Horst D. Deckert

Aphorismen zur Pandemie

Vorhin an einer Baustelle vorbeigegangen. Allgemeine Helmpflicht stand zu lesen auf zahlreichen Schildern. Was für eine willkommene Abwechslung in diesen Zeiten!

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Wenn alle das Gleiche denken, sind die Urheber der Gedanken total glücklich. Totalitär klingt ganz ähnlich.

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Wenn man sich dafür rechtfertigen muss, keine Angst zu haben, könnte man fast schon wieder Angst bekommen.

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Es scheint in diesen Tagen, als ob die Würde des Menschen nicht von Status, Religion, Geschlecht, Bildung oder Nation abhinge, sondern von seiner Bereitschaft, das kritische Mitdenken aufzugeben.

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In der Welt der Meinungsfreiheit sind Querdenker willkommene Zeitgenossen, weil sie Horizonte öffnen und Selbstverständliches hinterfragen. In der Welt der Pandemie sind sie zu diskreditierten Nestbeschmutzern geworden, weil sie Horizonte öffnen und Selbstverständliches hinterfragen.

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Wenn einige wenige viele glauben lassen wollen, dass nur ihre Wahrheit die richtige sei, müssen viele wenige glauben, dass sie es schon richtig wissen. So begegnen sich Manipulation und Naivität wie siamesische Zwillinge.

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Wir haben Jahrhunderte der Aufklärung gebraucht, um uns vom Zugriff der Kirche auf unser Schlafzimmer zu befreien. Das Virus braucht nicht einmal ein Jahr, um dem Staat Zugriff auf unser gesamtes Privatleben zu geben: Wer wen, wann und wozu mit wieviel Abstand wo treffen darf; ein erstaunlicher Beschleunigungsprozess.

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Kollateralschäden sind in der Regel nicht beabsichtigt, nur in Kauf genommen, auch wenn der Preis dafür viel zu hoch ist. In der Finanzwelt würde man von Fehlinvestitionen sprechen, in der Pädagogik von Fehlanreizen. Wer also schützt uns vor der Ansteckungsverhinderungspolitik?

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Die Alternative zur Alternativlosigkeit? Freiheit im Denken.

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Was niemand für möglich gehalten hätte, wurde zur Realität, und wenn alles wieder vorbei ist, werden wir erschreckt aufwachen und sagen, dass wir das alles gar nie so gewollt haben.

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Wenn das gängige Narrativ nicht mehr gälte, würden auch die bestehenden Säulen der Gesellschaft, welche dieses mühsam aufgebaut haben, kippen. Die Wirklichkeit müsste neu gesehen werden. Solange dies unmöglich erscheint, wird am Narrativ festgehalten auf Biegen und Brechen, auch wenn sich immer mehr dafür verbiegen oder daran zerbrechen.

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Selektives Totengedenken: die am oder mit dem Virus Verstorbenen ehren mit einem Staatsakt. Die anderen Toten werden nicht so offensichtlich betrauert. Die Waffen- oder die Tabaklobby dürfen darüber zufrieden sein.

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Potenzierte Bedrohung: nicht mehr Angst vor einer Krankheit haben, sondern Angst vor der Angst vor einer Krankheit.

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Wir hätten vor der Pandemie mit erheblich weniger Aufwand erheblich mehr Leben retten können. Erstaunlich ist, dass diese Pandemie offenbar aus der Lethargie befreit und uns zu kollektiven Lebensrettern macht. Oder die kollektive Todesfurcht in einen Aktionismus transformiert, der das Verdrängen der Sterblichkeit adelt.

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Die Kunst eines Diskurses liegt in der Diskussion ohne Zensur. Sonst wäre es ein Monokurs.

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Maskerade als Symbolpolitik: Die etwa fünfzig vollverschleierten Frauen in der Schweiz dürfen nach dem Mehrheitswillen des Stimmvolks fortan ihre Burka nicht mehr tragen, während das gesamte Stimmvolk zum Maskentragen verpflichtet ist.

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Wenn jeder Mensch zur potenziellen Gefahr wird, ist man sich seines Lebens nicht mehr sicher. Besser gesagt: seiner gesunden Lebensfreude.

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Wenn sich genügend Menschen an den Ausnahmezustand gewöhnt haben, darf man ihn nicht mehr zurücknehmen – man will ja nicht unnötig verunsichern.

