Viele junge Menschen gehen davon aus, wegen der Erderwärmung keine Zukunft zu haben. Nun melden sich vermehrt Psychiater und Psychologen zu Wort, die solche Befürchtungen als gerechtfertigt bezeichnen. Die Wirkung dürfte verheerend sein.
Von Peter Panther
Eigentlich habe sie sich immer Kinder gewünscht. Aber nun wolle sie doch keine. Das sagte im Juli eine als Michelle bezeichnete 28-jährige Frau gegenüber dem “Blick”.
Als Grund für die freiwillige Kinderlosigkeit nannte Michelle ihre Sorgen wegen des Klimawandels. “Wenn schon ich durch diese Prognosen solche Zukunftsängste habe, muss ich mich doch fragen: Wie kann ich es verantworten, Kinder in die Welt zu setzen, die diese ganze Last dann tragen müssen?” Man müsse eben “radikal handeln”, um einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen, gab Michelle zu Protokoll.
So wie ihr geht es vielen jungen Leuten. Sie sind erschüttert über Berichte und Aussagen, wonach die Erderwärmung die Menschheit in ihrer Existenz gefährdet. Entsprechend leben sie in Angst und sehen für sich oder ihren möglichen Nachwuchs keine Zukunft.
“Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens”
Eine Umfrage der britischen Bath University in zehn Ländern (darunter Grossbritannien, Frankreich, USA, Australien, Brasilien und Indien) brachte es letztes Jahr an den Tag: Die sogenannte Eco Anxiety ist vor allem unter jungen Leuten sehr weit verbreitet. Von den 10’000 Befragten im Alter von 16 bis 25 Jahren gaben 60 Prozent an, wegen des Klimawandels “besorgt” oder “sehr besorgt” zu sein. Mehr als die Hälfte war sogar überzeugt, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist.
Dass solche Ängste grassieren, ist kein Wunder: Zahlreiche Aktivisten, Politiker und Wissenschaftler schüren sie nach Kräften. Bekanntlich hat die Klima-Ikone Greta Thunberg den Wunsch geäussert, dass ihre Zuhörer in Panik geraten. “Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens”, sagte die Schwedin am Weltwirtschaftsforum 2019 in Davos.
Andere Klimaaktivisten bezeichnen ihre Organisationen als “Extinction Rebellion” oder “Letzte Generation” und stärken damit das Vertrauen der Jugend in die Zukunft sicher nicht. Es “graue” ihm bei der Vorstellung, “wie es meinen Kindern und Enkeln ergehen wird, wenn sie einmal so alt sind wie ich”, orakelte auch der einflussreiche Zürcher Klimaforscher Andreas Fischlin.
“Völlig rationale Reaktion”
Festzustellen ist, dass sich in letzter Zeit vermehrt Psychiater und Psychologen zur Klimaangst zu Wort melden. Solche Fachleute hätten es in der Hand, die Befürchtungen zu relativieren, würde man meinen. Doch weit gefehlt.
“Angst vor dem Klimawandel zu haben, ist aus unserer Sicht eine völlig rationale Reaktion, weil alles darauf hindeutet, dass das Leben in den nächsten Jahrzehnten schwieriger wird.” Das sagte vor kurzem Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie an der Universität Koblenz-Landau, in der “NZZ am Sonntag”. Eine solche Angst sei “nicht pathologisch” und “nicht vergleichbar mit der völlig irrationalen Spinnenangst”. Im Gegenteil: Das Thema Klimawandel müsse an den Schulen und Universitäten noch “viel präsenter” werden.
Ähnlich hatte sich zuvor Susanne Walitzka, Direktorin des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes Zürich geäussert. “Umwelttrauer und Umweltangst sind real. Die ausgelösten Gefühle sind in den meisten Fällen angemessen, auch wenn sie stark sind”, sagte sie in einem Presseinterview. Auch Caroline Hickman, Psychotherapeutin und Leitautorin der erwähnten Umfrage der Bath University, hat in den Chor eingestimmt: “Jede psychische Störung im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist eine gesunde Reaktion auf eine echte Bedrohung.”
“Fürchtet euch noch mehr!”
Fachleute und Ärzte lassen sich also quasi als Aktivisten einspannen, statt allzu hoch gehende Emotionen zu dämpfen. Ihre Aussagen signalisieren verunsicherten jungen Leuten: “Fürchtet euch noch mehr!”
Man kann das als verantwortungslos bezeichnen. Denn die Botschaft solcher Respektpersonen könnte auch lauten: “Die Chancen stehen gut, dass die Menschheit allfällige Probleme wegen der Erderwärmung lösen kann. Das Überleben ist nicht in Gefahr.”
Stattdessen nimmt die Eco Anxiety immer grössere Ausmasse an. In Zürich fand in diesem Sommer ein Workshop statt, an dem Studenten der ETH Zürich mit Klimaangst therapiert wurden. Gemäss dem “Nebelspalter” lernten die Betroffenen dabei, sich mitzuteilen und über ihre Ängste zu sprechen. Ob die Psychologen, die mit dem Workshop beauftragt waren, auch etwas unternommen haben, um diese Ängste zu beseitigen, ist zu bezweifeln.
Studie der Bath University:
https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(21)00278-3/fulltext