Es war eine groteske Show, die der ORF am Sonntag mit den sechs Präsidentschafts-Kandidaten gegen Alexander Van der Bellen darbot. Um Diskussionen möglichst kurz zu halten und der brennenden Thematik rund um Inflation, Armut und Krieg zu entgehen, wartete das Staatsfernsehen mit absurden Spielchen auf. So wurde die Beschränkung der Redezeit der Teilnehmer maximal intransparent gestaltet. Andererseits versuchte man die Kandidaten schulmeisterlich durch ein juristisches Frage-Quiz vorzuführen. Für Kritik sorgte um ein weiteres die Weigerung Van der Bellens, selber an keinen Wahl-Diskussionen teilzunehmen.
Van der Bellen vertraut im Wahlkampf auf ORF und Co.
Dieser Fernsehabend mit Claudia Reiterer sorgte auf allen Seiten für Ärger. Ein positives Resümee ließ sich gestern Abend nicht finden. Dass die Kandidaten Walter Rosenkranz (FPÖ), Dominik Wlazny (Bierpartei), Michael Brunner (MFG), Heinrich Staudinger, Gerald Grosz und Tassilo Wallentin durch Quiz-Fragen mit eingehender “Faktencheck”-Belehrung durch einen Juristen geführt wurden, stieß über alle Lager hinweg sauer auf. Der aktuelle Präsident und Wiederwahl-Anwärter Alexander Van der Bellen nahm gar nicht erst Teil. Er scheint sich gänzlich auf den Wahlkampf durch ORF und Co. zu verlassen. Zu Recht, wie nun viele annehmen. Viele kritisieren jedoch die Entscheidung des Präsidenten, sich keiner Konfrontation zu stellen als undemokratisch oder gar arrogant. Auch die Diskussionsteilnehmer zeigten ihre Empörung über die VdB-Abwesehenheit.
Quiz-Format statt Diskussion
Zu offensichtlich suchte der ORF die Kandidaten vorzuführen. An Ernsthaftigkeit mangelte es diesen entgegen der grotesken ORF-Rahmenbedingungen nicht. Sie versuchten allesamt seriös ihre Positionen darzulegen. Meist unterbrochen durch schulmeisterliche Belehrungen durch Moderatorin Claudia Reiterer oder behelfsweise auch durch den Verfassungsjuristen Karl Stöger. Dass sich der Verfassungsrechtler und Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz im regelrechten “Jus-Quiz” mit Detailfragen zur Handlungskompetenz des Präsidenten am besten behaupten konnte, liegt auf der Hand. Grosz dazu: “Machen wir doch keine Gouvernantenprüfung daraus, das ist doch bitt’schön kein Kindergarten.“ Zwischenzeitlich sollte auch Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle die Performance der Kandidaten analysieren.
Fehlte nur noch Top-Model-Jury
Beobachter kritisieren, dass das Format anmutete, als hätte das deutsche Privatfernsehen seine Finger im Spiel. Links-Gesinnte vermissten Einzelbewerbe, bei denen sich ihre Herzenskandidaten behaupten könnten. Sie nannten etwa Wett-Trinken für Dominik “Marco Pogo” Wlazny von der Bierpartei oder Blitz-Schuhbandl-Binden für Heinrich Staudinger, dem bekannten Waldviertler-Schuh-Fabrikanten. In der Tat hätte eine Einspielung von “Money Maker”, “Dancing Stars” oder das Hinzuziehen der “Austria Next Topmodel” Jury wohl nicht mehr verwundert.
Rosenkranz für Österreichs Neutralität
Rosenkranz mahnte um ein weiteres Österreichs Neutralität ein und sprach sich klar gegen die Selbstmord-Sanktionen gegen Russland aus. Außer Domink Wlazny stimmten ihm dabei auch alle anderen Kandidaten zu. Der Bierpartei-Chef präsentierte sich hingegen als Van der Bellen in jung, der mit Glaubenssätzen à la “die Impfung wirkt und das ist wissenschaftlich erwiesen” bis hin zum Niedergang Großbritanniens durch den EU-Austritt aufwartete. Letzteren argumentierte er mit der großen Rezession. Auf Rosenkranz’ verblüfften Einwand: “Und die haben wir in der EU nicht?” reagierte der Bierpartei-Politiker mit betretenem Schweigen. Doch Diskussionen zu Krieg, Wirtschaftskrise und Corona wurden durch Claudia Reiterer rasch abgewürgt. Lieber wollte man sich mit Allgemeinschauplätzen zur Frauen-Politik und der Wehrpflicht beschäftigen. In der Frage zur Erweiterung der Wehrpflicht auf Österreichs Frauen waren sich alle Kandidaten einig, dass diese nicht wünschenswert sei.
Gefragt nach Frauen-Themen erklärte Rosenkranz, dass Frauen von der Regierung im Stich gelassen würden:
Von alt-links bis neoliberal: So verschieden sind die Kandidaten
Dass den Kandidaten wenig Redezeit – und das intransparent – eingeräumt wurde, war unverständlich. Sie bewiesen allesamt, dass sie in ihren Positionierungen mit spannenden Inhalten und Überlegungen aufwarten. So führte Walter Rosenkanz gefragt nach Österreichs Mitgliedschaft in der EU an, dass er glaube, dass man sich derzeit eher die Frage stellen müsse, wie lange es die EU noch gibt. Denn dieser drohe die Implosion angesichts der Mega-Wirtschaftskrise in die sie sich durch die eigene Politik geführt habe. Starke Ablehnung für alles Militärische an sich zeigte außerdem Staudinger, der sich alt-links präsentierte und Mahatma Gandhi anführte. Grosz präsentierte sich mit gekonntem Wortwitz und Krone-Kolumnist Tassilo Wallentin zeigte seine neoliberale Schlagseite, indem er etwa anführte, dass Fleisch entsprechend der “Kostenrealität” 10 bis 20 Mal teurer sein müsste, würde man die resultierenden Umweltschäden miteinkalkulieren.