Im Internetradio mitgehört und mitgeschrieben von Wilhelm Tell
Australien – Die Hail Creek Mine im australischen Queensland beschäftigt 900 Mitarbeiter und produziert pro Jahr gegen sieben Millionen Tonnen Steinkohle. Seit 2018 ist der Glencore-Konzern Mehrheitsbesitzer der Mine und verantwortlich für den Abbau der Kohle. Schon länger war geplant, die Hail Creek Mine weiter auszubauen. Das Problem dabei: In dieser Mine wird die Kohle nicht in Kavernen abgetragen, sondern im Tagbau. Und das hat zur Folge, dass beim Abbau grosse Mengen Methan frei gesetzt werden. Methan gilt als ein deutlich schädlicheres Klimagas als CO₂. Pläne, das Methan mit einer Apparatur binden oder absaugen zu können, wurden geprüft und beerdigt, weil sie nicht umsetzbar waren. Glencore ist Weltmarktführer im Geschäft mit Steinkohle. Der Rohstoffkonzern hat seine Beteiligungen an Minen in den letzten Jahren sukzessive ausgebaut. Nun dominiert der Abbau und Handel des Rohstoffs. Grösste Abnehmer sind asiatische Länder wie Indien und China. In Europa war Kohle bisher als Klimasünderin in Verruf geraten. Durch die aktuelle Energiekrise hat sich das Bild verändert. Auch europäische Staaten decken sich vermehrt wieder mit Kohle ein. Diese Nachfrage hat die Preise regelrecht explodieren lassen. Vor Jahresfrist kostete eine Tonne Kohle noch 150 Dollar, derzeit sind es über 400 Dollar. Dieser Preissprung hat dem Kohlegeschäft von Glencore einen Geldsegen beschert, in den vergangenen sechs Monaten über drei Milliarden Dollar, fast so viel im gesamten Jahr 2021. Der Boom im Kohlegeschäft läuft eigentlich den Klimazielen von Glencore entgegen. Der Zuger Rohstoffkonzern hat sich nämlich dazu verpflichtet, seine Klimagas-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent zu senken, und ab 2050 klimaneutral zu sein. Im Klimabericht vom letzten Dezember erklärte der Konzern denn auch, dass er drei Kohleminen in Australien in den nächsten Jahren schliessen will. Den jetzigen Ausbau der Hail Creek Mine kommentiert Glencore nicht. Auf Anfrage bestätigt der Konzern aber, dass er weiterhin an seinen Klimazielen festhalte. Ob diese Klimarechnung aufgeht, ist offen. Fakt ist aber: Bleibt die weltweite Nachfrage nach Kohle weiterhin hoch, wird der Kohleabbau kaum zurückgehen. SRF.ch
China – Das Bruttoinlandsprodukt ist im vergangenen Quartal im Vorjahresvergleich bloss noch um 0.4% gewachsen. Gegenüber dem ersten Quartal 2022 schrumpfte es sogar um 2.6%. Grund: die Lockdown-Massnahmen in der zweitgrössten Volkswirtschaft. SRF.ch
Deutschland – Der deutsche Bundeswehroffizier Franco A. muss unter anderem wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat für fünfeinhalb Jahre in Gefängnis. Das Oberlandesgericht Frankfurt befand den 33-Jährigen in seinem Urteil in mehreren Anklagepunkten für schuldig – dazu zählen auch waffenrechtliche Verstösse. Das Gericht bescheinigte Franco A. eine völkisch-nationalistische, rechtsextremistische Gesinnung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Franco A. hatte sich als syrischer Flüchtling ausgegeben und monatelang ein Doppelleben geführt. Als angeblicher Flüchtling hatte er laut Anklage auch Sach- und finanzielle Leistungen erhalten – daher war es auch um einen Betrugsvorwurf gegangen. Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft hatte im Juni eine Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten gefordert. Franco A. sei «ein rechtsradikaler Terrorist», der Anschläge auf das Leben hochrangiger Politiker oder Personen des öffentlichen Lebens geplant habe, sagte die Anklagevertreterin. Die Verteidiger forderten hingegen in der vergangenen Woche Freispruch für den wesentlichen Anklagepunkt – der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat – und Geld- oder Bewährungsstrafen für die übrigen Anklagepunkte. Franco A. war im Februar 2017 auf dem Wiener Flughafen festgenommen worden, als er eine geladene Pistole aus einem Versteck in einer Flughafentoilette holen wollte. Woher die Waffe stammt und was er damit plante, ist noch immer unklar. Nach seiner Festnahme stellte sich zudem heraus, dass er die Identität eines syrischen Flüchtlings angenommen hatte – trotz fehlender Arabisch-Kenntnisse. Mit der falschen Identität wollte er nach eigenen Angaben Missstände im Asylverfahren aufdecken. Die Bundesanwaltschaft war in ihrer Anklageschrift hingegen davon ausgegangen, dass er nach Straftaten den Verdacht auf syrische Geflüchtete lenken wollte. Franco A. wies bis zuletzt die Vorwürfe zurück, gestand aber ein, mehrere Waffen und Munition gehortet zu haben für den Fall eines Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung in Deutschland. Er sitzt seit Februar erneut in Untersuchungshaft, während er zu Beginn des Verfahrens noch auf freiem Fuss war. Der Beschuldigte soll laut Anklage unter anderem einen Anschlag auf die Gründerin einer Antirassismus-Stiftung geplant haben. Er hatte die Geschäftsstelle und die Tiefgarage der Stiftung aufgesucht. Als mögliche Anschlagsziele waren in der Anklage auch der damalige Justizminister Heiko Maas (SPD) und die Vizepräsidentin des Bundestages, Claudia Roth (Grüne), genannt. SRF.ch
Finnland – Geht es um Atomenergie, haben Finnland und die Schweiz zwei Dinge gemeinsam. Erstens: Beide beziehen etwa gleich viel Strom aus Kernkraftanlagen – um die 30 Prozent des gesamten Stromverbrauchs. Und zweitens: Die Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle, die in den Atomkraftwerken anfallen, dauerten in beiden Ländern mehrere Jahrzehnte. Der grosse Unterschied aber ist: In Finnland verlief diese Suche erfolgreich. Die beiden finnischen AKW-Betreiber TVO und Fortum bauen gemeinsam an Finnlands Westküste auf der Halbinsel Olkiluoto das weltweit erste Endlager für radioaktive Abfälle aus AKW. Innert weniger Jahre soll dieses Lager den Testbetrieb starten. In der Schweiz hingegen könnten die Bauarbeiten für ein solches geologisches Tiefenlager allerfrühestens im Jahr 2045 beginnen. SRF.ch
Frankreich – Kampfjet-Entscheid blockiert Verhandlungen am Euroairport. Am Basler Flughafen, der vollständig in Frankreich liegt, wollen Schweizer Firmen wie bisher Schweizer Arbeitsrecht anwenden. Darum braucht es einen Staatsvertrag. Doch weil der Bund den US-Kampfjet F‑35 kaufen will statt den französischen Rafale, hat Paris die Gespräche mit Bern eingefroren. Seit zwei Jahren herrscht grosse Unruhe bei den Schweizer Firmen, die am Euroairport geschäften. 2020 hat das oberste französische Gericht entschieden, dass für sie französisches Arbeitsrecht gilt und nicht das schweizerische, dass die Firmen bislang angewendet hatten. Denn der Basler Flughafen liegt vollständig auf französischem Boden. Das Urteil ausgelöst, haben vier ehemalige französische Angestellte, die für den Abfertiger Swissport tätig waren. Sie wollten ihre Kündigung nicht akzeptieren und zogen Swissport vor ein französisches Gericht – trotz Schweizer Arbeitsvertrag. Der Grund: Arbeitnehmer sind in Frankreich besser geschützt und erhalten bei Kündigungen höhere Entschädigungen. Auch darum wehren sich die Schweizer Firmen vehement dagegen, französischem Recht zu unterstehen. Ihr Argument: Als Schweizer Firmen, die