Nach Masken- und Aserbaidschan-Affären hat der Bundestag das Abgeordnetengesetz deutlich verschärft. Wie gut funktioniert das neue Gesetz?
Teil 1: Das Lobbyverbot
Zwar ist das neue Abgeordnetengesetz schon seit Beginn dieser Wahlperiode in Kraft. Bis die Daten für alle Abgeordneten veröffentlicht wurden, zogen allerdings anderthalb Jahre ins Land.
Da Abgeordnete nun ihre Nebeneinkünfte auf Euro und Cent genau offenlegen müssen, ist es erstmals möglich genau darzustellen, wer wie viel nebenher verdient. Seit der Reform müssen die Abgeordneten ihre Einkünfte anzeigen, wenn diese für eine Tätigkeit mehr als 1.000 Euro im Monat oder 3.000 Euro pro Jahr liegen. Zuvor lag die Schwelle für jährliche Einkünfte bei 10.000 Euro und die Höhe der Einkünfte musste lediglich in äußerst groben Stufen ausgewiesen werden.
Es müssen nun also nicht nur die genauen Beträge angegeben werden, sondern dies auch ab einem niedrigeren Betrag. Dieser Teil der Reform ist somit ganz gut gelungen, wobei die Bagatellschwelle von 1.000 Euro/Monat ruhig noch etwas niedriger angesetzt werden könnte.
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über Nebeneinkünfte.
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Abgeordnetenwatch und Der Spiegel haben die Daten auf den einzelnen Abgeordneten-Seiten des Bundestages zusammengetragen. Die Auswertung zeigt, wer die Spitzenverdiener sind. Auch sehr hohe Nebeneinkünfte, die ein Vielfaches der Abgeordnetenentschädigung betragen, werden so nun sichtbar. Zuvor sind sie in der Stufe 10 – über 250.000 Euro – verschwunden. Der derzeitige Spitzenreiter, CSU-Politiker Sebastian Brehm, nahm beispielsweise fast 3,5 Millionen Euro mit seiner Steuerberatungs-Kanzlei neben dem Mandat ein (brutto).
Schon lange kämpfen wir für Transparenz bei Nebeneinkünften, hier 2012 vor dem Bundestag.
Doch was hat sich neben der erhöhten Transparenz bei den Abgeordneten-Regeln noch geändert und wie gut funktioniert das neue Gesetz? Wir blicken auf einige kritische Punkte. In diesem ersten Teil unserer Auswertung blicken wir vor allem auf eine wichtige Neuerung, die wir lange gefordert hatten: das Verbot entgeltlicher Lobbytätigkeit neben dem Mandat.
Lobbyverbot neben dem Mandat
Eine zentrale Forderung von uns war, dass Abgeordnete nicht mehr neben ihrem Mandat als Lobbyist:innen tätig sein dürfen. Hier reicht Transparenz nicht aus und ohne ein Lobbyverbot war es Abgeordneten wie Georg Nüßlein (CSU) oder Philipp Amthor (CDU) möglich, ihre Stellung als Bundestagsabgeordnete zu nutzen, um mit Lobbyarbeit gegenüber den Bundesministerien Geld zu verdienen – oder im Fall von Amthor Aktienoptionen und einen Direktorenposten.
Mit dem neuen Gesetz wurde unsere Forderung endlich umgesetzt: „Unzulässig neben dem Mandat ist die entgeltliche Interessenvertretung für Dritte gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung“, heißt es im neuen Gesetz. Verboten ist darüber hinaus auch die entgeltliche Beratung zum Beispiel von Unternehmen, wenn es einen Bezug zur Mandatsausübung gibt, also zur Politik im Bundestag. Das heißt, Abgeordnete müssen nicht selbst als Lobbyist:innen auftreten, um gegen das Gesetz zu verstoßen. Auch die Beratung mit Blick auf Lobbyarbeit gegenüber dem Bundestag sollte so nicht mehr möglich sein. Soweit so gut!
