Anlässlich der Vergabe des Karlspreises an den jetzigen ukrainischen Präsidenten Selenskij kritisiert der ukrainische Oppositionsführer Viktor Medwedtschuk den Westen für den Umgang mit der Ukraine. Die Vergabe eines Friedenspreises ausgerechnet an jemanden, der einen Verhandlungsfrieden verhindert hatte, sei zynisch.
Frage: Herr Medwedtschuk, wie sehen die Ukrainer die Vergabe des Karlspreises an Wolodymir Selenskij?
Wiktor Medwedtschuk: Bei Teilen der Bevölkerung ist natürlich Freude über die Anerkennung aus dem Ausland da, so wie auch bei jeder anderen Art des Erfolges – einem gewonnenen Spiel der Fußballnationalmannschaft oder einem Erfolg eines Ukrainischen Sängers beim ESC. Doch Menschen, die etwas tiefer schauen und hinterfragen, was hinter der glänzenden Oberfläche der Medieninszenierung passiert, fragen sich, warum ausgerechnet ein Friedenspreis an jemanden, der bereits vor Monaten einen fast fertig ausverhandelten Verhandlungsfrieden annehmen konnte, es aber auf Druck aus dem Westen nicht getan hat. Es ist eine zynische Inszenierung. Ein korrupter Politiker, dem vor dem Krieg international kaum jemand die Hand reichen wollte, soll nun zu einem Heiligen hochstilisiert werden.
Sie selbst leben in Russland. Wie können Sie als ukrainischer Oppositionsführer in Russland leben – in dem Land, das Krieg gegen Ihre Heimat führt?
Das war nicht meine Entscheidung – ich wurde von der Regierung Selenskij aus meiner Heimat abgeschoben und meiner Staatsangehörigkeit beraubt. Das ist ein Verfassungsbruch: Ich bin jetzt staatenlos!
Wie können Sie in einem Land leben, das gerade einen Krieg führt, um Ihr Volk auszurotten?
Sie merken doch hoffentlich, den Widerspruch in Ihrer Frage. Die ukrainische Propaganda verbreitet in der ganzen Welt, dass die Russen die Ukrainer vernichten wollen. Angeblich ist deren Hauptziel der Völkermord an den Ukrainern und die Auslöschung der ukrainischen Identität. Das ist nachweislich völliger Unsinn. Das Gegenteil ist wahr. Seit Jahrzehnten leben mehrere Millionen ethnische Ukrainer in der Russischen Föderation und beklagen sich nicht über irgendeine Art Unterdrückung oder gar Versuche, sie Auszurotten.
Nach Ausbruch des Krieges haben viele Millionen Ukrainer das Land verlassen. Viele leben jetzt bei Ihnen in Deutschland, andere in Polen oder Tschechien. Doch wohin sind die meisten Ukrainer geflüchtet? Nach Russland! Es sind über fünf Millionen – also weit mehr als in jedes andere Nachbarland. Sie leben jetzt hier, zusammen mit weiteren Ukrainern, die bereits seit Jahrzehnten in Russland leben. Das wird im Westen nicht kommuniziert.
Wollen Sie uns erzählen, dass in Russland, das Krieg gegen die Ukraine führt, mehrere Millionen Ukrainer völlig unbehelligt leben?
Natürlich. Viele Ukrainer leben seit den Zeiten der UdSSR in Russland. Sie bildeten einen großen Teil der sowjetischen Elite in Moskau, insbesondere in der Spätphase der Sowjetunion unter Breschnew. Der Prozentsatz der Mitglieder der Kommunistischen Partei unter den Ukrainern war der höchste in der UdSSR. Sie waren das Rückgrat aller Machtstrukturen in der Sowjetunion, da sie traditionell als vertrauenswürdig und diszipliniert galten. Dieser Trend setzt sich übrigens auch in der modernen Russischen Föderation fort. Es gibt viele Menschen mit ukrainischem Nachnamen in Führungspositionen und viele ethnische Ukrainer sowohl in der russischen Armee wie auch in der Polizei.