auf dem Schweizer Sektor des Flughafens tätig sind, sollen sie auch Schweizer Arbeitsrecht unterstellt sein. Doch das ist gemäss Gerichtsentscheid eigentlich gar nicht erlaubt. Diese Rechtsunsicherheit, die etwa bei Stellenstreichungen hohe finanzielle Folgen haben kann, wollen die Firmen beseitigen. Darum hoffen sie auf einen Staatsvertrag zwischen Frankreich und der Schweiz. Er soll regeln, dass offiziell Schweizer Arbeitsrecht gilt, allenfalls mit Anpassungen. Allerdings muss ein solcher Staatsvertrag auf der obersten Ebene zwischen Paris und Bern ausgehandelt werden. Und hier spielt der Kampfjet-Entscheid des Bundes eine entscheidende Rolle. Denn bis zu diesem Entscheid waren die Gespräche für einen Staatsvertrag für den Euroairport auf gutem Weg. Seither geht nichts mehr. SRF.ch
Grossbritannien – Britischer Wetterdienst warnt erstmals vor extremer Hitze. Der britische Wetterdienst hat erstmals in seiner Geschichte eine Warnung vor «extremer Hitze» herausgegeben. Für den 19.07. werden in Teilen Englands Temperaturen von über 40 Grad erwartet. Aussergewöhnliche, möglicherweise rekordverdächtige Temperaturen sind am Montag und dann wieder am Dienstag möglich», teilte der britische Wetterdienst Met Office am Freitag mit. Vor allem in Städten würden die Nächte aussergewöhnlich warm sein. «Dies wird wahrscheinlich zu weitreichenden Auswirkungen auf Menschen und Infrastruktur führen», so die Behörde weiter. Schulen kündigten als Reaktion frühere Schliesszeiten an. Statt Schuluniformen darf in einigen Schulen dann Sportkleidung getragen werden, Sportveranstaltungen werden verlegt. Die Warnung gilt für ein grosses Gebiet zwischen London, Manchester und dem Tal von York. Der britische Hitzerekord liegt bei 38.7 Grad Celsius – gemessen am 25. Juli 2019 im Botanischen Garten der Universität Cambridge. Meteorologen rechnen damit, dass dieser Wert übertroffen wird. Die Erde am Parliament Square in London ist wegen der andauernden Hitze rissig geworden. Met-Office-Sprecher Grahame Madge befürchtet gar Temperaturen von 40 Grad. «Wenn 40 Grad erreicht werden, ist das eine neuralgische Schwelle, die zeigt, dass der Klimawandel jetzt bei uns ist», sagte Madge. Das Met Office hatte bereits vor kurzem vor gesundheitlichen Risiken durch Hitze gewarnt – Stufe 3 auf der Warnskala. Nun rief die Behörde Stufe 4 aus, was bedeutet «wenn eine Hitzewelle so schwerwiegend und/oder langandauernd ist, dass ihre Auswirkungen über das Gesundheits- und Sozialsystem hinausgehen». SRF.ch
Iran – Sicherlich haben die Sanktionen der Amerikaner die iranische Wirtschaft in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark beeinträchtigt. Es gibt aber sehr viele iranische Ökonomen, die das Gegenteil sagen. Ich glaube auch, dass die wirtschaftliche Krise in der Islamischen Republik in erster Linie einheimisch ist. Es gibt eine politische Ökonomie, die sowohl die wirtschaftliche Elite als auch die politische Macht monopolisiert. Dazu kommt die ideologische Grundierung dieser politischen Ökonomie des Landes. Das bedeutet, jene, die regimefreundlich sind, haben ganz andere Möglichkeiten der sozialen Mobilität und des Zugangs zu Ressourcen. Die Not ist sehr gross. Ich spreche seit einigen Jahren davon, dass die Islamische Republik eine dreifache Krise hat, eine sozio-ökonomische Krise, eine ökologische Krise und eine politische Krise. Jede dieser Krisen ist dazu fähig, ein existenzielles Problem für das Regime darzustellen. Das Regime und alle Fraktionen innerhalb des Establishments leiden an einem sehr virulenten Legitimationsdefizit. Das