Horst D. Deckert

Wissenschaftliche Studie beweist, dass Frauen wissen, was Männer wollen und wie Männer ahnungslos im dunkeln tappen

Übe die Daily Mail als das globale Flaggschiff der Boulevards kann man schimpfen wie man will. Zwischen den Promiskandalnachrichten haben sie ein verdammt gutes Programm, das von Politik über Geschichte bis zur Wissenschaft quasi alles abdeckt, was bei zu vielen anderen unter den Tisch fällt. Ein Beispiel wäre dieser frisch erschienene Artikel über eine Studie, in der Wissenschaftler aus Australien der Frage nachgingen, worauf Männer und Frauen bei der Wahl ihrer Sexpartner achten. Was klingt wie der neueste Blödsinn aus der Dekontruktionsgiftküche, entpuppt sich als ziemlich „biologistisch“, wie man sich dort ausdrücken würde, wenn auch mit ein paar Schwächen.

Frauen sind Naturtalente, Männer brauchen Stützräder

Die Studie untersuchte bei 100 weißen Australiern, worauf sie beim Äußeren einer Person achten, wenn sie deren spontane Korpulationsbereitschaft und die langfristige Beziehungsfähigkeit abzuschätzen versuchen. Als Ausgangspunkt für die Portraits wurde eine Datenbank mit Gesichtern verwendet, deren Träger in Selbstauskunft angaben, ob ihnen gerade eher nach schnaxeln oder kuscheln war.

Den Studienteilnehmern wurden dann 20 künstlich aus den Vorlagen erzeugte Portraits von weißen Durchschnittsmenschen des jeweils anderen Geschlechts vorgelegt, deren vermuteten Absichten sie anhand eines Fragebogens bewerten sollten, also in etwa analog zu den eher schlüpfrigen Partnersuchangeboten im Netz.

Leider sagt der Artikel nicht, ob sich unter den Studienteilnehmern auch Personen ohne weißen Grundstrich befanden. Eventuell sagt die Studie selbst etwas darüber, leider konnte ich aber nur die Zusammenfassung finden. Womöglich könnte diese Erweiterung zum Inhalt einer etwas größeren Nachfolgestudie werden, da die Aussagekraft bei so wenigen Teilnehmern und Testvorlagen immer ein wenig begrenzt ist.

Mit dieser Einschränkung der Aussagekraft im Hinterkopf lohnt es sich aber dennoch, die Ergebnisse zu vergegenwärtigen. Denn diese waren überaus eindeutig. So heißt es im Artikel:

‘It turned out that women were really good at judging whether men were only interested in short-term uncommitted relationships,’ said co-author Joe Antar.

[..]

Men, on the other hand, were not able to accurately make similar judgements about women based on their photographs.

In other words, men were not as good at judging if women were only interested in casual sex.

‘This surprised us,’ said Professor Stephen.

Für alle vor 2010 sozialisierten wenig überraschend stellten die Wissenschaftler fest, dass die weiblichen Studienteilnehmer ziemlich gut im Beurteilen der Männer waren. Die männlichen Teilnehmer dagegen konnten in keinster Weise eine vergleichbare Abschätzung über die weiblichen Portraitvorlagen treffen. Die Männer waren tatsächlich so miserabel darin, dass die Wissenschaftler ziemlich überrascht davon waren. Dazudie beste Stelle des Artikels:

‘This surprised us,’ said Professor Stephen. ‘The ability to make these judgements would also be really useful to men who are trying to judge who might be interested in short-term uncommitted relationships, and who might be more interested in something longer-term and more serious.’

Ja, da kann ich dem Professor nur zustimmen. Das wäre wirklich praktisch, wenn auch Männern diese Fähigkeit gegeben wäre. Bislang sind wir auf externe Marker wie etwa dunkle, Gassen, rotes Licht, Türsteher und übertrieben aufreizende Frauenkleidung angewiesen, um in der Angelegenheit zu einer zuverlässigen Einschätzung zu kommen.

Hinzu kommt die finanzielle Belastung, die mit dieser Art der industrialisierten Horizontallebenshilfe einhergeht. In dem Thema liegt stecken wirtschaftliche Sparpotenziale im Multimilliardenbereich, sollte es jemals gelingen, Männern einen vergleichbaren Instinkt zu geben, wie Frauen ihn haben.

