit Unterbrechungen die meiste Zeit in Griechenland verbracht. Von 1995 bis 2000 hatte ich meinen steuerlichen Wohnsitz in Belgien und seit 2001 in Paraguay.

Von 2000 bis 2011 hatte ich einen weiteren steuerfreien Wohnsitz auf Mallorca. Seit 2011 lebe ich das ganze Jahr über nur noch in Paraguay.

Mein eigenes Haus habe ich erst mit 62 Jahren gebaut, als ich es bar bezahlen konnte. Hätte ich es früher gebaut, wäre das nur mit einer Bankfinanzierung möglich gewesen. Dann wäre ich an einen Ort gebunden gewesen und hätte mich einschränken müssen. Das wollte ich nicht.

Mein Leben lang habe ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Seit 2014 war ich nicht mehr in Europa. Viele meiner Kunden kommen nach Paraguay, um sich von mir unter vier Augen beraten zu lassen, etwa 200 Investoren und Unternehmer pro Jahr.

Mit den meisten Kunden funktioniert das aber auch wunderbar online oder per Telefon.

Jetzt kostenlosen Gesprächstermin buchen

Tränen für die Lebensfreude

Auf dem Heimweg von der Arbeit sehe ich ihn. Er sitzt, im Schatten der Abendsonne, gebeugt auf seinem Rollator, in der Hand ein Smartphone. Schon gehe ich an ihm vorbei, da ertönt aus seinem Gerät lautes Klatschen und Johlen einer Menschenmenge, kurz darauf die rockigen Klänge von Status Quo.

Ich drehe mich um und rufe ihm lachend entgegen: «So toll! Das rockt!». Er blickt auf und winkt mich heran. «Hier … », und er deutet auf den Bildschirm. Openair-Stimmung, Sommer, Rockkonzert, Menschenmenge, lachende Gesichter… Er hat Tränen in den Augen. Ich bin verwirrt. «Das berührt Sie …?», frage ich zögernd. «Sind Sie ein Status Quo-Fan …?». Stille. Nach einer Weile seine leise, brüchige Stimme: «So viele Menschen!». «Das berührt Sie … diese vielen Menschen … », frage ich zögernd, er schluchzt auf und ich beginne zu begreifen. «Oh. Sie meinen … ist es, weil … ist es wegen … Corona …? Weil es nicht mehr erlaubt ist, dass so viele Menschen zusammen sind …?».

Er nickt und das Weinen schüttelt ihn. Die Hände halten zitternd das Smartphone, die Menschenmenge jubelt zu «Rockin’ All Over The World» … Ich schweige betroffen. Zaghaft lege ich meine Hand an seine Schulter. «Berührt es Sie, dass solche Veranstaltungen unter den Corona-Massnahmen nicht mehr möglich sind?». Er nickt schweigend und schluchzt auf. «Macht es Sie traurig, dass es im Moment nicht möglich ist, dass die Menschen zusammen sein und so fröhlich feiern können?». Er nickt und schluchzt.

«Berührt es Sie, wenn sie die Lebensfreude dieser Menschenmenge sehen?». Beim Wort Lebensfreude bricht das Weinen laut aus ihm heraus. Ich streiche ihm sanft über den Rücken. «Ja, das ist traurig. Es ist gut, dass Sie diese Traurigkeit heraus weinen». Nach einer Weile frage ich ihn: «Und vielleicht machen Sie sich auch Sorgen, wie das wohl weiter gehen wird, was die Zukunft noch bringen wird? Uns, unseren Kindern?». Er nickt, und Tränen rollen über seine Wangen. Die Maske hängt mittlerweile unter seinem Kinn. Weinen und Masketragen vertragen sich nicht.

Eine Weile schweigen wir zusammen, meine Hand auf seinem Rücken. Lebensfreude, dieses Stichwort hatte den Damm ganz zum Brechen gebracht. Lebensfreude. Ich bin berührt. Von diesem unbekannten Mann, vielleicht um die 80 Jahre alt, auf seinem Rollator sitzend, der sich youtube-Videos von Openair-Konzerten mit Tausenden von feiernden Menschen anschaut und dabei weint, weint aus Schmerz und Kummer darüber, was gerade in der Welt passiert und darüber, dass die Lebensfreude einen schweren Stand hat im Moment.

«Es besteht Hoffnung» sage ich zu ihm. Immer mehr Menschen beginnen zu begreifen, dass es so nun auch wieder nicht geht. Gesundheit bedeutet mehr als nur sich vor einer Krankheit zu schützen. Es gibt Menschen, die ein Zeichen setzen und für Lebensfreude auf die Strasse gehen. Ich habe ein youtube-Video gesehen, aus Frankreich und aus Biel. Fröhliche, bunt gekleidete MusikerInnen und KünstlerInnen, die singen und tanzen und so und den Menschen etwas Lebensfreude zurück schenken wollen. «Nous, on veut danser encore!» singen sie. Ich zeige ihm das Video. «Danser encore» murmelt er und blickt mich an, zum ersten Mal.

Dann tauschen wir die Telefonnummern aus und ich lade ihn ein zu uns in den Garten. Bald wird hier ein kleines Gartenkonzert stattfinden, jetzt, wo Treffen draussen mit 15 Personen wieder erlaubt sind. Das Konzert mit Kollekte gibt einer Musikerin die Möglichkeit, wieder einmal für ein reales Publikum zu spielen und ein Einkommen zu erzielen – nach langer Zwangspause. Es ist nicht Status Quo und auch nicht ein Openair mit Tausenden von Menschen. Klein und fein wird es sein, mit einem klaren Votum für die Lebensfreude.

Er blickt mich an, wie mir scheint etwas getröstet. Wir verabschieden uns. Bis bald, im Garten! Kurz darauf erhalte ich eine Nachricht: Ein Bild mit einem Strauss Vergissmeinnicht. Auf dem Heimweg denke ich:

Bitte, BITTE lasst uns kreativ werden! Lasst uns kreativ, unkonventionell, erfinderisch, vernetzt, lernfähig, über den Tellerrand hinweg denkend, das Herz und die Seele mit einbeziehend und jenseits der Angst nach Lösungen suchen und sie finden, um gemeinsam und ganzheitlich solche Herausforderungen wie eine Corona-Pandemie zu meistern!

Ähnliche Nachrichten