Gravitationszentrum innerhalb dieser Dreifachkrise ist eindeutig die politische Krise. Denn das Regime und alle Fraktionen innerhalb des Establishments leiden an einem sehr virulenten Legitimationsdefizit. All diese Baustellen haben in den vergangenen Jahren immer wieder zu Protesten geführt. Wir haben jeden Tag in Iran Proteste von unterschiedlichen Gruppierungen. Es sind Lehrer, Pensionäre, Studenten, Frauen. Diese Proteste werden schlagartig politisch, weil die Menschen wissen, dass die Hauptverantwortung für die Misere des Landes bei den Verantwortlichen vor Ort liegt. Seit knapp einem Jahr hat der Iran einen neuen Präsidenten, Ibrahim Raisi (61). Der Präsident spielt innerhalb des politischen Systems in Iran nicht die vordergründige Rolle. Diese spielt der sogenannte oberste Führer, der sowohl ein geistliches als auch ein politisches Oberhaupt ist, und das ist Ali Chamenei (83). SRF.ch
Italien – Staatspräsident Sergio Mattarella hat einen Rücktritt von Regierungschef Mario Draghi abgelehnt. Mattarella forderte Draghi auf, dem Parlament bis am kommenden Mittwoch Bericht zu erstatten und die Lage zu bewerten, hiess es in einer Mitteilung seines Amtssitzes. Draghi hatte zuvor seinen Rücktritt angekündigt, da ihm der Koalitionspartner Cinque Stelle bei einer Vertrauensabstimmung die Unterstützung versagt hatte. «Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich heute Abend meinen Rücktritt beim Präsidenten der Republik einreichen werde», hatte Draghi noch am Donnerstagabend bei einer Sitzung des Ministerrates gesagt. Nach Mattarellas Absage könnte Draghi nun versuchen, im Zwei-Kammern-Parlament wieder Unterstützer hinter sich zu vereinen und sich dies per Vertrauensvotum bestätigen zu lassen. Schon mit der bisherigen Vielparteienregierung hätte er die nötige Mehrheit gehabt, auch ohne die Fünf-Sterne-Bewegung. Befürworter dürfte Draghi bei den bisher mitregierenden Sozialdemokraten und der Partei Italia Viva von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi finden. Die rechtsextremen Fratelli d’Italia forderten dagegen vorgezogene Wahlen. Neuwahlen schloss auch die rechte Regierungspartei Lega von Matteo Salvini in der Vergangenheit nicht aus. Die populistische Anti-Establishment-Partei von Draghis Vorgänger Giuseppe Conte entschied sich am 14.7., ein Hilfspaket in Höhe von rund 26 Milliarden Euro nicht mitzutragen. Die Fünf Sterne verlangen mehr Hilfsgelder und wollten nicht für eine Müllverbrennungsanlage in der vom Abfall-Chaos geplagten Stadt Rom stimmen. Diese Anlage lehnt sie schon seit Jahren ab. Manche Beobachter gehen davon aus, dass Conte zu hoch gepokert und nun die Kontrolle über seine Bewegung verloren hat. Contes Sterne-Partei befindet sich schon seit Wochen in einer Identitätskrise. Die Umfragewerte der Wahlsieger von 2018 sind im Keller. Unlängst verliess Aussenminister Luigi Di Maio die vom Berufskomiker Beppe Grillo gegründete Bewegung, von der er einst schon Chef war. Er nahm Dutzende seiner Mitstreiter mit in die neue Partei Insieme per il futuro (Gemeinsam für die Zukunft). Die Sterne waren deshalb nicht mehr die grösste Parlamentspartei und so für die Vertrauensabstimmungen nicht entscheidend. SRF.ch
Mexiko – Der von den USA meistgesuchte mexikanische Drogenboss Rafael Caro Quintero (69) ist in Mexiko wieder gefasst worden. Das melden mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf die mexikanische Marine. Details zur Festnahme sind nicht bekannt. Caro Quintero galt in den 1980er-Jahren als einer der mächtigsten Drogenbosse von Mexiko. SRF.ch