Der Fall Ramsauer
Doch in der Praxis werfen einige Nebentätigkeiten zumindest Fragen auf oder deuten auf Schwachstellen im Gesetz hin. Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) geht nebenher gleich mehreren Jobs mit Lobby-Bezug nach:
Da ist zum einen seine Tätigkeit als Präsident für die Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry. Dafür erhält Ramsauer nach eigenen Angaben auf der Bundestags-Webseite 3.750 Euro pro Monat. Es handelt sich also nicht um eine ehrenamtliche Interessenvertretungs-Tätigkeit, die das Gesetz weiter erlaubt (dazu gleich mehr). Damit stellt sich die Frage, wie Ramsauer die Nebentätigkeit mit dem Verbot der entgeltlichen Interessenvertretung in Einklang bringen will. Gegenüber der Zeit beteuerte er letztes Jahr zwar, er habe die „Interessen der Ghorfa nie im Bundestag vertreten“ und werde dies „auch in Zukunft nicht tun“.
Doch zugleich ist die Ghorfa im Lobbyregister eingetragen, das schließlich für alle gilt, die regelmäßig Interessenvertretung gegenüber Bundestag und/oder Bundesregierung und Ministerien vertreten. Es ist schwer vorstellbar, dass ausgerechnet der Präsident eines Interessenverbandes nicht an der Interessenvertretung beteiligt ist. Ein Verbandspräsident, der weder hinsichtlich der Lobbyarbeit berät und auch keine Positionen gegenüber Bundestag, Bundesregierung oder Bundesministerien vertritt? Aber nur wenn das so ist, wäre die Nebentätigkeit kein Verstoß gegen das Abgeordnetengesetz. Damit würde sich allerdings die Frage stellen: Was macht Ramsauer für die 3.750 Euro pro Monat, die er seit 9 Jahren erhält, für die Ghorfa? Zusammengerechnet sind das immerhin über 400.000 Euro.
Eine Anfrage dazu, inwiefern Ramsauer seine Tätigkeit für die Ghorfa trotz dieser Umstände für vereinbar mit dem Abgeordnetengesetz hält, ließ er unbeantwortet. Die Bundestagsverwaltung sollte sich des Sachverhaltes annehmen. Hoffentlich ist Ramsauer ihr gegenüber auskunftsfreudiger als gegenüber uns.
Wenn Abgeordnete Kunden haben
Ramsauer ist aber nicht nur Ghorfa-Präsident, sondern auch Strategieberater. Doch wen er berät bleibt aktuell völlig unklar. Er gibt lediglich an, einen „Mandant 2“ und einen „Mandant 3“ beraten zu haben. Das ist aus zweierlei Gründen problematisch: Zum einen ist entgeltliche Beratung mit Mandatsbezug nun verboten (siehe oben), aber ohne Kenntnis über Beratungskunden kann das kaum überprüft werden. Zum anderen können mögliche Interessenkonflikte so überhaupt nicht thematisiert werden.
Wir hatten daher lange gefordert, dass freiberuflich tätige Abgeordnete zumindest die Branche ihrer Klient:innen oder Mandant:innen offenlegen sollen. Das neue Abgeordneten-Gesetz sieht nun auch tatsächlich vor, dass Abgeordnete konkret benennen müssen, wer ihre Kund:innen sind, sofern sie sich nicht als Anwält:innen oder Steuerberater:innen auf gesetztliche Verschwiegenheits- oder Zeugnisverweigerungsrechte berufen können. Das ist bei einem Strategieberater wie Peter Ramsauer nicht der Fall. Dass er weiterhin nur „Mandant 2“ und „3“ angibt und nicht konkret benennt, um wen es sich handelt, liegt an einer Übergangsbestimmung: Wenn er bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes diese Mandaten beriet, darf er ihre Identität weiter verschweigen. Für künftige Mandanten würde das aber nicht mehr gelten.
