Die offizielle Version der Münchener Behörden zum Zwischenfall beim EM Spiel ist nicht überzeugend. Angeblich waren Scharfschützen positioniert, die den Gleitfliegers aber nicht abschossen, weil das Logo von Greenpeace darauf entdeckt wurde. Ebenso will Greenpeace kurz vor der Aktion die Polizei darüber unterrichtet haben, was von dieser aber bestritten wird. Die Ungereimtheiten sind groß genug, dass in den Medien weiter darüber gesprochen wird, wobei das Verhalten des ZDF bei der Übertragung außen vor bleibt, obwohl auch hier offene Fragen bestehen.
Die Verantwortung der ZDF-Regie während der Szene
Ich habe mir die Szene noch einmal angeschaut und bleibe bei dem, was ich gestern schon geschrieben hatte. Das Verhalten der Regie ist äußerst seltsam und ergibt absolut keinen Sinn. Im UEFA Reglement (Punkt 63.02) ist festgelegt, dass alle Aufnahmen von einem „Host Broadcaster“ erstellt werden, die dann allen Vertragspartnern zur Verfügung gestellt werden. Im Fall des Spiels in München war das ZDF für die Aufnahmen verantwortlich, wobei jede übertragende TV-Anstalt eine eigene Regie hat, die nach Belieben die Aufnahmen auswählen darf.
Es wäre interessant zu wissen, ob andere TV-Anstalten beim Zwischenfall einen ähnlichen Schnitt gewählt haben. Leider konnte ich auf Anhieb keine finden. Zu Dokumentationszwecken habe ich die Szene aus der ZDF-Übertragung herausgeschnitten – und erwarte, das ZDF respektiert mein Zitatrecht – und möchte sie noch einmal analysieren.
Das Einblenden der französischen Aufstellung
Ganz zu Beginn wird auf mehreren Karten die französische Aufstellung eingeblendet und endet mit der Gesamtaufstellung. Im Hintergrund kaum zu sehen ist die Stadiontotale. Das dauert 40 Sekunden, wobei ab Sekunde 33 am Bildrand zu sehen ist, wie der Gleitschirm über dem Stadion fliegt.
Bela Rethy als Kommentator macht an der Stelle eine kurze Pause, wobei das nicht unbedingt der Sichtung des Gleitschirms geschuldet gewesen sein muss. Eventuell hat er aber auch kurz überlegt, die Angelegenheit jetzt schon anzusprechen, da er sehr wahrscheinlich darüber informiert wurde, dass möglicherweise etwas in diese Richtung passieren würde. Falls dem nicht so war, dann wäre auch das ein Versagen durch die Verantwortlichen gewesen, da es den Live-Kommentatoren nur unnötige Unsicherheit gebracht hätte.
Der Zwischenfall wäre niemandem aufgefallen
Nach dem Einblenden der französischen Mannschaftsaufstellung wechselt das Bild dann auf den Rasen, wo sich Kapitäne und Schiedsrichter die Hand geben. Diese Szene dauert weitere 35 Sekunden, in denen der Gleitschirm außerhalb des Bildes in das Stadionrund hineinfliegt. Ab 1:15 wechselt das Bild dann wieder in die Stadiontotale, in der auch der Gleitschirm voll zu sehen ist. Er fliegt hier gerade in Richtung Zuschauerränge.
Eine Absicht im Zeigen dieser Szene sehe ich keine, da auch zuvor die Mannschaftsaufstellung mit der Stadiontotale im Hintergrund gezeigt wurde und auch die beste Regie einen Augenblick braucht, bis sie reagieren kann. Tatsächlich wäre es wohl keinem TV-Zuschauer aufgefallen, dass hier gerade etwas ungeplantes geschieht. Es macht zumindest auf mich einen harmlosen Eindruck, der gut und gerne zur üblichen Stadionbespaßung gehören haben könnte.
Das Ein- und dann wieder Ausblenden der deutschen Aufstellung
Nach drei Sekunden in der Totalen mit Gleitschirm im Bild wird dann die Aufstellung von “Die Mannschaft” angezeigt. Der Gleitschirm ist hinter den halbtransparenten Spielerkarten quasi nicht mehr zu sehen, es könnte ohne Unterbrechung normal weitergehen. Rethy aber spricht dann plötzlich über „eine Aktion von Greenpeace“.
Eventuell hat er von seinem Platz im Stadion aus eine wesentlich bessere Sicht auf die Aufschrift des Gleitschirms. Allerdings sieht man durch die halbtransparente Karte mit den Spielern noch immer andeutungsweise, wie der Gleitschirm herunterkommt. Es ist fraglich, ob Rethy, der gerade mit der Aufstellung beschäftigt war, in den wenigen Sekunden überhaupt sehen konnte, dass auch wirklich Greenpeace auf dem Schirm steht.
Warum wurde das Einblenden der Aufstellung abgebrochen?
Während Torwart, Abwehr und Mittelfeld einzeln eingeblendet werden, erzählt Rethy weiter über den Greenpeace Aktivisten mit seinem Gleitschirm, anstelle den Zuschauern zu sagen, werlcher Spieler auf welcher Position spielen wird. Genau 9 Sekunden lang werden die Karten mit der die Aufstellung eingeblendet, angezeigt wurde gerade das Mittelfeld. Dann wirft der Co-Kommentator „Verrückter“ ein, wobei das Bild in diesem Moment bei 1:29 zum Aktivisten wechselt.