Russland und USA – Russland und die Vereinigten Staaten wollen wieder zusammenarbeiten. Beide Staaten haben sich auf sogenannte Kreuzflüge zur Internationalen Raumstation ISS geeinigt. Das heisst, dass zum Beispiel die USA russische Kosmonauten in ihren Raketen mitnehmen und umgekehrt. Eine entsprechende Vereinbarung sei schon am Donnerstag unterzeichnet worden, heisst es. So soll sichergestellt werden, dass immer mindestens jeweils ein Mitglied der Raumfahrtbehörden NASA und Roskosmos an Bord der Iss ist. RBB.de
Saudiarabien – Der Wüstenstaat öffnete noch vor Bidenbesuch den Luftraum für die israelische Luftfahrt. Joe Biden ist am 15.7. nach Saudi-Arabien gereist. Dort trifft er sich unter anderem mit Kronprinz Mohammed Bin Salman. Der Tod des saudischen Regierungskritikers Jamal Kashoggi 2018 – mutmasslich durch bin Salman veranlasst – lastet auf der Beziehung. Washington und Riad scheinen aber gewillt, zugunsten gemeinsamer Interessen ihre Differenzen hinten anzustellen. Nach seinem Besuch in Israel und dem Treffen mit dem palästinensischen Ministerpräsident Mahmud Abbas, ist US-Präsident am Freitagnachmittag (Ortszeit) nach Saudi-Arabien weitergereist. SRF.ch
Schweiz – Seit nunmehr 15 Jahren müht sich die Schweiz mit dem elektronischen Patientendossier (EPD) ab. Klammheimlich ist es nun da. Zeit, sich eines zu beschaffen. Welche «Stammgemeinschaft» soll es sein? Obwohl es nur ein EPD gibt, gibt es derzeit sieben Anbieter, in Bürokratendeutsch «Stammgemeinschaft» genannt. Es sind «technisch-organisatorische» Verbünde, die auf kantonaler, regionaler oder nationaler Ebene tätig sind. Alle Anbieter müssen ein Zertifizierungsverfahren durchlaufen, das sicherstellt, dass sie die technischen und organisatorischen Anforderungen an die Datensicherheit erfüllen und untereinander kompatibel sind. Am besten wählt man einen Anbieter, der in der Nähe des Wohnorts eine «Eröffnungsstelle» betreibt, denn derzeit muss man bei einigen noch physisch antraben, um seine Identität zu beweisen. Bei «Emedo» ist seit kurzem eine Anmeldung möglich, fast ohne das Haus verlassen zu müssen. Beweisen, dass ich der bin, der ich bin: Dazu müssen wir uns die App «Trust ID» herunterladen, einige personenbezogene Daten angeben wie Name und Adresse – und dann verbindet sich die App in ein Call-Center, wo ein Mitarbeiter per Video eine Identifikation durchführt. Wichtig: Identitätskarte bereithalten. Ohne Papierkram geht es nicht: Ein Formular mit den Angaben wird angezeigt, die wir bei der «Trust ID» gemacht haben. Die sollen wir überprüfen und fehlende Informationen ergänzen und auf «Einwilligungserklärung absenden» klicken. Der Anbieter prüft nun unseren Antrag. Ein paar Tage später erhalten wir die Zugangsdaten und die Einwilligungserklärung per Post. Letztere müssen wir unterschreiben und zurückschicken – dieses eine Mal müssen wir das Haus also doch verlassen, um den Brief auf dem Postschalter aufzugeben. Wenn der Anbieter das Papier erhalten und unser EPD freigeschaltet hat, können wir uns einloggen.
●Ausländische und Schweizer Schulkinder sollen sich besser durchmischen und mehr austauschen. Der Plan stösst auf Kritik.