Testosteron ist Trumpf

Mit dieser Information als Grundlage wollten die Wissenschaftler dann herausfinden, ob es etwas in unseren Gesichtern gibt, das von Männer- und Frauengehirnen unterschiedlich interpretiert wird. Sie fütterten dafür einen Computer mit den Portraitvorlagen, dem mithilfe von Lernalgorithmen beigebracht wurde, ebenfalls auf den ersten Blick die Sexual- und Beziehungsabsichten von Männern und Frauen zu erkennen. Die Ergebnisse waren eindeutig:

The results were clear – the AI could make accurate predictions about the relationship intentions of men from their faces, but not about the women.

Wie schon die weiblichen Studienteilnehmer war auch die KI der Lage, im Gesicht der Männer ihre Absichten abzulesen. Ebenso war sie jedoch so unfähig wie die männlichen Teilnehmer, die Absichten von Frauen zu prognostizieren. Der Gegentest per KI zeigte damit, dass in den Gehirnen der Geschlechter etwas fundamental unterschiedlich laufen muss. Wäre dem nicht so, hätte die KI vergleichbar gute Ergebnisse bei beiden Geschlechtern erzielen müssen.

Als Hypothese aus der Studienbeobachtung leiteten die Wissenschaftler schließlich ab, dass es eventuell am Testosteron liegen könnte, da Frauen und Männer deutliche Konzentrationsunterschiede darin ausweisen. Dies sorgt für Unterschiede im Gehirn, aber auch bei den Extremitäten. Je höher der Testosteronspiegel ist, desto kantiger werden die Gesichtszüge, was bei Männergesichtern zu einer breiteren Variabilität führt als bei Frauen, so dass diese aussagekräftiger werden.

Fragen über Fragen

Als Abfallprodukt wurden mehrere Marker gefunden, die beim jeweils anderen Geschlecht als Hinweis auf Promiskuität gedeutet werden. Bei Frauen interpretieren Männer kleine Augen, schmale Lippen und ein rundliches Kinn als Bereitschaft für banalen Sex, während Frauen bei Männern eine lange Nase, eine hohe Stirn und ein langes Gesicht dahingehend interpretiert wird.

Das Selektionsmuster bei Männern wirft die Frage auf, ob sich dahinter eventuell das im Englischen als „Asian Fetish“ bekannte starke sexuelle Interesse durch Männer gegenüber Asiatinnen verbergen könnte. Sollte dies zutreffen, dann würde es den rassistischen Vorwurf dahinter völlig aushebeln.

Nicht anders verhält es sich unter Berücksichtigung des biologischen Kalküls bei den teils eklatanten Geschlechterunterschieden mit Ehepartnern anderer Hautfarben in den USA. Asiatische Frauen sind sehr beliebt, während das Gegenteil bei schwarzen Frauen der Fall ist. Letztere weisen signifikant höhere Testosteronwerte auf als weiße Frauen (Tabelle 2), was im physiologischen Ergebnis von Männern aller Rassen fehlinterpretiert wird als Interesse an schnellem Sex als Gegensatz zu einer Beziehung.

Abgesehen von der Frage, warum Captain Picard und Ro Laren nie etwas miteinander hatten (oder hatten sie?), ergeben sich aus den Erkenntnissen der Studie vier neue Fragen. Erstens, ob die Ergebnisse aktiv und passiv auf alle Rassen und Ethnien übertragbar sind. Zweites, ob es wirklich (nur) das Testosteron ist, das Frauen hellsichtig und Männer blind macht, oder vielleicht etwas anderes an Körper und Geist. Drittens lauert dann noch die Frage, ob uns – oder eher gewissen Kreisen – eine definitiv Antwort auf Basis der dichotomen Biologie überhaupt gefallen würde und viertens etwas philosophisch angehaucht, ob eine App überhaupt wünschenswert wäre, mit deren Hilfe Männer auf einen Klick feststellen könnten, was sie gerade will. Es würde das Ende der Menschheit vermutlich schneller einleiten als jede Seuche.

PS: Falls jemand unter den Lesern von einer derartigen App weiß, der möchte sich doch bitte bei mir melden. Ich würde gerne eine sich streng an wissenschaftliche Kriterien haltende Feldstudie damit durchführen:-)

Quelle Titelbild

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