Horst D. Deckert

Afghanistan: Liebe Taliban:innen!

Nach zwanzig Jahren „Dauerhafter Freiheit“ („enduring freedom“) steht fest, wie lange „dauerhaft“ dauert: 20 Jahre eben. Es war eine teure Dauerhaftigkeit. Hunderte westlicher Soldaten starben in Afghanistan, die dauerhafte Freiheit kostete 59 deutsche Soldaten das Leben und den deutschen Steuerzahler etwa 12,5 Milliarden Euro. War es das wert?

von Max Erdinger

Die Taliban:innen haben weitestgehend kampflos die afghanische Hauptstadt Kabul eingenommen, der bisherige Regierungschef ist ins Ausland geflohen. Endlich Freiheit in Afghanistan. Die Taliban:innen werden in Zukunft tun und lassen können, was sie wollen. Woher nun das deutsche Gejammere darüber, daß alles vergeblich gewesen sei? Noch nicht einmal die afghanische Armee, immerhin 300.000 Mann stark und vom Westen gut ausgerüstet, war Willens, die Freiheit der Taliban:innen zu verhindern. Gäbe es etwas dauerhaftes zu lernen für den Westen?

Freiheit

Abgesehen davon, daß man sich angesichts der Coronahysterie und der Suspendierung von Grundrechten in der westlichen Welt fragt, weshalb in Afghanistan dauerhaft etwas gesichert werden sollte, mit dem der Westen selbst stark fremdelt, ohne daß er das wahrhaben wollte: Das Konzept Freiheit, welches in westlichen Sonntagsreden über den grünen Klee gelobt-, aber schon am folgenden Montag nicht mehr gelebt wird, scheint in anderen Teilen der Welt noch nicht einmal theoretisch den Stellenwert zu haben, der ihm im Westen wenigstens rhetorisch noch zugebilligt wird. Weswegen man im Westen „Enduring Freedom“ vermutlich auch eine „Mission“ genannt hatte. Die Afghanen wollten sich eben nicht missionieren lassen. Jetzt haben sie endlich die Freiheit, auf die behaupteten westlichen Wertvorstellungen zu pfeifen.

Hätte das afghanische Volk in den vergangenen zwei Jahrzehnten die „westlich-dauerhafte Freiheit“ mit derselben Inbrunst haben wollen, mit der sie vom Westen in Afghanistan verteidigt worden war, dann hätten die Taliban:innen nicht derartig leichtes Spiel dabei gehabt, das ganze Land innerhalb weniger Tage nach dem westlichen Truppenabzug unter ihre Kontrolle zu bringen. Es stellte sich heraus, daß die vom Westen hochgerüstete afghanische Armee gar nicht daran dachte, das ganze teure Gerät „bestimmungsgemäß“ zu verwenden. Und so offenbart sich eine weitere westliche Medienlüge. Es war in den vergangenen zwanzig Jahren nie wirklich darum gegangen, den Afghanen zu bringen und zu erhalten, was sie selbst dringend haben wollten. Es ging offenbar immer nur darum, ihnen westliche Wertvorstellungen aufs Auge zu drücken. Aus und vorbei.

Schon konnte man Bilder sehen von Männern, die an einem Strick um den Hals durch die Öffentlichkeit geführt wurden, ihre Gesichter bereits geteert. Kein Zweifel: Die Taliban:innen werden sich in den kommenden Tagen und Wochen fürchterlich rächen an allen, die mit dem Westen kooperiert hatten. Sie werden jede Opposition ausradieren, und das werden sie oft genug auf die bereits vom IS bekannte, bestialische Art tun. Das wird auch viele afghanische Frauen treffen, die westliche Morgenluft gewittert hatten und es sich aufgrund der westlichen Präsenz im Lande erlauben konnten, gegen das islamische Patriarchat zu mobilisieren. Aber auch sie scheinen eine Minderheit in Afghanistan zu sein, die bei weitem nicht die Zustimmung aller afghanischen Frauen hatte.

Millionen von Afghanen seien jetzt auf der Flucht, erfährt man in den westlichen Medien. Und daß erneut eine riesige Flüchtlingswelle auf Europa zurollt.