Deswegen ist es ja ein völliger Unsinn, Russland würde einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine führen mit dem Ziel, das ukrainische Volk auszulöschen. Für die russische Führung ist es lediglich eine „Militärische Spezialoperation“ mit der die vom Westen gesteuerte, russlandfeindliche Selensky-Regierung abgesetzt werden sollte.
Das sieht jetzt aber ganz anders aus. Täglich werden Tausende Ukrainer von der russischen Armee getötet. Denken Sie an Butcha.
Sie haben Recht, heute sind die Bilder aus der Ukraine andere als zu Beginn der Spezialoperation. Wenn Sie sich erinnern, fuhren die Panzer der russischen Armee in den ersten Tagen mit eingewickelten Waffensystemen, die Kolonnen stoppten wegen einzelner Zivilisten, die sich ihnen in den Weg gestellt hatten. Die Russen dachten, dass niemand auf sie schießen würde. Sie sahen in den Ukrainern ihre ukrainischen Brüder. Tatsache ist jedoch, dass sie nicht auf die Ukrainer trafen, wie sie sie seit Jahrzehnten aus ihrem eigenen Land kannten. Es waren ganz andere Ukrainer.
In den Jahren seit dem Maidan-Umsturz wurde systematisch alles Verbindende zwischen den Russen und Ukrainern getilgt und unterdrückt. Dafür wurden die Unterschiede betont. Die Ukrainer wurden ermutigt, aggressiv, hysterisch und ostentativ unhöflich zu sein. Denken Sie nur an das Gebaren von Andrij Melnyk bei Ihnen in Deutschland. Sie werden sich schwertun, eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens zu finden, die er nicht beleidigt hatte.
Also sind die Ukrainer über Nach ein anderes Volk geworden?
Das geschah natürlich nicht von einem Tag auf den anderen. Die moderne ukrainische Mentalität wurde in amerikanischen Reagenzgläsern für den Konflikt mit Russland gezüchtet. Der Prozess dauerte Jahre. Die Veränderungen wurden durch manipulative Geschichtsinterpretationen, Hass auf die russische Kultur und Sprache sowie die Einführung von Gewalt bis zum Mord in den politischen Alltag erzwungen. Heute sind die politischen Ukrainer eine psychologische Waffe gegen Russland und das Volk wird unterdrückt. Jegliche Oppositionssender sind verboten und geschlossen, Oppositionspolitiker sind entweder gleichgeschaltet oder sitzen im Gefängnis, oder im Ausland. Die Einheit der ukrainischen Bürger, die Zelenskij ständig propagiert, ist jedoch künstlich, sie besteht nur durch den äußersten Druck. Jede nicht-westliche Opposition, jede nicht-westliche Politik, Kultur und Idee wurden ausgerottet oder unterdrückt.
Wollen Sie sagen, dass der demokratische Westen die Unterdrückung der Demokratie in der Ukraine fördert?
Warum erstaunt Sie das so? Schauen Sie nur, wer von dem Konflikt profitiert. Es sind sicher nicht die Russen und schon gar nicht die Ukrainer.
Herr Medwedtschuck, vielen Dank für das Gespräch!
*Wiktor Medwedtschuk (68) war bis zu seiner Vertreibung aus der Ukraine Parlamentsabgeordneter und Vorsitzender der größten Oppositionspartei „Oppositionsplattform – Für das Leben (OPZH)“ des Landes. Ein Jahr vor Ausbruch des Krieges war die Partei in Meinungsumfragen die stärkste politische Kraft in der Ukraine, sie lag sechs Prozent vor Selenskijs Partei. Daraufhin wurde Medwedtschuk in einem konstruierten Prozess des Hochverrats angeklagt (Foto l.) , widerrechtlich über sechs Monate unter Hausarrest gehalten und immer wieder dazu gedrängt, das Land zu verlassen. Er blieb, ging mit Ausbruch des Krieges in den Untergrund, wurde im Februar 2022 verhaftet und schließlich im Zuge eines Gefangenenaustausches nach Russland überstellt.
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