Insgesamt 8 Sekunden lang zeigt die Live-Übertragung den auf dem Boden liegenden Aktivisten, dessen Fallschirmaufschrift für TV-Zuschauer noch immer nicht erkennbar ist. Danach werden noch einmal 21 Sekunden lang die Aufstellungskarten eingeblendet, wobei die Spieler für den Angriff übergangen wurden.
Das bedeutet unzweifelhaft, dass sich die Regie ganz bewusst dazu entschieden hat, das offizielle Bild kurz auszublenden, um in dieser Zeit die Störaktion des Aktivisten zu zeigen. Es ist unwahrscheinlich, dass dies bei anderen Übertragungen ebenfalls geschah.
Was hat die nur geritten?
Gestern hatte ich den Kommentator Rethy noch in Schutz genommen, da ich davon ausging, dass er überrascht wurde und einfach nur seinem Instinkt nachgegangen ist. Live angeschaut habe ich mir das Spiel nicht. Unter Berücksichtigung des Beginns des Zwischenfalls während der Einblendung der französischen Aufstellung bin ich mir nicht mehr ganz so sicher.
Es kann gut sein, dass er informiert wurde und dann im Augenwinkel sah, dass es kommen würde. Das sorgte für eine ganz kurze Denkpause, bevor er weitersprach. Später dann, als der Gleitschirm im Stadion war, brach er unmittelbar ab und erzählte sofort etwas von Greenpeace. Dabei könnte Rethy genauso ein heimlicher Grünenaktivist sein, oder auch das Gegenteil, wobei sein Motiv in letzterem Fall im Herausstellen des sinnlosen Wahnsinns des Aktivisten bestanden hätte. Man weiß es nicht.
Viel größer und eindeutiger ist die Verantwortung der ZDF-Regie. Das Aussetzen der Einblendung mit den Spielern des Angriffs zeigt, dass sie koordiniert und in voller Absicht gehandelt haben. Sie wollten die Übertragung unterbrechen und die volle Aufmerksamkeit auf den Zwischenfall lenken. Dies, obwohl das in keinster Weise notwendig gewesen wäre. Hinzu kommt, dass die Einblendung der Karten noch einmal 31 Sekunden gedauert hätte, in denen der Aktivist vom Platz entfernt wurde.
Ein paar Fragen an das ZDF
Die Sache stieß mir so sehr auf, dass ich mich dazu entschlossen habe, dem ZDF ein paar Fragen zu schicken. Das ist zwar wenig erfolgversprechend, da ich in der Vergangenheit bislang immer ignoriert wurde. Ich habe mir diesmal aber eine Empfangsbestätigung eingerichtet, so dass ich wenigstens weiß, ob sie es gelesen haben (bislang noch nicht). Hier meine Fragen an das ZDF:
1. Wie ist allgemein die Politik des ZDF bei Sport- und anderen Live-Übertragungen, wenn es zu derartigen Zwischenfällen kommt, ausblenden oder zeigen?
2. Welche Politik verfolgen UEFA und FIFA gegenüber den übertragenden Sendern bezüglich derartiger Zwischenfälle?
3. Wurden der Sender bzw. die Regie und die Kommentatoren von den Behörden im Vorfeld über einen möglichen Zwischenfall informiert?
4. Warum hat die Regie den Zwischenfall eingeblendet und nicht weiter die Aufstellungen?
5. Warum wurde dem Kommentator nicht der Ton abgestellt als er über den Zwischenfall zu sprechen begann und mehrmals den Namen der Aktivstenorganisation erwähnte?
6. Wie bewertet das ZDF das Verhalten von Regie & Kommentatoren während des Zwischenfalls, haben sie sich falsch verhalten?
7. Hat das ZDF aufgrund der Art und Weise der Übertragung des Zwischenfalls Vertragsbedingungen mit der UEFA/FIFA/Sponsoren oder anderen vertraglich Beteiligten gebrochen?
8. Wird es für Regie und/oder Kommentatoren Konsequenzen geben aufgrund ihres Verhaltens während des Zwischenfalls?
Dänemarkspiel blieb ohne Konsequenzen
Insbesondere im Kontext der Kritik am Verhalten des ZDF beim Dänemarkspiel, als die Kameras voll drauf hielten, nachdem ein Spieler reanimiert werden musste – und als ebenfalls Bela Rethy Kommentator war – hätte der Sender Konsequenzen ziehen müssen und bei seinen Mitarbeitern eine Nachschulung für das Verhalten bei Zwischenfällen durchführen müssen. Das geschah nicht, oder sie haben das genaue Gegenteil dessen geschult, was angezeigt gewesen wäre.
Laut MMNews wird die Gemeinnützigkeit von Greenpeace infolge des Zwischenfalls übrigens nicht überprüft. Bedanken kann man sich beim zuständigen Finanzamt im tief rot-grünen Hamburg. Hinsichtlich der Konsequenzen für das ZDF oder auch das Agieren der bayerischen Behörden ist ähnliches zu befürchten. Es unterstreicht nur noch einmal, wie kaputt der politmediale Apparat unseres Landes ist.
Quelle Titelbild