Horst D. Deckert

Der uhrdemokratische Herr Lindner

In Deutschland gehen nicht nur die Uhren anders, stehen permanent auf fünf vor zwölf oder sollen rückwärts gedreht werden. Regierende Doppelmoralisten achten auch genau darauf, wann man sie am Handgelenk trägt und wann besser nicht. Seit am Wochenende ein Schlussdetail aus dem Auftritt von Finanzminister Christian Lindner bei „Maybritt Illner“ im ZDF viral ging, ergießen sich berechtigte Lawinen von Groll und Häme über den FDP-Politiker.

Denn Lindner hatte dort, nach der Sendung, nonchalant seine Protz-Rolex aus der Hosentasche gezogen und wieder übergestreift – in der Annahme, die Kameras seien bereits ausgeschaltet. Dumm gelaufen, denn tatsächlich lief die Übertragung sie noch für einige Sekunden und entlarvte den peinlichen Versuch, Understatement vorzuschützen.

Heuchelei trifft auf Missgunst

Typisch deutsch an dieser Posse war zweierlei: Zum einen die inzwischen milieutypische Heuchelei von halbseidenen und unaufrichtigen Politikern, Bescheidenheit und Seriosität vorzuschützen; zum anderen aber auch die unsägliche Neidkultur in Deutschland. Die in Deutschland allgegenwärtige Missgunst auf erfolgreiche und reiche Menschen korreliert direkt mit der besorgniserregenden Wiederakzeptanz und Rehabilitierung offen sozialistischer oder sogar kommunistischer Enteignungs- und Umverteilungsphantasien, die über die „Klima”- und Energiepolitik bereits schleichend verwirklicht werden.

Wo Enteignungen, Umverteilung und Mangel zur Tugend werden und bereits Heizen und Stromverbrauch zu verzichtbaren „Wohlstandsprivilegien“ erklärt werden, gedeiht der schwarze Neid („Warum sollte es anderen besser gehen als mir?“) prächtig.

Wähler für dumm verkauft

Das ändert nichts daran, dass Lindners Gebaren mehr als peinlich ist – aber gerade nicht, weil er eine Protzuhr besitzt, sondern weil er sie im Fernsehen auszieht. Wer privat den Luxus liebt, sollte auch dazu stehen und seine Wähler nicht für dumm verkaufen. Die können sich auch ohne schamhafte Bescheidenheitsinszenierungsversuche ausrechnen, dass Lindner bei seinen 18.000 Euro Monatssalär sicher nicht auf der Brotsuppe dahergeschwommen kommt oder Tchibo-Uhren trägt.

Und: Wer als Finanzminister gleichzeitig 1 Billion Euro Steuereinnahmen verkündet und es politisch mitverantwortet, dass zweistellige Milliardensummen an ein hochkorruptes ukrainisches Regime weitergeleitet werden (dessen Hauptakteure einschließlich des Präsidenten hunderte Millionen Euro teure Immobilien im Ausland besitzen), der kann auch zu seiner Rolex stehen.

Sylt-Hochzeit lässt grüßen

Allerdings war es nicht das erste Mal, dass Lindner die offenbar mit seinem Ausgabeverhalten als Finanzminister korrelierende private Verschwendungssucht versuchte, vor der Öffentlichkeit zu verheimlichen: Bei seiner pompösen Vermählung mit seiner „Gehhilfe” Franca Lehfeldt im vergangenen Jahr auf Sylt versuchte der Porsche-Freak, die handverlesene Hochzeitsgesellschaft durch ein ganzes Regiment staatlicher Sicherheitskräfte vor den Blicken von Pöbel & Papparazzi abzuschirmen (was übrigens ebenfalls schiefging).

Fakt ist, und dies ist das eigentliche Ärgernis: Linder traut sich nicht, zu dem großkotzigen Lebenswandel zu stehen, den er pflegt. Mit dieser Inkonsequenz ist er tatsächlich ideales Sinnbild einer durch und durch verlogenen Politikerriege, die Wasser predigt und Wein säuft.

Zum Autor: Daniel Matissek ist Journalist mit pfälzischen Wurzeln, arbeitet neben für AUF1 auch für diverse deutschsprachige freie Medien (unter anderem „Journalistenwatch.com“). Gründungsherausgeber des Blogs „Ansage.org“. Schwerpunktthemen: Migrationspolitik, politischer Extremismus, Demokratie und Medienlandschaft. Freund differenzierter Zwischentöne, aber gerne auch leidenschaftlicher Polemiker. Devise: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos; es könnte aber auch umgekehrt sein.“

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