Horst D. Deckert

Was war Afghanistan, wenn nicht die pure Absicht? Einem Leser platzt der Kragen.

Über eine E-Mail Liste hat mich ein Text erreicht, in dem es über das Ende mit Schrecken in Afghanistan geht. Er so gut ist, dass ich ihn dem weiteren Publikum nicht vorenthalten möchte. Wer ihn verfasst hat ist mir unbekannt, daher möchte ich mich beim Autor entschuldigen, falls er mit dem Abdruck nicht einverstanden ist. An einigen Passagen lässt sich herauslesen, dass er sich von meinen Beitrag über Afghanistan inspirieren ließ. Ich muss allerdings zugeben, dass er sich dabei wesentlich besser ausgedrückt hat als ich. Vor allem hat er es geschafft, jene Wut in die Zeilen zu packen, die auch ich bei dem Thema empfinde.

In Afghanistan wurde sehenden Auges in dramatischer Weise so viel falsch gemacht, dass es schwer fällt, etwas anderes dahinter zu sehen als die pure Absicht

Die explosive Geburtenrate

Bürgerkriege werden oftmals von einer hohen Geburtenrate weitergetragen, da den Konfliktparteien dadurch dauerhaft genug indoktrinierte Masse und Kanonenfutter zur Verfügung steht. Das ist kein Geheimwissen, sondern es ist seit jeher und auch aus anderen Kulturen bekannt. In einer derart aufgewühlten und kaputten Gesellschaft wie der afghanischen lässt sich letztlich nur über den Hebel der Demografie eine gewisse Ruhe herstellen. Andernfalls wächst dort rein gar nichts, außer der Nachschub für die Extremistenrektrutierung.

In Afghanistan mögen andere dominante Faktoren existieren. Doch man muss nicht studiert haben, um zu sehen, dass der ewige Kriegszustand des Landes auch von der exorbitant hohen Geburtenrate aufrecht erhalten wird. Im Jahr 2000 lag diese bei unglaublichen 7 Kindern pro Frau, heute sind es noch immer 4,5. Das ist zu viel für eine entscheidende demografische Wende in einer begrenzten Zeit und zu wenig, um die Wahrscheinlichkeit für einen nachhaltigen militärischen Erfolg zu maximieren.

Die Besatzer hätten gleich zu Beginn ihrer Präsenz ein Geburtenkontrollprogramm mit starker Steuerungswirkung auflegen müssen. Es hätte beispielsweise ausgereicht, im ganzen Land und auf allen Kanälen eine fortgesetzte Werbekampagne zu betreiben, in deren Rahmen Frauen mit 2 Kindern im Alter von mindestens 5 Jahren (=aus dem gröbsten raus; auf dem Land vielleicht ab 3 Kindern) eine Prämie von 500 Euro erhalten, wenn sie sich im Gegenzug eine Spirale zur Verhütung einsetzen lassen. Da eine Prämie in dieser Höhe in Afghanistan auch heute noch einem kleines Vermögen darstellt, gehe ich davon aus, dass vermutlich die große Mehrheit der Afghaninnen dieses Angebot angenommen hätte.

Selbstverständlich wäre die Billigung der Imame des Landes notwendig gewesen. Aber auch das scheint nicht unwahrscheinlich, da die Verhütung im Islam als wesentlich unkritischer erachtet wird als im Christentum. Eventuell hätte es zur Beseitigung eventueller Widerstände sogar Sinn gemacht, die Imame in die Prämienstruktur miteinzubeziehen, zumal sie auch bei anderen Themen wie dem Problems der Cousinenheirat hätten behilflich sein können.

Die Kosten für ein solches Geburtenkontrollprogramm hätten sich voll ausgebaut pro Jahr vermutlich auf irgendwas zwischen 300 und 600 Mio Dollar belaufen, also durchaus einer stattlichen Summe. Sie verblasst jedoch im Verhältnis zu dem, was militärisch und über die Entwicklungshilfe dort ausgegeben wurde, vor allem da die militärischen Ausgaben und jene für Mädchenschulen, wie sich aktuell gerade zeigt, allesamt vergebens waren. Ein Geburtenkontrollprogramm dagegen hätte in der Sache auch nach einer militärischen Niederlage gegen die Taliban zum garantierten Erfolg geführt.

