Nachdem beim UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, mehr als hundert Hinweise zu Polizeigewalt bei den Berliner Corona-Demos eingegangen sind, kündigt dieser eine Untersuchung und „offizielle Intervention bei der Bundesregierung“ an.
Nils Melzer erklärte gegenüber der Berliner Zeitung, dass bei seinem Team eine große Zahl an Berichten über Polizeigewalt gegen Demonstranten bei der Demonstration am 1. August in Berlin eingegangen seien. „Wir werden jetzt das Material sichten und bewerten. Jede einzelne Mitteilung und jedes einzelne Video muss genau verifiziert werden und ich werde auch mit direkten Augenzeugen sprechen. Aber mein Eindruck ist, dass in mehreren Fällen Anlass genug für eine offizielle Intervention meinerseits bei der Bundesregierung besteht.“
Der UN-Sonderberichterstatter Melzer, bekannt wegen seiner Interventionen zum WikiLeaks-Gründer Julian Assange, werde sich über die deutsche Vertretung bei den Vereinten Nationen in Genf an den amtierenden Bundesaußenminister Heiko Maas wenden. Über das von dem SPD-Funktionär Maas geführte Ministerium müsse sich dann die zuständige Behörde – im Klartext Berlins hochumstrittener SPD-Innensenator Andreas Geisel – auseinandersetzen und eine „staatsvertraglich verpflichtenden Untersuchung einleiten.“
Melzer äußerte sich in dem Zusammenhang zudem „sehr besorgt über die Entwicklung von Polizeieinsätzen bei Demonstrationen weltweit“: „Da läuft etwas ganz Fundamentales schief. In allen Regionen der Welt betrachten die Behörden die eigene Bevölkerung offenbar zunehmend als Feind.“
Bezüglich der Vorfälle bei den Demonstrationen in Berlin am vergangen Wochenende erklärt der UN-Sonderberichterstatter:
„Von den Bildern und Informationen, die uns bis jetzt vorliegen, haben wir den Eindruck, dass es sich bei den Protesten mehrheitlich nicht um gewaltbereite Randalierer gehandelt hat. Es waren Frauen, Kinder, Radfahrer, ältere Leute.“
Es sei „absolut inakzeptabel“, wenn die Polizei „wegen bloßer Ordnungswidrigkeiten oder zivilem Ungehorsam mit teilweise lebensgefährlicher Gewalt gegen wehrlose Demonstranten vorgeht […] Wenn die Polizei nicht klar kommuniziert, dass sie sich als Freund und Helfer versteht, sondern die eigene Bevölkerung als Feind behandelt, dann ist eine gefährliche Spirale in Gang gesetzt: Dass nämlich als nächstes die Bevölkerung die Polizei ebenfalls als Feind betrachtet und am Ende die Regierung.“
Melzer abschließend: „Es ist darüber hinaus widersinnig, eine Demonstration mit dem Hinweis auf den Gesundheitsschutz aufzulösen, wenn dabei Demonstranten mit vollkommen willkürlicher Brutalität zusammengetrieben und verletzt werden.“
Nach den Corona-Maßnahmen kritischen Demonstrationen in Berlin am vergangenen Wochenende kam es zu mehr als 1.000 Festnahmen. Während die Grünen kritisieren, dass angeblich nicht genügend Sicherheitskräfte vor Ort gewesen seien, und sich „Berlinerinnen und Berliner von diesem harten Kern der nicht mehr zu erreichenden Querdenker“ bedroht fühlen und Linken-Innenpolitiker wie Niklas Schrader fest davon überzeugt sind, dass die „Polizei noch mehr hätte verhindern können“, kritisiert die AfD zum Einen das ausgesprochene Demoverbot. Zum Anderen müsse sich der Berliner Innensenator Andreas Geisel die Frage gefallen lassen, so der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Karsten Woldei, ob er mit zweierlei Maß messe. Woldeit zog einen Vergleich zu den Demonstrationen am 1. Mai, bei denen es zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstrierenden gekommen war.
Innensenator und als Ex-SED-Mitglied mutmaßlich mit Polizeigewalt vertraut, zeigt sich Andreas Geisel gegenüber dem rbb-Inforadio, überzeugt davon, die Polizei habe „professionell und verhältnismäßig“ gehandelt. Man kann nur hoffen, dass der „Herr der Schläger“ bald vor Gericht landet. (SB)