Dr. Dieter Dehm geht juristisch gegen den Schlagersänger Florian Silbereisen vor. Dieser hatte am vergangenen Dienstag zusammen mit Beatrice Egli in der ARD-Sendung „Der große Schlager-Abschied“ aus Dehms Liedtext des von Klaus Lage erstmals 1984 gesungenen Hits „Tausendmal berührt (1001 Nacht)“ das Wort Indianer gestrichen. Dehm, Autor, Verleger und Produzent des Songs sieht nicht nur seine Urheberrechte verletzt, sondern sieht die Sprachpolizei auf dem Vormarsch und einen sich verengenden Meinungskorridor. Im Gespräch mit dem DK erklärt der Politiker der Partei DIE LINKE nicht nur, welche düsteren Entwicklungen für die Freiheit er kommen sieht, sondern räumt auch ein, aus Überzeugung selbst eine strafbare Handlung begangen zu haben. Silbereisen und andere pflegten hingegen nur ihren Gratismut.
Deutschland-Kurier: Herr Dr. Dehm, hat man denn seitens der ARD oder sonstiger Beteiligter Kontakt mit Ihnen hinsichtlich der Veränderung des Textes aufgenommen?
Dr. Diether Dehm: Nein, in keiner Weise.
DK: Was erhoffen Sie sich nun von der Strafanzeige? Glauben Sie, dass wirklich eine Strafverfolgung erfolgen wird?
Dr. Diether Dehm: Nun, die Staatsanwaltschaft kümmert sich ja oft lieber um politisch modische Themen. Von daher ist das Strafrecht ja meistens ein stumpfes Schwert, aber ich werde ja auch privatrechtlich vorgehen, weil mein Persönlichkeitsrecht hier verletzt wurde. Dazu muss ich noch sagen – Sie werden sich in diesem Liedergewerbe nicht so auskennen – aber meine Spezialität als Autor der 600 Lieder, die ich auf Tonträgern publiziert habe, war immer eine Detailfreude. Bilder, die in der Literatur nun einmal aus kleinen spiegelnden Mosaiksteinen bestehen, sollen stimmen. In diesem Lied zum Beispiel: „ich wusst´ wie Dein Haar riecht und die silberne Spange hat ich schon tausendmal beim Tanzen berührt“. Wenn jetzt einer die silberne Spange ersetzt, weil er meint, Menschen würden degradiert, die am Schürfen von Silber beteiligt sind – alles nicht auszuschließen – dann würde das an der Stelle flach wirken. Der erotische Reiz dieses kleinen Mosaiksplitters wäre draußen. Und so ist das auch mit den Indianern. „Erinnerst du dich wir haben Indianer gespielt, und uns an Fasching in die Büsche versteckt“. Wenn Sie da „zusammengespielt“ einfügen, dann kann das Halma oder Frauenfussball sein, wird also blutleer. Und das ist mein Persönlichkeitsrecht, mit meine Marke, Balladen und Lieder zu schreiben; ob das jetzt für Schimanski war, meine Friedenslieder, oder meiner Lieder, die ich mit Willy Brandt, Klaus Lage, Heinz Rudolf Kunze, Joe Cocker oder anderen aufgenommen habe. Dieses Persönlichkeitsrecht wird verletzt und da wird die Staatsanwaltschaft sich möglicherweise sich anderen Themen zuwenden, aber privatrechtlich will ich das auch durchfechten. Natürlich wäre das Günstigste, wenn Herr Silbereisen ganz auf das Lied verzichten würde – schlicht weil er einfach nicht sooo singen kann.
DK: Sie versprechen sich also von dem zivilrechtlichen Prozess – so höre ich es heraus – mehr als von der Strafverfolgung?
Dr. Diether Dehm: Ja, damit stelle ich der Staatsanwaltschaft auch ein Armutszeugnis aus. Die Staatsanwaltschaft hat in den letzten Jahren viele Verfahren gegen mich eröffnet, etwa weil ich einmal jemanden als „Anti-Deutschen“ bezeichnete. Und tatsächlich ist die Staatsanwaltschaft gegen mich vorgegangen und hat dies zu einem Schimpfwort erklärt, was einer persönlichen Beleidigung gleichkäme. Dieses Verfahren läuft noch. Da ist die Staatsanwaltschaft immer gerne aktiv, aber in den Fragen, die auch ein klein wenig das Land der Dichter und Denker ausmacht – nämlich das Urheberrecht und der Schutz literarischer Werke – da ist wenig Sensibilität vorhanden.
DK: Welches Motiv vermuten Sie denn hinter der Streichung des Wortes Indianer?
Dr. Diether Dehm: Das ist natürlich der paternalistische Versuch, Menschen umzuerziehen. Das hinterlässt eine verkrampfte Angst, man könnte etwas Falsches sagen. Damit werden Menschen nicht mutiger, sondern eingeschüchtert. Das ist so ein Zug in dieser diktatorischen Art, die Sprache zu verhunzen.