Westliche Zwangsbeglückung

Das ist das Resultat der westlichen Zwangsbeglückung seit jeher: Es „bessert“ sich nichts. Die Bilder von der amerikanischen Botschaft in Kabul 2021 gleichen denen aus Saigon im Jahre 1975 wie ein Ei dem anderen. Auf den Dächern der Gebäude stehen Menschentrauben, die in Todesangst hoffen, daß sie noch einen Platz in einem der Helikopter finden, mit denen sie vor den anrückenden Taliban:innen in Sicherheit gebracht werden sollen. Einige werden dort oben stehen, während sich die furchtbare Einsicht ihrer bemächtigt, daß kein weitere Helikopter mehr kommen wird. Während die Evakuierung läuft, verbreiten deutsche Medien Bilder von der deutschen Verteidigungsministerin in einer Küchenschürze. Sie leistet Unvorstellbares: 100 Flammekuchen hat sie mit ihren Helferinnen gebacken. Der Erlös aus dem Verkauf soll den Flutopfern im Westen Deutschlands zugute kommen. Der Erlös aus dem Verkauf von 100 Flammekuchen: 600 Euro vielleicht? Vor dem Botschaftsgebäude in Kabul treffen derweilen die ersten Taliban:innen ein. Was ist bodenloser Verrat? Was ist Freiheit? Auch Taliban:innen haben vermutlich eine Meinung dazu.

Vietnam, die Ukraine, Syrien, der ganze „arabische Frühling“: Nicht eines der von diesen Kriegen betroffenen Völker ist davon glücklich geworden. Um „Freiheit“ scheint es auch nicht gegangen zu sein, sondern um Einfluß und Profite. Begreift vielleicht endlich einmal jemand, was hinter dem ganzen Freiheits- und Demokratiegedöns steckt? Begreift endlich einmal jemand, daß Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit Konzepte für ein Zusammenleben sind, die an einer bestimmten Kulturgeschichte hängen? Daß man eine große Mehrheit braucht, die einem solchen generellen Konzept folgen will, weil sie aus sich heraus die Sinnhaftigkeit eines solchen Konzepts erkennt? Und daß es sich nicht per Zwang durchsetzen läßt? Gerade in Deutschland ist mit Händen zu greifen, welche Folgen eine kulturelle Arroganz hat, die unterstellt, daß jeder, der von außen hereinkommt, deswegen käme, weil er diese Konzepte übernehmen will. Der Verfall der Inneren Sicherheit straft diese Arroganz Lügen. Wann endlich wird hierzulande begriffen, daß das eigene, vermeintliche „Gutsein“, in einem globalen Maßstab betrachtet, nichts weiter ist, als ein Synonym für „Vollrausch“? Wann ist endlich Schluß mit der überheblichen Missionierung? Wann werden statt „idealistischer“ Entschlüsse endlich realistische gefaßt?

Realität

Gerade in Afghanistan stellt sich wieder einmal heraus, welche Verheerungen es zeitigt, wenn man seine eigenen idealistischen Vorstellungen an der Realität vorbei als eine Art „Weltbeglückungskonzept“ versteht. Die „Nation“ ist ein europäisches Konzept, das bspw. in Afrika nicht funktioniert. Donald Trump ist Realist mit seinem „America first“ und seinem „Make America Great Again“. Es ist geradezu grotesk, daß ihm dafür der Vorwurf gemacht worden ist, er sei Chauvinist, Egoist oder gar Suprematist. Unzweifelhaft ist er der erste Friedenspräsident der USA seit Jahrzehnten gewesen – und zwar nicht, weil er Chauvinist, Egoist oder Suprematist gewesen wäre, sondern weil er Realist ist, der sich an den tatsächlichen Möglichkeiten orientierte, anstatt global irgendwelche „Visionen des Besseren“ verwirklichen zu wollen.

Donald Trump hat die Grenzen seiner eigenen Möglichkeiten besser erkannt, als jeder Präsident vor ihm. Trump hat von niemandem gefordert, sich der Großartigkeit der Vereinigten Staaten zu unterwerfen, sondern immer wieder betont, daß es ausreicht, wenn sich Amerikaner selbst für großartig halten. Und er hat jede andere Nation dazu ermutigt, sich für großartig zu halten. „Make Hungary Great Again“ – Trump hätte es unterschrieben. Das wäre die Basis gewesen, auf der man miteinander in Gespräche und in Verhandlungen gehen kann. Der Realist Trump hat noch nie von jemandem außerhalb der USA verlangt, daß er die Dinge so sehen müsse, wie er und eine Mehrheit der Amerikaner selbst. Ein elender Großkotz ist etwas anderes als ein Realist.