Etwas anders sieht es bei Abgeordneten aus, die sich auf einen gesetzlichen Mandantenschutz berufen können. Hier sehen die Regeln vor, dass sie die Branche nennen müssen, in der ihre Mandanten tätig sind – es sei denn, so das Gesetz – „wenn der Abgeordnete erklärt, dass die Branchenbezeichnung den Vertragspartner identifizieren würde.“
Dies ist ein potenzielles Schlupfloch. Wie soll überprüft werden, ob die Angabe der Branchenbezeichnung tatsächlich den Vertragspartner identifizieren würde? Ein Blick in die Angaben der Abgeordneten zeigt, dass dieses Schlupfloch offenbar gerne genutzt wird. Ein Beispiel ist Sebastian Brehm, Schatzmeister der CDU, Steuerberater und an der Spitze der Liste der Einkünfte. Mit seiner Steuerkanzlei berät Brehm unter anderem mittelständische Unternehmen. Er gibt aber bei keinem einzigen der über 200 Mandanten die Branche an, aus der sie stammen. Es ist kaum glaubwürdig, dass bei allen Mandanten die Angabe der Branche diese identifizieren würden.
An dieser Stelle müssen die Regeln nachgebessert werden. Abgeordnete sollten nicht nur erklären müssen, dass die Branchenangabe Kunden identifizieren würde, sondern das zumindest gegenüber der Bundestagsverwaltung auch glaubhaft begründen müssen.
Und ehrenamtliche Lobbyarbeit?
Abgeordneten ist die Interessenvertretung für Dritte dann erlaubt, wenn sie ehrenamtlich geschieht. Im Prinzip ist das auch in Ordnung, denn viele Abgeordnete sind vor, während und nach dem Mandat in Vereinen und Initiativen aktiv und sollen das auch sein. Fragwürdig erscheint allerdings, dass ein Ehrenamt ausschließlich darüber definiert wird, dass eine Aufwandsentschädigung von nicht mehr als 10 Prozent der Abgeordnetendiät gezahlt wird. Bei aktuell über 10.300 Euro Abgeordneten-Diät können also pro Ehrenamt monatlich bis zu 1.030 Euro eingenommen werden, immerhin über 12.000 Euro im Jahr.
Fraglich ist, ob diese an sich schon recht hohe Schwelle als einziges Kriterium ausreicht, um zu unterscheiden, welche Lobbytätigkeit neben dem Mandat unterlassen werden sollte und welche nicht. So oder so ist klar, dass auch ehrenamtliche Lobbytätigkeiten zu Interessenkonflikten führen können. Das zeigt sich am Beispiel des nach eigenen Angaben begeisterten Campers und tourismuspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion Stefan Zierke.
Er ist seit März 2022 auch – ehrenamtlicher – Präsident des Bundesverbandes der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD). Laut Lobbyregister vertritt der BVCD „die Interessen der Campingplätze und Wohnmobilstellplatzbetreiber in Deutschland gegenüber Behörden, Verbänden und anderen Institutionen und setzt sich für die gemeinsamen fachlichen, bildungspolitischen und wirtschaftlichen Belange ein.“
Es ist das eine, wenn Zierke selbst begeisterter Camper ist. Etwas anderes ist es, wenn er als Präsident des Camping-Interessenverbandes diesem einen privilegierten Zugang direkt in den Tourismus-Ausschuss ermöglicht, der anderen Verbänden im Tourismus-Bereich fehlt.
Der Journalist Christian Fuchs veröffentlichte letztes Jahr auf Twitter einen von Zierke als Campingplatz-Verbandspräsident unterzeichneten Brief an den Tourismus-Ausschuss, in dem Zierke wiederum als Abgeordneter sitzt. Er hat sich also gewissermaßen selbst einen Brief geschrieben. Das macht den Konflikt zwischen den Rollen als Verbandsvertreter und Abgeordneter sehr deutlich. Deshalb ist es besonders wichtig, dass der Umgang mit Interessenkonflikten im Bundestag gut geregelt ist. Darüber werden wir im nächsten Artikel unserer kleinen Reihe berichten.
Wenn Zierke sich für die Anliegen der Campingplatz-Betreiber einsetzen möchte, ist das sein gutes Recht als Abgeordneter. Er muss dafür aber nicht dem entsprechenden Verband vorstehen. Einen kritischen Abstand zu Interessen- und Lobbygruppen sollten Abgeordnete ganz allgemein wahren.
Das gilt auch für Henning Otte. Er ist als verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion und Vizevorsitzender des Verteidigungsausschusses zugleich Vizepräsident Politik beim Förderkreis Deutsches Heer e.V. ist. Beim FDH ist das Who is Who der deutschen Rüstungsindustrie dabei. Der Verein vertritt die Interessen seiner Mitglieder gegenüber „Staat und Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft“. Mitglied im Präsidium sind außerdem die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und der SPD-Verteidigungspolitiker Michael Hellmich.
