Horst D. Deckert

Brot, Spritze und Spiele: Impfung beim Fußball als ÖVP-Wahlzuckerl

Sogar der Mainstream muss es zugeben: Die Impf-Kampagne ist bundesweit ins Stocken geraten. Neben geringen Inzidenzen und immer zahlreicheren „milden bis lebensgefährlichen“ Nebenwirkungen spielen wohl auch immer öfter „Impf-Durchbrüche“ eine Rolle. Sprich: Menschen können sich auch nach einer Impfung noch anstecken und eine der Corona-Varianten weitergeben. Also suchen die Mächtigen nach einem anderen Schmäh, um ihre Impfdosen vor Ablaufdatum ans Volk zu bringen. In unserem Bundesland gibt sich die Volkspartei vor der Landtagswahl besondere Mühe.

Kommentar von Alfons Kluibenschädl

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Der Image-Schaden ist riesig, und nun hat das Problem auch Österreich erreicht: Unter den Partygästen, welche die sogenannte Delta-Variante aus dem Kroatien-Urlaub nach Hause brachten, befinden sich zumindest 33 Geimpfte, davon 13 doppelt. Seitdem man mit der neuen Mutation den Bürgern recht Angst vor einem neuen Lockdown macht, wandert auch die angeblich nötige Schwelle zur Herdenimmunität hoch. Von 60 auf 80, auf 90 – und irgendwann auf 110 Prozent? Man diskutiert ernsthaft Impfpflichten, überall gibt es anmeldungsfreie Impf-Aktionen (in meinem Ort bewarb man sie bereits am Bahnhof auf einem A-Ständer). Doch die Impfstoffe bleiben Ladenhüter.

Impfen als Preis beim Gratis-Fußballspiel

Das geschieht sichtlich zum Unmut von ÖVP-Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander, die immer bedacht ist, alles unter Kontrolle zu haben. Entsprechend war sie nach dem Fiasko der ersten Massentests auch eine der ersten Stimmen, die Nachteile für Ungetestete forderte. Später wurde ihre Vision mit den „Öffnungen“ und der Testpflicht zuerst beim Friseur, später als Teil des „3G-Regimes“ zur Realität. Bei der Impfung will sie nach diesem Vorbild nun den Impf-Turbo über absurde Goodies ankurbeln. Immerhin hat sie sich dabei nicht ganz ans internationale Vorbild gehalten, sondern setzt auf eine konventionellere Form des Anreizes: Die Herzensgaudi der Leute.

Gemeinsam mit dem Wirtschafts- und Sport-Landesrat – ihrem Parteikollegen Markus Achleitner, die beiden wurden seinerzeit gemeinsam angelobt – startet sie nun eine Aktion, bei der man das „Jaukerl“ mit einem Gratis-Besuch beim Sport-Event seines Herzens verbinden kann. Wer sich impfen lässt, bekommt einen Gratis-Eintritt für ein Heimspiel des LASK, Blau-Weiß Linz oder der SV Ried. In letzterem Fall kann man sich stattdessen einen freien Eintritt für die traditionsreiche Herbstmesse holen. Auch beim Faustball in Grieskirchen, beim Damen-Tennisturnier in Linz und dem Rad-Kriterium in Wels ist die Impfung wortwörtlich eine Eintrittskarte.

Brot, Spiele und Spritze – nicht nur „Resteverwertung“

Das Ganze ist „Brot und Spiele“ in seiner Reinform. Quasi eine Art „Gendoping für Arme“. Und das nicht nur für die Arme(n). Man lässt sich ein experimentelles Serum spritzen gegen eine Krankheit, die beim wohl großteils im erwerbstätigen Alter befindlichen Publikum ein 0,01-prozentiges Todesrisiko hat. Wenn der Schiedsrichter also wieder einmal einen Stuss zusammen pfeift und der neue Videoschiedsrichter ihn nicht korrigieren, kann das Blut des Sportbegeisterten nicht nur kochen, sondern dank dem „kleinen Pieks“ per Thrombose gleich noch stocken. Rosige Aussichten.

Neben der Ankurbelung der Impf-Kampagne ihres Kanzlers wollen die Türkisen damit aber wohl noch etwas anderes als nur „Resteverwertung“. Denn im September steht die Wahl im Land und in den Gemeinden an. Man will Menschen bei der „schönsten Nebensache“ außerhalb der eigenen vier Wände abholen, sie mit dem niederschwelligen Impfangebot ködern. Selber steht man als Macher da. Falls vor der Wahl Verschärfungen aus dem Bund anstehen – eine „1G-Regel“ für Veranstaltungen oder eine Ausweitung der Impfpflicht – kann man sich als strategischer Vorausdenker inszenieren.

Türkiser Impf-Lorbeerkranz als mediale Inszenierung

Besonders auffällig ist hier, dass die beiden ÖVP-Politiker ihre Aktion im Namen des Landes durchexerzieren. Auch das ist eine Doppelstrategie: Geht die Rechnung auf, kann man die Lorbeeren selbst einheimsen. Geht sie hingegen nicht auf, kann man das Kind sauber weglegen – es war ja nicht die Partei, sondern „das Land“. Auf Gemeinde-Ebene kann man zudem eigene Politiker als große Organisatoren darstellen – und bei fehlendem Zuspruch teilweise denjenigen des Mitbewerbers ein Versagen andichten.

Und die gekauften Medien, die schon in der sogenannten „dritten Welle“ auf absurde und unlautere Art und Weise versuchten, die Inzidenzen in den Bezirken mit der Partei-Präferenz der jeweiligen Bezirke zu vergleichen, werden einen Teufel tun und dagegen steuern. Vom Inseratenkaiser zum parteinahen Regionalblatt liefern sie alle den schwarzen Politikern die unkritische Darstellungsmöglichkeit – und falls es ein Fiasko wird, hat’s halt keinen Platz mehr gefunden. Wir kennen diese polit-medialen Doppelpässe, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. 

Den Türkisen die totalitäre Suppe versalzen

Bleibt nur zu hoffen, dass sich der Wähler nicht von solchen durchschaubaren Manövern ködern lässt. Gerade vor dem Hintergrund, dass sich Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) schon seit über einem Jahr regelmäßig für eine generelle Impfpflicht aussprach. Ist dieser Wildwuchs an „freiwilligen Angeboten“ also nur die Vorbereitung dafür, irgendwann den gesamtgesellschaftlichen Impf-Zwang salonfähiger zu machen? Die Logik „keine Impfung, keine Arbeit, kein abendliches Bier“ ist schlimm genug, aber sie ist nur der Anfang. Im Herbst werden die Diskussionen um Schließungen wieder anfangen.

Der schwarze Peter landet dann bei den „Verweigerern“. Dazu zählen dann nicht nur jene, die jetzt schon nirgends reindurften, sondern auch die, welche dem ÖVP-Angebot beim Sport, im Einkaufszentrum etc. nicht Folge leisteten. Die modernen Gladiatorenspiele finden statt, das verteilte Brot schickt man als Impfung in die Distrikte. Die sprichwörtlichen „Hunger Games“ zwischen Geimpften und Ungeimpften trägt die Bevölkerung dann wahrscheinlich ganz ohne Zutun von oben aus. Es möge sich die Schuldigen suchen und die ÖVP erste Reihe fußfrei sitzen lassen. Außer freilich, man versalzt ihr am Wahltag diese totalitäre Suppe, die sie dann selber auslöffeln muss.

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