In der internationalen Politik zählen Interessen, nicht Werte. Weil es keine global gültigen Werte gibt. Überall gelten jeweils andere. Überall aber gibt es Interessen. „Völkerfreundschaft“ ist auch so ein Heiti-Teiti-Wolkenkuckucksheim-Begriff. Bestenfalls kann es so etwas wie Akzeptanz zwischen den Völkern geben. Nie und nimmer wird es gelingen, ein „Weltvolk“ zu schaffen, das ungeachtet seiner internen kulturellen Unterschiede in Frieden miteinander lebt, es sei denn, man unterbände jeden Konflikt mit der Androhung brachialer Gewalt. Das wäre notwendigerweise alles andere als eine freie, demokratische und rechtsstaatliche „Menschheitsgesellschaft“. Der Größenwahn von Globalisten führt geradewegs ins globale Verderben. Das ist Realität.

Akzeptanz

Die westliche Welt wird sich von der Illusion trennen müssen, daß überall auf der Welt die Bereitschaft herrsche, jene kulturellen Leistungen nachzuvollziehen, die in der westlichen Welt Voraussetzung für den Lebensstandard und den Grad individueller Freiheit waren, die wiederum lediglich ihrem Ergebnis nach Verlockungen darstellen. Eine protestantische Arbeitsethik zum Beispiel wird sich nicht überall auf der Welt etablieren lassen, weil die eben nicht überall so verlockend ist wie ihre Ergebnisse, ebenso wenig wird sich eine katholische Gelassenheit im Glauben weltweit etablieren lassen. Bestimmte Resultate haben immer bestimmte Ursachen.

Es ist auch nicht so, daß in den sogenannten „Entwicklungsländern“ niemand lacht und alle den ganzen Tag todtraurig wären. Es gibt keinen Grund, auf einen Afrikaner herabzuschauen, nur, weil er noch nie am Strand gesessen hat, um sich zu überlegen, wie er herausfinden könnte, was wohl hinter dem Horizont liegt und wie es auf dem Mond aussieht. Man wird akzeptieren müssen, daß die eigenen Lebensentwürfe eben die eigenen sind und daß sie nicht verallgemeinerungsfähig sind. Was man tun kann, das ist, sein eigenes Land nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten, so daß es sich zum Vorbild nehmen kann, wer das will, ohne daß es deswegen jeder müsste. Das westliche Lebensmodell ist keines für die ganze Welt und das wäre eigentlich eine beruhigende Einsicht, weil dadurch auch klar wäre, daß der westliche Ressourcenverbrauch nicht moralisch danach zu beurteilen sein kann, ob ihn jeder Mensch weltweit erreichen kann und was das dann für Probleme verursachen würde.

Wofür man sorgen muß, ist, selbst unangreifbar zu sein. Man muß dafür sorgen, das Eigene verteidigen zu können. Angreifen muß man niemanden.

Afghanistan ist der Beweis

In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurde in Afghanistan viel Infrastruktur von westlichem Geld repariert und neu gebaut. Das fällt jetzt den Talban:innen in die Hände, den erklärten Feinden westlicher Lebensweise und westlicher Werte. Die Westlichkeit der Perser unter der Knute des Schahs fiel vor über vierzig Jahren den iranischen Mullahs zum Opfer. Der Libanon, vor einem halben Jahrhundert noch die „Schweiz des Nahen Ostens“, ist seit Dekaden Bürgerkriegsgebiet. Der zunehmende Einfluß des Islam ist in allen Fällen eine der Ursachen dafür. Afghanistan ist der aktuelle Beweis dafür, daß man den Islam mit den Augen eines Moslems sehen müsste, um ihn für erstrebenswert zu halten. Wer keine islamischen Augen hat, der sieht es eben nicht. Umgekehrt ist es genauso. Ein strenggläubiger Moslem erkennt den Wert westlicher Werte nicht.

Man wird in der westlichen Welt Abschied nehmen müssen von der Arroganz, mit der man unterstellt, es gebe nichts erstrebenswerteres auf der Welt, als „Westler“ im weitesten Sinne zu werden. Man wird akzeptieren müssen, daß es Kulturen gibt, die es aus sich heraus nicht schaffen werden, in dem anzukommen, was man selbst als „die Moderne“ begreift. Und man sollte sich überlegen, ob man mit solchen Kulturen wirklich kooperieren will, indem man sie mit Gütern, Medikamenten und wissenschaftlichen Errungenschaften versorgt, die selbst hervorzubringen solche Kulturen nicht imstande wären. Kurzfristiger Profit ist nicht alles. Vielleicht sollte man sie stattdessen einfach sich selbst überlassen. Afghanistan ist der Beweis dafür, daß man es wohl besser bleiben lassen sollte, sich dort einzumischen. Vielleicht sollte man den „Arsch der Welt“, respektive das, was einem so vorkommen kann, einfach das sein lassen, wofür man ihn eben hält. Vielleicht ist „Entwicklung“ überhaupt eine fixe Idee.