Als kleiner Nebenbonus hätte das Programm dazu die afghanische Wirtschaft breitflächig beflügelt, da fast jede Familie eine Prämie erhalten hätte. Vor allem in den ersten Jahren wäre die wirtschaftliche Entwicklung dadurch rasant verlaufen mit einem Anteil des Programms am BIP von 5-15%. In der Realität war es dagegen so, dass in Afghanistan zwar sehr viel Geld ausgegeben wurde. Allerdings konnte sich daran lediglich die Brigade der in den Entwicklungshilfeorganisationen beschäftigten Bessermenschen reich stoßen, während sie sich in der grünen Zone Kabuls von ebenso teuren Söldnern aus aller Welt beschützen ließen.

Der Strom kommt aus der Lehmwand

Auf anderer Ebene frage ich mich auch, mit welchen Mitteln die Besatzungstruppen abends eigentlich das Licht in der Kaserne angemacht haben. Die installierte Kraftwerksleistung Afghanistans liegt heute bei weniger als 750 MW, wobei knapp die Hälfte davon sogar noch aus der Zeit von vor dem Einmarsch der – Achtung, festhalten! – Sowjetunion stammt. Zur Einordnung: Das war zu einer Zeit, als Afghanistan weniger als 12 Millionen Einwohner hatte und die Fernseher der Welt zu einem Gutteil noch schwarzweiß waren.

Die Information mit dem mehr oder weniger inexistenten Kraftwerkspark in Afghanistan ist mir selbstverständlich nicht aus den Mainstream Medien bekannt (auch nicht aus jenen der GEZ, weil die Berichterstattung über Afghanistan nur dann zur Grundversorgung gehört, wenn es politisch etwas zu gewinnen gibt). Vielmehr fand ich die Angabe auf einem dieser zwielichtigen Verschwörungstheoretikerblogs, wo man auf der einen Seite zwar umfassender informiert wird, jedoch alles besser 2x prüft.

Immerhin verlinkte der Blog zu Wikipedia mit einer Liste afghanischer Kraftwerke, so dass zumindest einmal die halbe Wahrheit vorlag, da bekanntlich auch Wikipedia gerne mal schlampt. Daher habe ich mir die Arbeit gemacht und mir in der Hoffnung auf brachiale Fake News noch eine weitere Quelle hinzu recherchiert. Am Ende bin ich bei der Weltbank gelandet, also jener Institution, die einstmals zur Finanzierung derartiger Projekte geschaffen wurde (siehe hier). Leider meint aber auch die Weltbank, dass sich energiepolitisch im Afghanistan der Jahre nach 2001 quasi gar nichts getan hat.

Kraftwerke als Sicherheitshebel

Mein Gott, denke ich mir bei so etwas. Die hatten 20 Jahre lang Zeit, um wenigstens die gröbsten Missstände zu beseitigen, aber sie haben rein gar nichts unternommen. Dabei lagen nicht einmal deutsche Planungs- und Umweltvorschriften vor! Zumindest die Städte in den nördlichen und westlichen Grenzregionen des Landes hätten sie in den ersten 5-10 Jahren mit der Ausschreibung eines Großauftrags relativ rasch mit eigenen Kraftwerken ausstatten können.

Die zur Versorgung notwendigen Pipelines wären größtenteils in den sicheren (und erdgasreichen) Nachbarländern verlaufen, wobei der Iran bei einer Einbeziehung in die Versorgung sogar einen triftigen Grund erhalten hätte, die von dort kontrollierten Dschihadisten Afghanistans von jenem Teil der Infrastruktur fernzuhalten, der mit der Energieversorgung verbundenen ist. Mit dem Bau der Pipeline von Turkmenistan nach Pakistan – mit deren Planung nebenbei bemerkt im Jahr 1995 begonnen wurde und damit im selben Jahr, als auch die Planung des BER begann – hätte selbiges auch für jene Dschihadisten gegolten, die vom ISI kontrolliert werden. Und wer weiß, wie sich die Auslandsabteilung der chinesischen Stasi im weiteren Verlauf verhalten hätte, wenn dort sagen wir 5 der 50 benötigten Kraftwerke bestellt worden wären.

