Horst D. Deckert

SPÖ-Krise: Wiener Manager-Stadtrat soll Rendi-Nachfolger werden

Nach dem historisch schlechten Wahlergebnis für Pamela Rendi-Wagner zur SPÖ-Parteichefin (nur 75%) kocht die Krise der Sozialdemokraten so richtig hoch. Seit mehr als zehn Jahren brodelt der Richtungsstreit in der SPÖ. Nun wird dieser auch öffentlich ausgetragen. Die Anfeindungen, die sich Rendi-Wagner und Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ) öffentlich an den Kopf werfen, erschüttern. Sie zeugen vom Streit zwischen dem städtischen, bürgerlichen Flügel und den übrigen migrationskritischen, bodenständigen Arbeitern bei den Roten. Doch ein Nachfolger für Rendi-Wagner scheint schon gefunden: Wieder kommt er aus Wien, wieder ist es ein Bürgerlicher.

Von Bernadette Conrads

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  • SPÖ-Krise und Flügelkämpfe spitzen sich immer mehr zu
  • Seit Vranitzky leidet SPÖ unter „Nadelstreifsozialismus“
  • Doskozil hat jedoch keine Chance: Wiener Clique bestimmt über SPÖ-Kurs
  • Finanzstadtrat Peter Hanke gilt als besonders bürgerlicher Kandidat
  • SPÖ wird vermutlich weiter in Profillosigkeit verharren

Lange galt es unter den „Sozis“ als Beleidigung „bourgeois“ (bürgerlich) zu sein. Doch spätestens seit dem Einzug von Vranitzkys „Nadelstreifsozialismus“ vermeinen die Granden der historischen Arbeiterpartei sich ungeniert zu ihrem Oberschichtslebensstil auf Golfplätzen oder zum Luxusurlaub an der Cote d’Azur bekennen zu können, ohne unmittelbar von ihrer Basis „abgewatscht“ zu werden. Wie Karl Marx feststellte: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ – Die vermeintliche Abgehobenheit bleibt nicht ohne Auswirkungen für die SPÖ, die im Niedergang begriffen scheint.

Rendi-Wagner gegen die Gründungsidee ihrer Partei

Den Vogel schoss Pamela Rendi-Wagner wohl ab, als sie im Dezember 2018 offen dem Marxismus, also dem Gründungsgedanken ihrer Partei, eine Absage erteilte. Dieser sei zu wenig leistungsfreundlich, so Rendi-Wagner. Damit mag sie schon Recht haben, doch viele Freunde machte sie sich damit wohl nicht. So sprach die sozialistische Organisation „der Funke“ bereits im Februar 2019 aus, was auch anderen bereits klar war: „Rendi-Wagner und GenossInnen haben gar nicht den Anspruch im Klassenkampf zu siegen und den Klassenwiderspruch aufzuheben.“ Zuvor wurde Rendi-Wagner noch mit überwältigender Mehrheit im November erstmalig zur Bundesparteivorsitzenden gewählt.

Rendi-Wagner und Doskozil: Streit um Migration eskaliert

Doch während die Feindseligkeit zur eigenen Ideologie bei den Funktionären oft als abgehoben kritisiert wird, leidet die SPÖ auch aus anderen Gründen unter Wählerschwund. Nur noch schlappe 21% konnte Rendi-Wagners SPÖ bei der Nationalratswahl 2019 erreichen. Die Migrationsfrage, die die frühere Kernwählerschaft der SPÖ, die Arbeiter und Angestellten wie keine andere soziale Schicht bewegt, spaltet die Partei in sich und treibt die einfachen Leute zum politischen Gegner, der FPÖ. Kein Wunder also, dass es vor allem die Zuwanderungsfrage ist, die den offen ausgetragenen Streit zwischen Doskozil und Rendi-Wagner nun trägt. Absurderweise markiert nun Rendi-Wagner angesichts des grausamen Vergewaltigungsmordes an Leonie (13) die Migrationskritikerin, die sie zuvor nie war. Sie kritisierte den wohl migrationskritischsten Roten Doskozil in einem Puls24-Interview als „unehrlich“ und „sehr inkonsequent“.

Doskozil, der seine letzte Landtagswahl 2020 immerhin mit absoluter Mehrheit schlug, wies dieses Verhalten seiner Parteichefin entschieden zurück. „Das ist Kindergartenniveau, wenn ich ein persönliches Telefonat im Gedächtnisprotokoll nacherzähle. Auf so ein Niveau begebe ich mich nicht. Wie meine Linie in Migrationsfragen ist, ist jedem klar in Österreich„, erklärte er.

So will Rendi-Wagner „Genossen“ einen Maulkorb verpassen

Rendi-Wagner denkt dennoch, sie könne das Parteidrama, das sich immer mehr zuspitzt, einfach durchtauchen. Sie versucht jede Diskussion zu zerschlagen und verpasst ihren „Genossen“ neuerlich einen Maulkorb mit dem selben Argument, wie auch nach ihrem Versagen am Parteitag: „Das Letzte, was wir brauchen, ist Streit oder Selbstbeschäftigung.“

Viele Gruppierungen regten in den vergangenen Jahren eine solche Selbstbeschäftigung, einen Reinigungsprozess (unter unterschiedlichsten Vorzeichen) der SPÖ an. Doch an den starren Strukturen, die vor allem in Wien bestimmt werden, prallten die Idealisten stets ab. Sie wurden von Parteitagen ausgeschlossen, fühlen sich mundtot gemacht, wie Insider berichten. Und auch jetzt arbeite die Wiener Führungs-Clique, daran, alles dabei zu belassen, wie es ist. So soll die von vielen kritisierte Profillosigkeit, die sich in der quasi nicht vorhandenen Oppositionsarbeit der SPÖ gerade während der Corona-Krise manifestiert, der Partei erhalten bleiben. Ausgetauscht werden soll lediglich das Gesicht. Und dieses gilt SPÖ-Insidern zufolge bereits als gefunden. Der bodenständige Burgenländer Doskozil soll es trotz seines offensichtlichen Erfolgs bei der roten Wählerschaft jedoch nicht sein.

Manager mit Stecktuch soll Rendi-Nachfolge antreten

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Peter Hanke – Wikimedia, Franz Johann Morgenbesser, CC BY-SA 2.0

Neues Gesicht, selber „Klassenstandpunkt“: Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke, zuvor Manager der Wien-Holding, soll dafür sorgen, dass unter neuem Antlitz in der SPÖ dennoch alles beim Alten bleibt. Für großes ideologisches Engagement ist der studierte Betriebswirtschafter nicht bekannt, sehr wohl aber für seine perfekte Kleidung, Stecktuch inklusive! Hanke gilt als begeisterter Yacht-Fan, doch dass er die SPÖ in ruhige Fahrwasser lenkt, trauen ihm nur die wenigsten zu. Diejenigen die das dennoch tun, sollen die SPÖ jedoch nach wie vor fest im Griff haben.

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