Was man unzweifelhaft tun kann, das ist, das Eigene zu bewahren. Über die Taliban:innen kann man denken was man will, aber man kann nicht bestreiten, daß sie da zuhause sind, wo man sich gerade zurückziehen musste. Daß sie dort zuhause sind, hat Ursachen, für die im Westen niemand etwas kann. Fest steht: Die afghanische Armee hat nicht einmal halbherzig versucht, das Land vor den Taliban:innen zu „retten“. Dafür gibt es Gründe. Die Taliban:innen scheinen innerhalb Afghanistans nie in dem Maße abgelehnt worden zu sein, wie man uns das in unseren Medien weismachen wollte. Weit mehr Afghanen als angenommen scheinen die westlichen Truppen im Lande nicht als Freiheitsgaranten gesehen zu haben, sondern als Besatzer. Was man ebenfalls tun kann, das ist, die zu erwartende Flüchtlingswelle aus Afghanistan nicht wieder umzudefinieren in arme Schutzsuchende, die nichts sehnlicher wollen, als eben zu leben wie Deutsche. Realistischerweise angezeigt sind vielmehr erheblicher Argwohn und äußerste Vorsicht.

Politisch muß gelten, daß es keinerlei Zusammenarbeit mit den Taliban:innen geben wird, so lange nicht feststeht, daß alle diejenigen, die vor ihnen geflohen sind, ohne Angst um Leib und Leben wieder nach Afghanistan zurückkehren können. Zeit, sich endlich aus Globalwolkenkuckucksheim zu verabschieden und die Dinge so zu nehmen wie sie sind: „Mia san mia – und die andern san ganz andere.“ Und vor allem sollte man sich von dem Freiheits- und Demokratiegeschwätz nicht länger mehr ins Bockshorn jagen lassen, mit dem kriegerische Interventionen in aller Welt traditionell begründet werden. Diese pseudomoralischen Begründungen dienen lediglich der Verschleierung ganz anderer Absichten und Interessen. Es sind nie die Interessen der Völker, um die es dabei geht, sondern immer die von Mächtigen. Man darf sich nicht länger mehr vor deren Karren spannen lassen. Westliche Werte haben ihre Gültigkeit im Westen, sonst nirgends.

Freiheitsgaranten

Der einzige Freiheitsgarant ist der kollektive Wille zur Freiheit innerhalb einer Nation, in der eine kulturelle Hegemonie gepflegt wird. Die Renaissance des Nationalstaats ist deshalb zwingend, ganz egal, ob es sich dabei um den deutschen oder irgend einen anderen Nationalstaat handelt. Donald Trump und Viktor Orban haben das begriffen. Der Nationalstaat ist die einzige, einigermaßen zuverlässige Garantie für die dort versammelten Freiheitsliebenden, daß sie ihr Leben nach ihrer eigenen Facon führen können. Wo es diese Freiheitsliebe nicht gibt, ist der Nationalstaat eben Garant dafür, daß auch das so bleibt. Wie eben in Afghanistan oder im Iran. Nicht unser Bier.

Dennoch hört man in diesen Tagen bereits wieder Aufrufe, wenigstens die afghanischen Frauen vor den Taliban:innen zu „retten“. Meinemeinen kommen solche Forderungen merkwürdig vor, sobald er sich überlegt, daß sie in einem Land erhoben werden, in dem längst „feministische Taliban:innen“ das Regiment übernommen haben und wo Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ebenfalls stark erodiert sind. Überhaupt wäre es einmal eine Überlegung wert, ob es hinsichtlich der Freiheit einen fundamentalen Unterschied macht, wenn man statt unter der Scharia in einer ökosozialistischen Diktatur zu leben gezwungen ist.

Zumindest für Deutschland gilt, daß sich am 26. September der globalistisch-internationalsozialistische Wahnsinn mitsamt dem ökosozialistischen Wahnsinn wenigstens aus der Diskurshoheit derjenigen entfernen ließe, die bis heute die Richtung vorgegeben haben. Wenn es auch nicht viel ist, so sollte man es dennoch unterlassen, den Altparteien seine Stimme zu geben. Die Zwangsvorstellung, die man in diesem globalistischen Marionettentheater besuchen muß, endet sonst nie. Die CDU ist keine wirkliche Alternative zu den Grünen, die SPD ist keine zur Linken, die FDP ist keine zur AfD. Deutschland- aber normal: Das geht am ehesten nur noch mit der AfD. Wenn es mit der nicht gehen sollte, dann geht es nie mehr. Was bleibt einem also übrig, als es wenigstens zu versuchen? Das ist hier keine Wahlempfehlung. Das ist nur Logik.

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