Robert Habecks beeindruckendes Wirtschaftsverständnis ist bereits legendär: Wer nicht mehr produziert und entsprechend keine Einnahmen erzielt, ist ja nicht gleich insolvent – er kann ja irgendwann wieder mit der Produktion anfangen, so seine Logik. Deutsche Netzbetreiber scheinen sich daran bereits ein Vorbild zu nehmen: Die Angst vor Stromausfällen in Herbst und Winter wollen sie den Verbrauchern nehmen und beruhigen: Wenn kein Strom fließt, ist das ja kein Blackout im eigentlichen Sinne. Irgendwann wird der Strom bestimmt wieder fließen!
Ein Kommentar von Vanessa Renner
Auf der Website des Netzbetreibers Amprion liest sich das zunächst ganz positiv: “Warum wir nicht mit einem Blackout im Winter rechnen” – so lautet der Titel eines entsprechenden Artikels. Auch auf Twitter publizierte man die darin enthaltenen Informationen in einem Thread.
Die Frage „Droht im #Winter ein #Blackout in Deutschland?“ beschäftigt gerade viele Menschen. Als Übertragungsnetzbetreiber wollen wir die Debatte sachlicher machen. Deshalb haben wir ein paar Infos zusammengestellt. Ein #Thread :
— Amprion (@Amprion) September 15, 2022
Als Blackout (im allgemeinen Sprachgebrauch gemeinhin als Synonym für einen Stromausfall verwendet) definiert man dort einen unkontrollierten Zusammenbruch des Stromnetzes in weiten Teilen Kontinentaleuropas. Hurra: Damit rechnet man nicht! Jedoch – die deutschen Bürger könnten im Winter leider sehr wohl ohne Strom dastehen:
5⃣ Wir können nicht ausschließen, dass es in Deutschland in diesem #Winter zu Lastunterdeckungen kommt. Das bedeutet, es gäbe dann nicht genug #Strom, um den erwarteten #Stromverbrauch – die „Last“ – zu decken.
— Amprion (@Amprion) September 15, 2022
7⃣ Was ist eine kontrollierte Lastabschaltung?
Die Netzbetreiber trennen Verbraucher stundenweise vom #Stromnetz & schalten sie wieder zu. Das geschieht diskriminierungsfrei. Der große Unterschied zum #Blackout: Der #Lastabwurf ist zeitlich & regional begrenzt und wird gesteuert.— Amprion (@Amprion) September 15, 2022
Was Amprion beschreibt, bezeichnet man gemeinhin als Brownout. Der gezielte Lastabwurf ist die letztmögliche Maßnahme zur Systemstabilisierung, wenn das Stromnetz überlastet ist – und somit das letzte Mittel, mit dem man versucht, einen drohenden großflächigen Stromausfall (also einen Blackout) zu verhindern. Amprion verspricht, dass dies “diskriminierungsfrei” (sowohl Unternehmen als auch Privatleute werden betroffen sein) und zeitlich und regional begrenzt geschehen werde. Jedoch: Wie soll ein Netzbetreiber letzteres versprechen können?
Blackout-Experte Herbert Saurugg sieht das überaus kritisch – er kommentierte auf Twitter:
Wir haben dazu in Europa keinerlei Erfahrungen (außer im Kosovo) und wissen nicht, welche Schäden und Wiederanlaufschwierigkeiten in den dahinterliegenden Infrastrukturen und Logistikketten auftreten werden. Ein solcher Lastabwurf sollte daher nicht unterschätzt werden! #Vorsorge pic.twitter.com/Ly2DjoazTm
— HerbertSaurugg (@herbertsaurugg) September 15, 2022
Saurugg warnt immer wieder eindringlich vor den massiven Infrastrukturschäden, die derartige kontrollierte Stromabschaltungen nach sich ziehen können. Die Folge dieser Eingriffe sei eine weitere Destabilisierung des Gesamtsystems – bei Puls24 erörterte er jüngst den Ernst der Lage:
@herbertsaurugg warnt vor #Blackout auf @puls24news Ernst der Lage ist den Menschen nicht bewusst. Solche kontrollierten Stromabschaltungen hätten “massive Infrastrukturschäden” zur Folge. Das Gesamtsystem werde dadurch instabiler… https://t.co/aSjOtrx6IC#Vorsorge #krisenfit
— HerbertSaurugg (@herbertsaurugg) September 13, 2022
Er warnt im Interview auch davor, dass die erneute Trennung vom Stromnetz einer Region binnen weniger Stunden erneut notwendig sein könnte – schneller, als dass das System überhaupt Zeit hatte, wieder vollständig hochzufahren.
Die Habeck-Logik dürfte allzu optimistischen Netzbetreibern also auf die Füße fallen – ebenso wie all jenen Bürgern, die trotz der drohenden Krise keinerlei Vorbereitungen treffen. Panik ist sicherlich kein guter Ratgeber, doch eine gewisse Vorsorge für den Notfall scheint zunehmend angebracht, wenn selbst die Netzbetreiber die Bürger nun darauf einstellen, dass sie “vorübergehend” auf Strom verzichten müssen.
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