●Die Reise von Matthias Rusch: einmal quer durch die Schweiz vom nördlichsten Punkt in Bargen bis zum südlichsten Punkt in Chiasso. In der bestens organisierten, wohlbehüteten und verwöhnten Schweiz sind echte Abenteuer Mangelware. Genau das reizte mich an dieser Reise ohne Geld. Wie weit würde ich kommen und wie gastfreundlich sind die Leute? Schnell zeigte sich: Wenn man den Mut hat, zu fragen, öffnen sich viele Türen. Sei es beim Bauer in Merishausen (der ärmsten Schaffhauser Gemeinde) oder beim Villen-Besitzer an der Zürcher Goldküste in Küsnacht (der reichsten Zürcher Gemeinde). So erhielt ich Essen oder ein Bett für die Nacht gegen Arbeit. Manchmal brauchte es bloss einen Daumen, um weiterzukommen. So reiste ich meist problemlos zu Fuss und per Autostopp durch die Schweiz vom nördlichsten Punkt im schaffhausischen Bargen bis zum südlichsten Punkt in Chiasso. Länger als fünf bis zehn Minuten habe ich selten gewartet am Strassenrand, bis mich ein Autofahrer mitnahm. Das überraschendste Autostopp-Erlebnis ereignete sich in Feldmeilen. Plötzlich hielt ein schicker Mercedes am Strassenrand, ein gepflegter Mann im Anzug am Steuer sagte, er könne mich bis Männedorf mitnehmen. Wie sich während der Fahrt herausstellte, war der Fahrer ein russischer Millionär mit Villa am See. Er fragte mich aber, wohin denn meine Reise gehe. Und steckte mir spontan zehn Franken für ein Zugbillett zu. Auf die Frage, wieso er mich überhaupt mitgenommen habe und wieso er mir Geld schenke, meinte er nur trocken: «Ich habe selber schon schwierige Zeiten erlebt und habe mir geschworen, anderen Menschen zu helfen, wenn es mir wieder besser geht.» Eine schöne Geste und ein guter Leitsatz. So wurde mir, der eigentlich ohne Geld durch die Schweiz reiste, Geld zugesteckt, in einem Fall habe ich es aber auch gefunden. Als ich mir beim Marsch von Flüelen nach Erstfeld mein Nachtessen verdienen wollte, machte ich Halt in der Gotthard-Raststätte. Ein Mitglied der Geschäftsleitung erklärte mir, ich könne rund um die Raststätte den Abfall zusammenlesen und würde dafür ein Picknick erhalten. So machte ich mich im strömenden Regen mit Abfallsack auf zum «Fötzelen» im Aussenbereich des Restaurants. Nebst Servietten, Zuckersäckchen und Quittungen fand ich auch einen Kaffeelöffel. Und als Krönung glänzte unter einem Tisch im Kies ein Fünfliber. Auf dieser Reise ohne Geld ein euphorisierendes Gefühl. Ich fühlte mich schon fast wie ein König, als ich dieses Münz aus dem Kies klaubte und mir im Tankstellen-Shop noch ein Dessert kaufen konnte. So schnell kann sich das Verhältnis zu Geld verändern, wenn man einmal ohne auskommen muss. Am dritten Tag meiner Reise wollte ich im Schwerverkehrszentrum Erstfeld (UR) übernachten. Hier machen Fernfahrer aus ganz Europa Halt auf ihrer Reise durch den Kontinent. Darunter viele Osteuropäer. Von ihnen erfuhr ich, dass sie meist nur 2000 Franken im Monat verdienen. Mit einem solchen Lohn ist es für sie unmöglich, auswärts essen zu gehen in der reichen und teuren Schweiz. Deshalb nehmen die meisten von ihnen ihre eigenen Lebensmittel mit und kochen ihr Nachtessen in der Kabine. Bei einem tschechischen Chauffeur durfte ich im leeren Laderaum in meinem Schlafsack übernachten. Da er anderntags Richtung Norden fuhr, musste ich morgens um fünf Uhr aufstehen und eine andere Fahrgelegenheit Richtung Tessin suchen. So kam ich ins Gespräch mit Valerii Korotkyi, einem ukrainischen Chauffeur. Er offerierte mir selbst gekochten Kaffee und Gipfeli und nahm mich mit durch den Gotthard. Auf der Fahrt erzählte er mir davon, dass seine Frau und die zwei kleinen Kinder immer noch in der Ukraine lebten. Noch sei ihr Dorf vom Krieg verschont, doch die Raketen würden fast jeden Tag nur wenige hundert Meter über den Hausdächern vorbeidonnern. Weil er gesundheitlich angeschlagen ist, muss er keinen Militärdienst leisten und ist jeweils zwei Monate am Stück kreuz und quer durch Europa unterwegs als Fernfahrer, bevor er wieder einen Monat bei seiner Familie ist. Eine schwierige Zeit für ihn. Er hofft auf