Wir sehen diese verantwortlichen Posten von Abgeordneten in solchen, der Rüstungsindustrie nahestehenden Lobbyorganisationen kritisch, auch wenn sie ehrenamtlich ausgeübt werden. Klar dürfen und sollen sich Verteidigungspolitiker:innen auch mit der Rüstungsindustrie austauschen. Aber ein solcher Austausch sollte im parlamentarischen Raum stattfinden und nicht in Freundes- oder Förderkreisen. Letztlich wären die politischen Positionen der Abgeordneten sogar überzeugender, wenn man sich nicht fragen müsste, ob sie gerade als Abgeordnete oder Verbandsfunktionäre sprechen.
Lobbyarbeit, aber nicht auf Bundesebene?
Beim Blick auf mögliche Lobby-Nebentätigkeiten von Abgeordneten fällt noch eine weitere Problematik ins Auge: Abgeordnete, die bezahlte Funktionen in Organisationen ausüben, die auf Bundesebene sehr aktiv Interessen vertreten, die oder der Abgeordnete aber lediglich auf Landesebene tätig ist. So etwa der im Februar ausgeschiedene CDU-Abgeordnete Michael Hennrich. Er war neben seinem Mandat zugleich Vorstandsvorsitzender des Hausbesitzer-Verbandes Haus und Grund. Allerdings nicht für den Haus und Grund Bundesverband, sondern beim Regionalverband Haus und Grund Württemberg. In dieser Funktion erhielt er 2.750 Euro/Monat (brutto). Es handelt sich also klar um eine bezahlte Tätigkeit in der Interessenvertretung.
Ein Verstoß gegen das Abgeordnetengesetz ist das zwar nicht, da Hennrich formal ja lediglich auf Landesebene die Interessen von Haus und Grund vertritt. Doch zugleich ist auch klar, dass sich die Interessen von Haus und Grund Württemberg in wichtigen Fragen nicht von denen des Dachverbandes auf Bundesebene unterscheiden. Das zeigt sich beispielhaft an den Themen und Wortmeldungen auf dem letzten Landesverbandstag von Haus und Grund Württemberg. Hennrich fürchtete dort eine „gewaltige und unwiderrufliche Vernichtung von Vermögen“ bei den Plänen der Ampel zum Gebäudeenergiegesetz – ganz klar ein Bundesgesetz.
Es ist fraglich, wie jemand wie Hennrich klar zwischen der entgeltlichen Interessenvertretung in einer regionalen Gliederung eines Lobbyverbands und der Arbeit im Bundestag trennen kann. In der Gesetzesbegründung zum Verbot der entgeltlichen Lobbytätigkeit steht: „Ziel des Verbots ist es, die Unabhängigkeit der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger zu gewährleisten. Ihre Unabhängigkeit ist besonders gefährdet, wenn eigene, monetäre Interessen von Dritten mit der Mandatsausübung als Vetreter des ganzen Volkes (Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG) verquickt werden.“ Es stellt sich durchaus die Frage, ob die entgeltliche Lobby-Nebentätigkeit wie bei Hennrich dem Geiste des Gesetzes entsprechen.
Hennrich ist übrigens nicht der Einzige mit gut bezahlter Nebentätigkeit für einen Interessenverband. Auch der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich (Linke) kann weiterhin monatlich über 6.100 Euro als Geschäftsführer der IG Metall Kaiserslautern dazuverdienen, obwohl die Gewerkschaft natürlich auch auf Bundesebene Interessen vertritt.
Fazit
Es ist sehr gut, dass das Abgeordnetengesetz entgeltliche Lobbytätigkeiten neben dem Mandat klar untersagt. Gut ist auch, dass das ebenso für entgeltliche Beratungstätigkeiten mit Mandatsbezug gilt. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass es bei der konsequenten Anwendung der Regeln noch Luft nach oben gibt und die Abgrenzung zwischen ehrenamtlichen und entgeltlichen Lobbytätigkeiten besser werden sollte.
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