Die Indianer in den USA nennen sich übrigens selbst Indianer. Ich weiß sehr wohl, dass man Pflegerinnen in Gesundheitsberufen einen besseren Lohn als eine bessere Bezeichnung. Wenn man Leichtlohngruppen für Frauen beseitigen möchte, schafft man das weniger über Gendern als über bessere Löhne. Man kann auch sicher Senioren statt Rentner sagen, aber auch hier wäre es vernünftiger, die Rente zu erhöhen. Es ist oft einfach ein Ablenkungsmanöver gegenüber sozialer Schlechterstellung, gegen die ich als Marxist immer gekämpft habe – was mich wahrscheinlich so ein klein wenig vom Deutschland-Kurier unterscheidet, aber das werden Sie mir nicht übelnehmen. Ich bin nun einmal mit sprachlichem Blendwerk nicht abzuspeisen. Daher fände ich es besser, wenn man das unterstützte, was die Indianer gegen das US-Regime vortragen. Dann merkt man plötzlich, dass da sehr mutige und kluge Menschen unterwegs sind, die sich zum Beispiel auch gegen den Ukraine-Krieg wenden. Aber auf die wird nicht gehört. Stattdessen verbietet man hier den Leuten das Indianer-Spielen. Ich werde zum Beispiel von grünlichen Kaltkrieger*innen als „alter weißer Mann“ diskriminiert. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn junge Indianer oder Indigene am Polarkreis oder in Lateinamerika alte weiße Männer spielen. Meine Enkelin imitiert mich so auch gerne spöttisch. Das soll sie gerne tun. Für Heiterkeit und Spiel muss immer Raum und Freiheit sein.
DK: Ist die Streichung des Wortes Indianer in Ihrem Text ein Zeichen des enger werdenden Meinungskorridors?
Dr. Diether Dehm: Ja, natürlich. Wir befinden uns schon in einem prätotalitären Zustand was viele Maßnahmen anbetrifft. Alles das, was George Orwell gegen uns arme Marxisten geschrieben hat, bewahrheitet sich jetzt durch die Political Correctness. Die Sprachpolizei ist unterwegs, aus dem Kriegsministerium wird ein Friedensministerium – all die Dinge aus Orwells Roman werden traurige Realität – bei Corona, Ukraine und Gendern. Sahra Wagenknecht nennt das „Selbstgerechtigkeit“.
Mittlerweile geht neues Duckmäusertum um! Es ist die Angst am Stammtisch oder am Arbeitsplatz das falsche Wort auszusprechen. Sprache ist aber dafür da, Menschen aufzuwecken und zu befreien und nicht, um sie zu unterdrücken. Deswegen hat George Orwell den Begriff Sprachpolizei oder vielmehr Neusprech gewählt.
Demnächst wird es wohl noch irgendeine App geben, womit man Nachbarn, Kinder ihre Eltern bei Behörden denunzieren, Gespräche am Nachbartisch eines Lokals belauscht. Wenn bei staatlichen Klima- und Virenschutz-Maßnahmen oder unerschütterlicher Liebe zur NATO und zur ukrainischen Regierung nicht wie von oben vorgegeben geredet wird. Und dann erscheinen vielleicht noch am selben Abend in dieser Gaststätte zwei unauffällige Menschen und führen die Eltern ab. Solche und ähnliche Horrorvorstellungen sind gar nicht mehr so weit entfernt.
DK: Wollen Sie mit Ihren juristischen Schritten andere ermutigen, sich Worte nicht verbieten und nehmen zu lassen?
Das habe ich alles gar nicht im Kopf gehabt. Ich ärgere mich, dass ich nicht gefragt wurde. Ich ärgere mich darüber, dass jemand meint, der bessere Autor zu sein als der Autor selbst.
Ich ärgere mich über die ARD, die übrigens laut des Dauervertrages mit der GEMA, bei der ich Mitglied bin, ein Veränderungsverbot einhalten muss. Die ARD darf daher nur unveränderte Aufführungen zulassen. Und der Autor oder der Verlag hat Änderungen zu genehmigen. Das gilt schon gar für den Text, der nach deutschem Urheberrecht auch 70 Jahre über meinen Tod hinaus geschützt ist. Und ich ärgere mich darüber, dass dies einfach schulterzuckend mit Füßen getreten wird. Im Grunde genommen steht dahinter der Satz, es geht ja nur um die Indianer. Auf der anderen Seite, wenn ich ein böses Wort über Selenskyj sage, kann mir nach dem neuen Gesetz passieren, dass ich eine Anzeige bekomme.
Davon abgesehen, wäre es allerdings wichtig, mal auf das soziale Schicksal dieser indigenen Menschen einzugehen. Aber diese Modebekundungen und Sprachverrenkungen sind wohlfeil. Das ist Gratismut. Das muss nicht erkämpft werden. Ich habe mein Leben lang immer für Homosexuellenrechte gekämpft; ich habe immer für Vielfalt was Hautfarben betrifft gekämpft. Ich habe mit Bertolt Brecht das Lied „Schwarzer, Weißer, Brauner, Gelber! Endet ihre Schlächtereien!“ gesungen. Ich habe einen 17-jährigen dunkelhäutigen Menschen aus Lampedusa illegal zu seinem Vater in Hamburg gebracht – jetzt ist es verjährt und ich kann das nun zugeben. Also wenn man Mut braucht, versuche ich jedenfalls da zu sein. Aber dieser Gratismut von Florian Silbereisen – mal ein Wort zu streichen, ein Lied zu verschlechtern und dann zu glauben, man sei bei den Medien Liebkind – ist, wie die Juden sagen, „nebbisch“
DK: Herr Dehm, wir danken für das Gespräch.
Das Interview führte Christian Jung.
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