baldigen Frieden und dass er eine gut bezahlte Arbeit in der Ukraine finden würde. Doch dies sei schwierig. Als studierter Ingenieur würde er dort nur halb so viel verdienen wie als Lastwagenfahrer für das litauische Unternehmen, für welches er Waren spediert. Was haben wir doch für ein Glück in der Schweiz, in Frieden zu leben und häufig einen Beruf auszuüben, welcher spannend ist und gut bezahlt wird. Nicht immer hat alles so geklappt, wie ich mir das vorgestellt hatte. In Lugano wollte ich im Villen-Quartier am noblen Monte Brè übernachten, biss dort aber auf Granit. Die Villen-Besitzer zeigten sich sehr reserviert. Stundenlang klapperte ich Haus um Haus ab, wurde aber überall abgewiesen. Schliesslich kam ich auf der Strasse ins Gespräch mit Adrian Schnyder, ein Tessiner mit Deutschschweizer Eltern. Er erklärte mir, dass er mich zwar selber nicht beherbergen könne, eine Kollegin könne aber eventuell aushelfen. Unglaublich, wie diejenigen, die selber wenig haben, so viel geben. Nach einem kurzen Telefonat war die Sache geritzt. Spontan bot er mir an, mich zu Fuss zu ihr zu lotsen. So marschierten wir eine Stunde quer durch Lugano und gelangten schliesslich in eine ältere Blocksiedlung am anderen Stadtrand. Hier empfing mich Tumi Menegalli, eine zurzeit arbeitslose Modedesignerin. Obwohl sie selber jeden Franken umdrehen muss und Sozialhilfe bezieht, kochte sie mir ein wunderbares Nachtessen und liess mich auf ihrem Sofa übernachten. Zum Abschied schenkte sie mir gar noch T‑Shirts und eine Dächlikappe aus ihrer eigenen Modekollektion. Unglaublich, wie diejenigen, die selber wenig haben, so viel geben. Das Gleiche passierte mir beim italienischen Tankwart, welcher als Grenzgänger in Chiasso an einer Tankstelle arbeitet. Hier wollte ich gegen Arbeit mein letztes Mittagessen verdienen. Er sagte mir, seine Chefin sei nicht hier und er könne mir deshalb nicht einfach Arbeit geben. Doch er steckte mir spontan ein Zehner-Nötli zu und meinte, ich solle mir ein Picknick kaufen. Auf mein Angebot, ich könne aber wenigstens den Platz wischen oder das WC putzen, meinte er nur, ich sei ja heute schon weit gewandert und er gebe mir deshalb frei. Einfach unglaublich, diese Gastfreundschaft. Meine Reise ohne Geld durch die Schweiz – oftmals anstrengender und unplanbarer, als wenn ich ein Portemonnaie dabei gehabt hätte. Aber definitiv auch bereichernder und herzerwärmender, was ich alles an Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft erleben durfte.
●Das E‑Voting hatte zu einer Erhöhung der Stimmbeteiligung von bis zu 6 Prozentpunkten geführt. Die elektronische Stimmabgabe bei Abstimmungen und Wahlen ist in der Schweiz derzeit nicht möglich. 2019 hat der Bund ein Pilotprojekt, das in einigen Kantonen lief, gestoppt – weil es zu wenig sicher war. Dazu gehört auch Genf. Es zeigt sich: Ohne E‑Voting ging die Stimmbeteiligung der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in Genf von 36 auf 27 Prozent zurück, so die Zahlen des Statistischen Amtes des Kantons. Laut dem Politologen Micha Germann, der an der Universität im englischen Bath zum Schweizer E‑Voting geforscht hat, sind die Zahlen aus Genf auf die ganze Schweiz anwendbar. «Über die Kantone hinweg führt dies wahrscheinlich zu einem durchschnittlichen Rückgang der Stimmbeteiligung (bei den Auslandschweizern) von etwa einem Drittel.» Bezüglich Stimmbeteiligung gibt es beim E‑Voting aber Unterschiede. Bei den hier lebenden Stimmberechtigten erhöhte E‑Voting die Beteiligung nicht. Bei den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern hingegen schon.