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Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit, sagt die WHO: seelisches, körperliches, geistiges, emotionales Gleichgewicht, vielleicht auch noch Berührung, Geliebtwerden, Nähe, Heimat, was auch immer. Auf jeden Fall ist sie unendlich mehr als das blosse Nicht-Covid19-haben.

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Der unterschiedliche Umgang mit den unterschiedlichen Toten macht die unterschiedlichen ethischen Haltungen sichtbar. Legionen von Nikotin-, Waffenexport-, Adipositas-, Umweltbelastungstoten nimmt man hin, obwohl man sie durchaus vermeiden könnte. Die Corona-Toten muss man um fast jeden Preis verhindern.

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Wer Angst sät, wird keine Lebensfreude ernten.

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Positiv bleiben, ist in diesen Zeiten nicht so einfach.

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Wenn die Umstände so sind, dass das bisherige Leben nicht mehr gelebt werden darf, ist das unter Umständen lebensgefährlich. Vor allem, wenn Ursache und Wirkung verwechselt werden.

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Selbst bei harmlosen Medikamenten ist der Beipackzettel oft voller Risiken und Nebenwirkungen. Bei der So-schützen-wir-uns-Kampagne wäre dieser ein langes Buch.

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Mit dem Schutz der Gesundheit kann man alles rechtfertigen, sogar das Leiden am Leben. Früher nannte man dies: den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

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Ein gesundes Immunsystem schützte schon immer am besten vor Ansteckungen. Seltsam, dass davon kaum die Rede ist.

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Wenn die Massnahmen zur Verhinderung einer Infektion mit so viel Angst, Isolation und Depression infizieren, müssten dringend Massnahmen dagegen getroffen werden.

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Neulich gelesen: Geimpfte haben bessere Chancen auf den Dating-Plattformen. Vielleicht sterben ja die Nicht-Geimpften bald auf natürliche Weise aus.

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Wenn Geimpfte und Negativgetestete sich mit Abstand treffen und dabei dennoch eine Maske tragen müssen, ist diese Verpflichtung eigentlich grundlos. Oder sie hat einen anderen Grund.

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Immunität ist Schutz oder Verarmung, zumindest wenn es um die Liebe geht. Es kommt immer auf den Kontext an.

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Wer das Immunsystem einer Gesellschaft zerstört, raubt ihr die Grundlage der Menschlichkeit.

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Wenn jeder Mensch ein potenzieller Gefährder ist, ist man sich nirgendwo seines Lebens sicher. Deswegen wird es künftig sicherlich noch mehr Heimatvertriebene geben.

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Meinungsfreiheit: frei sein von der eigenen Meinung. Sich nicht mehr manipulieren lassen von den eigenen Annahmen und Erfahrungen.

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Am sichersten wäre es, nur noch bekannte Luft einzuatmen. Aber dann kriegt man ja keine Luft mehr.

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Ich will, dass ihr in Panik geratet. Der Wunsch der Klimaaktivistin Greta Thunberg hat sich erfüllt. Aber leider nicht in Bezug auf das Klima.

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Wenn selbst die Kabarettisten mehrheitlich schweigen, muss die Dunstglocke über dem Land schon ziemlich dicht sein.

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Aus: Wolfgang Weigand, «Verdichtungen – aphoristische Gedankenflüge», Königshausen & Neumann, Würzburg Herbst 2021. 136 S. € 18.–.

Bestellung. Erscheint Ende August 2021

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Wolfgang Weigand
lebt seit 25 Jahren in der Schweiz. Als freischaffender Theologe begleitet er Menschen in entscheidenden Lebensphasen, gestaltet Rituale und gibt Seminare für Paare und Trauernde.

2006 erschien seine Novelle «Legion», 2017 bei K&N die Erzählung «Sterbelos«, 2018 die Sammlung «Grenzgänger – Erzählungen auf der Kippe», 2019 die Erzählung «Maria erscheint» und 2020 der Roman «Wir bleiben doch Geschwister?».

Zudem ist er Co-Autor zweier Sachbücher: «Kann denn Liebe

Lüge sein?» (2014) und «Erfüllende Liebe» (2015).

Internetseiten von Wolfgang Weigand:

https://schritte.ch

https://abschiedsfeiern.ch

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