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Weitblick
Von Kornelia Kirchweger
25. April 2023
Lesezeit: 2 Min.
Serbien und Ungarn planen die Errichtung einer gemeinsamen Pipeline, durch die russisches Erdöl in die beiden Länder fließen soll. Der Bau der 128 Kilometer-Strecke kostet rund 100 Millionen Euro. Aktuell laufen Verhandlungen zwischen MOL und Transnafta. Der zugehörige Vertrag könnte bereits beim anstehenden Regierungsgipfel der beiden Länder, im Juni, unterzeichnet werden. Beim Ausbau der ungarischen Atomkraft hakt es indes. Berlin blockiert die Lieferung notwendiger Systeme seitens Siemens, obwohl es bereits einen Liefervertrag dafür gibt.
Ungarns Außenminister Péter Szijárto und Serbiens Energieminister, Dubravka Dedovic kündigten das Pipeline-Projekt kürzlich in einer Pressekonferenz in Budapest an.
Flüssiggas kann Lücke nicht füllen
Die neue Leitung soll die beiden Terminal-Eckpunkte zwischen Algyö in Süd-Ungarn und Novi Sad in Nord-Serbien verbinden und künftig für Energiesicherheit in den beiden Ländern sorgen. Dedovic stellte fest, der Krieg in der Ukraine stelle eine ernsthafte Herausforderung für Europa dar. Experten schätzen die Versorgungslage für den kommenden Winter „als schwierig ein“. Er wies darauf hin, dass – verglichen mit dem Vorjahr – 60 Milliarden weniger Kubikmeter russisches Gas auf dem europäischen Markt sein werden. Der Bedarf sei wegen der Öffnung der chinesischen Wirtschaft sprunghaft angestiegen. Die vollmundig von der EU und vor allem von Deutschland in Aussicht gestellten Flüssiggas-Kapazitäten können diese Lücke aber nicht füllen.
Eigenständiger Energie-Weg
Ungarn betrachte die Energiesicherheit „nicht als ideologische sondern als physische Angelegenheit“, sagte Außenminister Szijárto. Man werde daher gut etablierte, zuverlässige Quellen sicherlich nicht aufgeben. Die ungarisch-serbische strategische Energiekooperation sei eine der Garanten für eine sichere Energieversorgung Ungarns in der kommenden Zeit. Serbien sei ein zuverlässiges Transitland. Neun bis 15 Millionen Kubikmeter Erdgas pro Tag kommen von dort über die Turk-Stream-Pipeline nach Ungarn. Das Nachbarland könne auch eine der möglichen Routen für Gaslieferungen sein, die Ungarn von Aserbaidschan kaufen will.
Gemeinsame Gas-Speicher
Die Entwicklung des internen Netzes in Serbien betrachtet Ungarn als europäische Angelegenheit. Man erwarte daher, dass die Europäische Union alle Infrastrukturentwicklungen in der Region finanziere, die Mitteleuropa den Zugang zu alternativen Quellen ermöglichen. In diesem Jahr sei auch ein Rahmenvertrag über die Speicherung von 500 Millionen Kubikmetern Erdgas für Serbien in heimischen Speichern in Ungarn abgeschlossen worden, sagte Szijárto. Zudem werden Ungarns MVM und Srbijagas in Kürze ein Joint Venture gründen, um gemeinsame Gashandelsaktivitäten durchzuführen und so die Präsenz der beiden Länder auf dem mitteleuropäischen Energiemarkt zu stärken, sagte der Außenminister.
Präpotente Berlin-Einmischung
Dass Ungarn und Serbien auf Energiesicherheit setzen, anstelle ihre Bürger aus ideologischen Gründen in einen kalten und teuren Winter zu schicken, gefällt weder der EU und noch weniger dem Hardliner Deutschland. Seit einiger Zeit schwelt ein erbitterter Streit zwischen Berlin und Budapest bezüglich der Modernisierung des ungarischen Kernkraftwerks von Pak. Die Ungarn haben einen Vertrag mit einem deutsch-französischen Konsortium für die Lieferung der Kontrollsysteme für Pak. Paris hat dafür schon die notwendigen Konzessionen erteilt. Deutschland blockiert die Lieferungen seitens Siemens. Ungarn wirft Berlin einen Angriff auf seine Energie-Souveränität vor.
Ungarn setzt auf Atomenergie
Deutschland, wo auf Entscheid der grünen Partei die letzten Atomkraftwerke geschlossen wurde, ist der Ausbau der Nuklearenergie Ungarns ein Dorn im Auge. Budapest will u.a. mit Hilfe der russischen Rosatom zwei 1,2 Gigawatt-VVER-Reaktoren bauen. Diese Zusammenarbeit mit Russland ist für Deutschland ein rotes Tuch. Mit Frankreich herrsche diesbezüglich Übereinstimmung, beklagte der ungarische Außenminister. Beide Länder kämpften Schulter an Schulter in der EU darum, dass Nuklearenergie als „nachhaltig“ eingestuft wird. Ungarn will sich durch deutsche Querschüsse aber nicht beirren lassen. Es gebe Pläne mit der französischen Framatome, die das Projekt ohne Verzögerung gewährleisten solle.
Zum Autor: Kornelia Kirchweger war Journalistin bei „Austria Presse Agentur“, Bundespressedienst, „BBC“, „Asahi Shimbun“. Fokus: EU, Asien, USA, Afrika. Seit 2016 beim „Wochenblick“. Rockte die sozialen Medien mit ihrem offenen Brief an Greta Thunberg und machte gegen den UNO-Migrationspakt mobil.
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