●Ein Scherz zeigt, wie problemlos das Meldeverfahren für Arbeitskräfte aus der EU missbraucht werden kann. Kantone kontrollieren nicht, wer sich anmeldet. Prüfbar sind die Angaben heute nicht, denn die kantonalen Ämter müssen nicht abchecken, wer sich da anmeldet. Beim Bund weiss man, dass das Schweizer Meldeverfahren für Arbeitskräfte aus der EU leicht missbraucht werden kann. Eine Firma, die gebüsst und gesperrt worden ist, weil sie Angestellten aus der EU zu tiefe Löhne bezahlt hat, könne sich beispielsweise unter einem anderen Namen wieder anmelden, so Lukas Rieder vom Staatssekretariat für Migration (SEM). Orbán, Viktor, geboren am 31. Mai 1963, ungarischer Staatsangehöriger. Gelernter Gipser. Soll Wärmedämmungen verputzen. So steht es auf der Meldebestätigung des Zürcher Amts für Arbeit für den Stellenantritt bei einem Arbeitgeber in der Schweiz. In Ungarn ist nur ein Viktor Orban bekannt, der an diesem Tag geboren ist: der Regierungschef. Ein Anwalt, der von Orbans Anmeldung als Gipser in der Schweiz erfahren hat, hat Strafanzeige gegen Ungarns Regierungschef eingereicht. Er mutmasst, die Geschichte müsse etwas mit schmutzigen Finanzgeschäften zu tun haben. Die Zürcher Staatsanwaltschaft antwortet auf die Strafanzeige aus Ungarn: «Die durch den Anzeigeerstatter dargelegten Umstände sind tatsächlich seltsam, wenn nicht gar verdächtig.» Trotzdem will sie nicht ermitteln: «Zusammenfassend sind auf jeden Fall die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Strafuntersuchung nicht gegeben.» Es sei kein Zusammenhang zwischen Orbans Anmeldung als Gipser und irgendwelchen Finanzgeschäften ersichtlich. Doch E‑Mails eines Schweizers erklären, was Orbans Anmeldung als Gipser in der Schweiz soll: «Das habe ich gemacht. Ein Spass, um zu beweisen, dass der Schweizer Staat nicht kontrolliert, wie er muss.» SRF.ch
Ungarn – Wegen Gesetz zu Homosexualität, EU-Kommission verklagt Ungarn vor Europäischem Gerichtshof. Die EU-Kommission verklagt Ungarn wegen mutmasslicher Verstösse gegen EU-Recht gleich zweimal vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dabei geht es zum einen um ein Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität und Transsexualität. Der andere Fall betrifft das Vorgehen der ungarischen Behörden gegen den unabhängigen Radiosender Klubradio. Die EU-Kommission überwacht die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der Staatengemeinschaft. Sollte Ungarn sich nicht an die nun zu erwartenden EuGH-Urteile halten, drohen hohe Geldstrafen. Kritiker werfen dem rechtsnationalen Regierungschef Viktor Orbán schon lange vor, neben den Rechten von Minderheiten auch demokratische Institutionen und die Pressefreiheit auszuhöhlen, sich die Justiz Untertan gemacht zu haben und Ressentiments gegen Ausländer zu schüren. Das Homosexuellen-Gesetz hatte Orban schon im vergangenen Jahr heftigen Gegenwind in der EU beschert. «Dieses ungarische Gesetz ist eine Schande», sagte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen damals. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte machte deutlich, dass er für Ungarn keinen Platz mehr in der EU sieht, wenn die Regierung in Budapest so weitermacht. Gleiches gilt für das Vorgehen gegen das Klubradio, den wohl letzten professionellen unabhängigen Radiosender des Landes. Der Sender musste im Februar 2021 den UKW-Sendebetrieb einstellen, weil die regierungsabhängige Medienbehörde die Sendelizenz nicht verlängert hatte. Seit dem Amtsantritt des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Orbán 2010 war der private Sender regelmässig Repressionen seitens der Medienbehörde ausgesetzt. Unter anderem durfte er vor dem Lizenz-Entzug nur noch im Grossraum Budapest senden. Derzeit verbreitet das Klubradio sein Programm nur noch über das Internet – allerdings mit deutlich geringerer Reichweite. Die EU-Kommission begründete die EuGH-Klage damit, dass Ungarn die Regeln zur Verlängerung der Sendefrequenz in einer unangemessenen und diskriminierenden Weise angewendet habe. Derweil hat die EU-Kommission im Streit über unterschiedliche Benzinpreise für inländische und ausländische Fahrzeuge rechtliche Schritte gegen Ungarn eingeleitet. Die Praxis, Fahrzeuge mit ausländischen Nummernschildern von vergünstigtem Tanken auszuschliessen, sei unzulässig, erklärte Industriekommissar Thierry Breton. Ein derartiger Schritt störe den einheitlichen EU-Binnenmarkt als Mittel zur Bewältigung von Krisen und Instabilität. Angesichts hoher Spritpreise subventioniert Ungarn das Tanken, schliesst aber unter anderem Lastwagen mit ausländischen Autonummern und mehr als 3.5 Tonnen Gewicht davon aus. SRF.ch
USA – Abtreibungsdebatte in den USA. Repräsentantenhaus stimmt für bundesweites Recht auf Abtreibung. Ende Juni hatte der Supreme Court das Recht gekippt. Im Senat dürfte der Gesetzesentwurf aber scheitern. SRF.ch