Während es vielerorts auf den Flughäfen Schwierigkeiten gab, herrschte zu Beginn der Berliner Sommerferien am frühen Morgen Entspannung auf dem viel gescholtenen BER und es erfolgte eine zügige Abfertigung. In Paris ebenfalls alles normal und endlich in Havanna empfing einem die lang vermisste angenehme Wärme – doch auch viele leere Regale. Von Eric Fischer
Rechtzeitig zu den europäischen Sommerferien hat sich die Karibikinsel von Covid befreit. Die kubanische Impfkampagne unterschied sich von der europäischen. Kuba entwickelte und produzierte insgesamt vier Impfstoffe davon einen nasalen. Durch die US-Blockade verzögerten sich jedoch die Entwicklung und der Beginn der Impfkampagne. Hilfslieferungen wurden blockiert, ein Schiff, das bereits im Hafen von Mariel anlegte, musste sogar auf Druck der USA wieder kehrt machen. Zu allem Unglück legte auch noch eine Havarie das einzige Sauerstoff produzierende Werk lahm. So kam es zu dieser für Kuba untypisch hohen Todesrate von 8.000 Kubanern und Kubanerinnen mit Covid-19.
Hierzulande wurde zwar darüber berichtet, nicht jedoch über die Ursachen. Dass zuvor Kuba Italien, Andorra, den Karibikinseln Großbritanniens und Frankreichs half, vergaß man ebenso.
Stattdessen spielte die EU wieder einmal den Lehrmeister in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte, als es am 11. Juli 2021 zu Demonstrationen auf Grund der schwierigen Lage kam. Erst große Hilfslieferungen Russlands und Chinas ab Ende August 2021 halfen zur
Überwindung der Krise im Gesundheitswesen und die Impfkampagne konnte beginnen. Diese unterschied sich von der hiesigen durch breit angelegte Studien, in denen die einzelnen Vakazine als auch ihre Kombinationen untersucht wurden. So setzt Kuba für die verschiedenen Risikogruppen Kombinationen der Vakazine ein. Die Basis aller Wirkstoffe war ein bereits zuvor bei Kindern erprobter Impfstoff. Das hierzulande gleich eine Hetzkampagne dagegen einsetzte, geschenkt: Was nicht sein darf, dass nicht sein kann.
Kunst allerorten, hier in einem Hinterhof in der Altstadt
Erst große Hilfslieferungen Russlands und Chinas ab Ende August 2021 halfen zur Überwindung der Krise im Gesundheitswesen und die Impfkampagne konnte beginnen.
Auf Grund der finanziellen Lage des Landes und der internationalen Situation mit Medikamenten, sind weiterhin die Regale in den Apotheken auf der Insel, auch in der Hauptstadt, meist leer. Trotzdem werden für chronisch Kranke wichtige Medikamente zur Verfügung gestellt. Gegenwärtig läuft über das Netzwerk Kuba eine große Spendenkampagne für Medikamente und medizinische Hilfsmittel.
Nun aber zurück zu meinen Eindrücken von der Insel:
Wie war nun die Situation vor Ort? Einige sprachen vorher von einer Lage schlimmer als zur „Período Especial“ („Sonderperiode in Friedenszeiten“ – Die bisher existenziellste Wirtschaftskrise Kubas nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ab 1991).
Luftblick auf den Hafen und die Altstadt von Havanna
Taxis standen am Flughafen „José Martí“ Havanna, unterwegs kamen Busse entgegen und der Moskwitsch, der mich abholte, hielt auch durch. In den nächsten Wochen bestätigte es sich, trotz groß brachliegender Busflotte funktionierte der Verkehr irgendwie: Busse, Metro-Taxis, Kleinbusse, Taxis ergänzten sich mit sehr unterschiedlichen Tarifen von 2 bis zu 100 Peso für eine Strecke aus dem Süden der Stadt ins Zentrum. Die vor Kurzem aus Belgien gespendeten Busse kamen auf den angekündigten Linien zum Einsatz und wurden sofort einer Belastungsprobe unterzogen.
Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Sanitärartikeln gestaltete sich da schon schwieriger. Das fast tägliche Gesprächsthema war: Wo gibt es was? Die Bodegas mit der Libreta spielten nur noch eine Nebenrolle und werden auch nicht mehr zur Verteilung rarer, ebenfalls rationierter Artikel, wie Hühnerfleisch, genutzt. Während auf den Obst- und Gemüsemärkten eher die Preise das Problem darstellten, herrschte in den Verkaufsstellen, Lebensmärkten ob für Peso oder MLC (Devisenäquivalent, nur mit Kartenzahlung) große Leere. Im August besserte sich die Lage etwas. Mittlerweile gibt es auch wieder Eier in der Bodega.
Zwei große Kraftwerkshavarien in Mariel und Holguin und die Brandkatastrophe im Öl- und Diesellager Matanzas verschärften zusätzlich noch die Situation. Regelmäßige Stromabschaltungen gehören in den letzten Monaten zum Alltag der Kubaner.
Durch die Pandemie-Maßnahmen fiel der Tourismus als Haupteinnahmequelle für die Entwicklung der Industrie weg. Hinzu kamen die neuen 243 US-Sanktionen und das die Trump-Regierung Kuba auf ihre sogenannte Terrorismusliste setzte, die es Kuba noch schwieriger machen, internationalen Handel zu betreiben. Der Nachfolger Joe Biden hat bisher sein Wahlversprechen zur Rücknahme dieser Maßnahmen nicht eingelöst. Im Gegenteil er setzt die Politik der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Kubas fort und finanziert diese großzügig.
Trotz aller Schwierigkeiten wird er gefeiert: der Sturm auf die Moncada am 26. Juli 1963
Durch diese Maßnahmen wird jeder Import für Kuba doppelt bis dreifach so teuer wie für jedes andere Land der Erde. Da gerade die Schweine- und Hühnerzucht von Futtermittelimporten abhängen, gab es hier drastische Einschnitte bei der Versorgung der Bevölkerung. Während im Juli im Zentrum nur vereinzelt Touristen zu sehen waren, kam es im August zu einer merklichen Zunahme, das auch die befragten Taxi-Fahrer bestätigten.
Mit dem 16. August wurde der Flugverkehr zwischen Havanna und Holguin nach zeitweiser Unterbrechung wieder aufgenommen. Derzeit befinden sich eine Tupolew und eine Iljuschin zur Modernisierung in Russland, so dass auch bald wieder der internationale Verkehr aufgenommen werden kann. Die anderen Flugzeuge dieser Typen sollen folgen Der Eisenbahnverkehr dürfte ab September auch wieder internationalen Touristen zur Verfügung stehen. In den Ferienmonaten Juli und August war er diesmal den Kubanern vorbehalten, um ihre Verwandten zu besuchen und Urlaub zu machen.
Trotz Pandemie liefen die Rekonstruktions- und Renovierungsarbeiten in der Altstadt und dem angrenzenden Bezirk Centro weiter. Hier wurden die Gastronomiebereiche wesentlich erweitert, Hotels neu eröffnet, so dass diese wohl einmaligen Arbeiten auf eine größere wirtschaftliche Basis gestellt werden. Gleichzeitig wurden auch die Wasserversorgung und die Wohnbedingungen der dort lebenden Bevölkerung verbessert.
Eine der neuen Restaurantgassen in der Altstadt
Zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine habe ich keine abweichenden Meinungen von der Regierung angetroffen: gegen den Krieg, nicht nur dort, sind alle, aber gleichzeitig wird auf die Vorgeschichte verwiesen. Interessant in dem Zusammenhang ist, dass die vehementen Verurteiler des Krieges Russlands in der EU kein einziges Wort über den 61-jährigen Wirtschaftskrieg gegen Kuba verlieren. Warum dürfte wohl klar sein.
Wer der kleinen widerständigen Insel helfen möchte, mit zwei Worten: Einfach hinfliegen!
Nachtrag: Am 2. September hat US-Präsident Biden wiederum festgestellt, dass Kuba angeblich eine Bedrohung und Gefahr für die Vereinigten Staaten darstellt und die Verlängerung der völkerrechtswidrigen Blockade unterschrieben.
Titelbild: Eric Fischer / Schlangestehen – eine der Hauptbeschäftigung der Kubaner im Sommer 2022. Hier für Benzin, andernorts für ein Paket Hühnchen, Käse oder Brot