Horst D. Deckert

Phänomenal: Hitzekuppel über Kanada

Der Nordwesten der USA und Teile Kanadas litten dieser Tage unter extremer Hitze. In Vancouver wurden knapp 48 Grad Celsius gemessen. Es gab deutlich mehr Sterbefälle als sonst zu dieser Jahreszeit. Inzwischen bringt eine frische Brise vom Pazifik Abkühlung. Der „Spiegel“ berichtet. Die Medienkritik.

von Max Erdinger

In den US-Bundesstaaten Oregon und Washington waren die vergangenen Tage die heißesten seit Beginn der regionalen Wetteraufzeichnungen im Jahr 1940, heißt es im „Spiegel“. In Salem, der Hauptstadt von Oregon, seien 47,2 Grad gemessen worden, die höchste Temperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in den 1890er Jahren. 50 Jahre hin oder her – das klingt nach Klimawandel. Soll es vermutlich auch. „Klimawandel“ allein läßt sich aber nicht politisch verwerten. Menschengemacht muß er sein. So kommt es dann zu der folgenden, recht merkwürdigen Textpassage im „Spiegel„:

Für die extremen Temperaturen verantwortlich sein soll eine »Hitzekuppel«, ein Phänomen, bei dem der Hochdruck in der Atmosphäre die heiße Luft in der Region festhält. Laut den Wetterexperten der »Washington Post« ist die Intensität dieser Hitzekuppel »statistisch gesehen so selten, dass sie im Durchschnitt nur einmal alle paar Tausend Jahre zu erwarten« sei. Der vom Menschen verursachte Klimawandel habe allerdings »diese Art von außergewöhnlichen Ereignissen wahrscheinlicher gemacht«.

Wahrscheinlich, wahrscheinlicher, am wahrscheinlichsten

Wenn es wahrscheinlich ist, daß das Phänomen mit der Hitzekuppel nur alle paar Tausend Jahre auftritt, dann sollten „wir“ wahrscheinlicher als je zuvor nur einmal tausend Jahre warten, um zu sehen, ob es erneut auftritt. Den kleinen Nachteil, daß keiner von „uns“ in tausend Jahren noch irgendetwas sehen wird, lassen „wir“ einmal unberücksichtigt. Jedenfalls: Wenn im Jahre 3021 wieder eine Hitzekuppel über Kanada steht, hätten „wir“ es am wahrscheinlichsten mit einer sogenannten „Häufung des Phänomens“ zu tun. Und zwar mit einer besorgniserregenden. Weil „tausend Jahre“ ein deutlich kürzeres Intervall zwischen zwei Hitzekuppeln darstellen, als „alle paar Tausend Jahre“. Ein viel kürzeres sogar. Wenn das Hitzekuppel-Phänomen allerdings schon in 500 Jahren erneut auftritt, muß wirklich jemand die Alarmglocken läuten. Überaus wahrscheinlich sollten „wir“ den in 500 Jahren lebenden „die Menschen“ schon einmal aufschreiben, daß sie nicht vergessen sollen, die Alarmglocken zu läuten, wenn es 0,2 Grad wärmer als 47 Grad wird. Außerdem sollten „wir“ sie davor warnen, einfach nur „Klimawandel“ zu brüllen. „Vom Menschen verursachter Klimawandel“ sollen sie schreien, weil ein Phänomen, das in 500 Jahren erneut aufträte, genau so wenig politisch verwertbar wäre wie heute, wenn es noch immer nicht vom Menschen verursacht wäre.

Die Chuzpe ist schon bemerkenswert, mit der ein tatsächlich vorhandenes Phänomen, das „alle paar tausend Jahre“ auftritt, bezeichnet wird als eines, das in Zukunft „wahrscheinlich“ häufiger als „alle paar tausend Jahre“ auftreten wird, weil es den „vom Menschen verursachten Klimawandel“ – und nicht einfach nur den Klimawandel gibt, was wiederum implizieren soll, am wahrscheinlichsten gebe es gegen die Wahrscheinlichkeit dringend etwas tatsächliches zu unternehmen.

Der „Spiegel“ 2014

In den deutschen Chroniken sind die Schreckensmeldungen über das Jahr 1540 zu lesen. Es war ebenfalls der „Spiegel“, der am 02.07.2014 darüber berichtete: „Wetterdaten enthüllen Europas größte Naturkatastrophe„. Zitat: „Elf Monate kaum Regen und Extremhitze: Mehr als 300 Chroniken aus ganz Europa enthüllen die grausamen Details einer gigantischen Katastrophe im Jahr 1540. Und sie zeigen: Das Desaster kann sich wiederholen.“ – Warum kann es sich wiederholen? Logisch: Weil die dummen „die Menschen“ seit 1540 nichts dazu gelernt haben und noch immer damit beschäftigt sind, den Klimawandel zu verursachen. Wieso schrieb der „Spiegel“ vor sieben Jahren überhaupt von „Wetterdaten“ und nicht von „Klimadaten“? – Na egal. Jedenfalls warten „wir“ seit knapp 500 Jahren darauf, daß sich wiederholt, was sich wiederholen kann.

Wie einem der „Spiegel“ vorkommt

In der wahrscheinlich unterhaltsamsten Fernsehserie aller deutschen Zeiten spielt Christoph Maria Herbst den „Bernd Stromberg„, Abteilungsleiter bei einer Versicherungsgesellschaft. In einer Folge gibt es einen Feueralarm zu Trainingszwecken. Innerhalb von drei Minuten soll das gesamte Gebäude evakuiert sein.

„Wir“ steigen in der Szene ein, als alle vor dem Gebäude „in Sicherheit“ sind, und nur einer noch fehlt, nämlich Stromberg. Alle starren auf die Eingangstür zum Gebäude, die sich langsam öffnet. Stromberg marschiert in aller Gemütsruhe heraus und wird vom Brandschutzbeauftragten sofort angeraunzt.

– „Mensch, Stromberg, wo bleiben Sie denn?“

– „Der Aufzug ist nicht gekommen.“

– „Sie sollen den Aufzug nicht nehmen, wenn es brennt.“

– „Es hat nicht gebrannt.“

– „Theoretisch hat es gebrannt!“

– „Theoretisch habe ich auch die Treppe genommen.“

Es ist faszinierend, wie man es beim „Spiegel“ versteht, einen „vom Menschen verursachten Klimawandel“ so zu üben, daß der Leser glaubt, er habe per „Hitzekuppel“ einen menschengemachten Klimawandel bewiesen bekommen, ohne daß er behaupten könnte, genau das sei ihm erzählt worden. Im Jahr 1540 hätte man dem verantwortlichen Redakteur für so etwas ins Ohrläppchen geschnitten, auf daß er fürderhin für jedermann sofort als „Schlitzohr“ zu erkennen sei.

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