Von 5.-8. September 2022 fand das 7. Osteuropäische Wirtschaftsforum (EEF) im russischen Wladiwostok statt. Thema der Veranstaltung: „Auf dem Weg in eine multipolare Welt“. Tenor dabei: Russlands Zukunft liegt im asiatischen Raum, die West-Sanktionen haben eine neue Weltordnung in Gang gesetzt, die das Ende der Globalisierung und der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Führungsrolle einer begrenzten Gruppe westlicher Länder einläuten. Gemeinsam mit den mächtigen Allianzen in Asien wird Russland wichtiger Global Player.
Putin: Ende für veraltete Weltordnung
Russlands Präsident Wladimir Putin schrieb in seiner Grußbotschaft zum Forum: “Das veraltete unipolare (einpolige) Modell werde durch eine neue Weltordnung ersetzt, die auf den Grundprinzipien von Gerechtigkeit und Gleichheit sowie der Anerkennung des Rechts jedes Staates und Volkes auf seinen eigenen souveränen Entwicklungsweg basieren. Gerade im asiatisch-pazifischen Raum entstehen mächtige politische und wirtschaftliche Zentren, die als treibende Kraft in diesem unumkehrbaren Prozess fungieren.” Das Forum genießt im asiatisch-pazifischen Raum hohes internationales Ansehen und soll den Auf- und Ausbau von Geschäftsbeziehungen zwischen Russland und den Ländern dieser Region fördern.
Neue Souveränität der Staaten
Für Russland steht fest: Sein Potenzial und seine wirtschaftlichen Fähigkeiten sind eine der wichtigsten Säulen einer gerechteren internationalen Ordnung. Diese entsteht gerade vor unseren Augen. Sie begründet sich auf großen, miteinander verbundenen regionalen Entwicklungs- und Kooperationszentren, die zusammen das Weltsystem bilden, aber jedes von ihnen ist weitgehend unabhängig und autark. Das Prinzip der künftigen Gestaltung werde internationale Zusammenarbeit ohne „universellen Ausgleich“ sein, ist man überzeugt. Die Volkswirtschaften ergänzen sich und – anders als in Europa – gehe das nicht mit geopolitischer Rivalität einher. Die Knotenpunkte der Zentren werden die wichtigste Rolle spielen – das sei die Funktion des Fernen Ostens, der Russlands „Tor nach Asien“ sein werde, hieß es.
Westen wird bedeutungslos
Die Konferenz befasste sich u.a. mit Themen wie: Die Rolle der mächtigen Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO). Diese repräsentiert aktuell an die 40 Prozent der Weltbevölkerung und ist damit die weltweit größte Regionalorganisation. Sie wird als eine der wichtigsten stabilisierende Kräfte in Eurasien in Bezug auf Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung ausgebaut. Am 15./16. September treffen sich die Staats- und Regierungschefs der SCO in Samarkand. SCO-Mitgliedstaaten sind China, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan. Der Iran will diese Woche eine Beitrittserklärung unterzeichnen. Die SCO hat ihren Sitz in Peking und seit 2004 Beobachterstatus bei der UNO.
Russland wird Sanktions-resistent
Diskutiert wurde auch die Ressourcengewinnung in der russischen, arktischen Zone (AZRF) und die Rolle einer neuen nordischen Route in der globalen Logistikkette. Dies vor allem im Hinblick auf die West-Sanktionen. Ebenso die effektive Entwicklung der Schifffahrt entlang der Nordseeroute, um – angesichts der Sanktionen – Frachtströme nach Osten umzuleiten. Zentrales Diskussionsthema war auch das Raffinieren von Öl und Gas. Trotz der Sanktionen konnte Russland seine Exporte in die Länder des asiatisch-pazifischen Raumes umleiten. Russland hat nach eigenen Angaben in den ersten sechs Monaten d.J. zusätzliche Öl- und Gaseinnahmen in Höhe von 3,3 Billionen Rubel (54,6 Mrd. Euro) gehabt, mehr als im gesamten Jahr 2021.
China als lukrativer Energiemarkt
Gazprom und die China National Petroleum Corporation haben einen neuen Vertrag über die Lieferung von weiteren 10 Milliarden m2 Gas/Jahr unterzeichnet – dies über die Fernostroute. Durchgeführt wurde auch eine Machbarkeitsstudie über die Gaspipeline Sojus Wostok (Verlängerung der „Power of Siberia 2“ durch die Mongolei). Ein Bremsklotz sei die Abhängigkeit von importierter Technologie und Ausrüstung für großtechnische Flüssiggas-Produktion für den Aufbau von Flüssiggas-Exporten, wurde festgestellt. Diskutiert wurde, wie das Potenzial fernöstlicher Energieressourcen in den nächsten 20-30 Jahren unter Sanktionen realisiert werden könne, was bis 2025 umsetzbar sei und ob sich die Praxis des Flüssiggas-Bunkerns auf Schiffen verfestigen werde.
Kampf gegen National-Sozialismus in Ukraine
Die „Vielfalt der Wahrheit – wie gewinnt man einen Informationskrieg“ war ebenso ein Thema. Die russische Sonderoperation in der Ukraine habe einen Dammbruch losgetreten, hieß es. Mit einer beispiellosen Lawine aus Fake News und Müll habe man Russland verunglimpft, demoralisiert und in die Knie zwingen wollen. Für Russland sei es heute mehr denn je entscheidend, nicht nur den National-Sozialismus in der Ukraine zu besiegen, sondern auch den Informationskrieg zu gewinnen. Diskutiert wurde, wie man dem koordinierten Aggression begegnen könne, mit welchen Mitteln man der riesigen Propagandamaschinerie des Westens beikommen könne und ob man Nutzern der Sozialen Medien grundlegende „Informations-Hygienefähigkeiten“ vermitteln könne.
Wirtschaftskrieg stärkt Russland
Ein Programm-Block behandelte das Thema „Wirtschaftskriege als Waffe für die Unterdrückung der Souveränität“. Hier wurde eingeräumt, dass die verhängten Sanktionen in Bezug auf Umfang und Intensität „bemerkenswert“, die eingesetzten Instrumente aber üblich seien. Sie haben sicherlich Wirkung gezeigt. Sie verschlechtern das Leben der einfachen Menschen, seien aber kein Instrument der Gewalt, führe nicht zu Veränderungen im politischen Verhalten und breche keinen politischen Willen. Der Sanktionskrieg erzwinge eine neue Weltordnung, beschleunige das Ende der Globalisierung, führe zu einer Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten, bei der nicht die Blockade von Handels- und Finanzströmen, sondern der gemeinsame Nutzen für alle Beteiligten zähle. Das Interesse am Einsatz nationaler und digitaler Währungen bei Zahlungen für Ressourcen werde weiter wachsen.