Als interessierter Laie stelle ich wirtschaftlich gesprochen fest, dass bei der Frage nach dem Aufbau einer gesamtafghanischen Energieinfrastruktur ein begrenztes Risiko vorlag, während gleichzeitig ein gigantisches und wachsendes Nachfragepotenzial darauf wartete, endlich bedient zu werden. Gleichzeitig wäre quasi im Vorbeigehen bei sämtlichen Nachbarn Afghanistans das intensive Interesse an der Stabilität in Afghanistan geweckt worden. Schließlich hätten die Kraftwerke für eine aus der Entwicklungsperspektive wünschenswerte Verstädterung gesorgt, da nicht mehr jedes Bergdorf mit Bildung, Medizin, Strom und Wasser versorgt werden muss, sondern nur noch eine Wohnsiedlung neben der nächsten.

Nichts, Nada, Null!

Im Zusammenhang mit dem Afghanistaneinsatz sind mit etliche weitere Beispiele für krasses Missmanagement aufgefallen und das selbst ohne die Betrachtung genuin militärischer Aspekte (zB zurückgelassene Waffendepots). Ganze Generationen aufeinanderfolgender Generalstäbe haben das Offensichtliche in ihrer Tätigkeit nicht begriffen, während fünf Wahlperioden an Politikern Unmengen an Geld dorthin gepumpt haben und dabei ihr bestes gaben, sich nicht mit dem Ort oder dem Einsatz verknüpfen zu lassen.

Das schlimme an dem Versagen ist, dass dieses nicht nur auf die deutsche Elite zutrifft, zumal wir deren Versagen schon anderweitig gewohnt sind. Vielmehr sitzen sämtliche Eliten aller beteiligten Länder mit im Versagerboot. Es gab eine Vielzahl unterschiedlicher und geld- und bedeutungsschwerer Perspektiven auf das vorliegende Problem, doch sie alle haben gemeinsam in einer für mich unfassbar dilettantischen Weise versagt. Dabei hätte ein einziger kompetenter und entschiedener General, Politiker oder hoher Beamter aus einem der beteiligten Länder ausgereicht, um den entscheidenden Impuls zu geben. Denn am Ende des Tages sind es vor allem Privatinvestoren, die solche Projekte stämmen. Diesen hätte man glaubwürdige Sicherheitsgarantien anbieten müssen und dann wären sie um des Geldes wegen gekommen. Offenbar ging einfach nichts von den Verantwortlichen aus, was diese Basis hätte schaffen können.

Ich frage mich, wie kann das nur sein? Wenigstens die Militärs sollten doch in der Lage sein, das Notwendige vom Gewünschten zu trennen und sich über Versuch und Irrtum einen Pfad zu erarbeiten, aus dem sich dann systematisch zielführende Planszenarien entwickelt lassen. Vergegenwärtigen Sie sich einmal das Ziel, das in Afghanistan nach 20 Jahren des teuren Sammelns von Erfahrungen erreicht wurde: Es ist die ultimative Katastrophe! Und ich rede weiterhin nicht von der militärischen Seite des Abenteuers und auch nicht von der diplomatischen, der religiösen und auch nicht über den humanitären Abgrund des losgetretenen Flüchlingstsunami. Es geht einzig und allein um den strukturellen Zustand Afghanistans. Nichts hat sich in den letzten 20 Jahren an dem erbärmlichen Lehmhüttenzustand Afghanistans geändert. Absolut rein gar nichts!

Entwicklung als Trotzzustand

Mehr Beton gibt es heute zwar in dem Land, allerdings wurde dieser in Bunkern und Straßensperren verbaut. Auch besitzen die meisten Afghanen heute ein internetfähiges Smartphone, was als großer Fortschritt zu erachten ist. Auf der anderen Seite fällt dann allerdings auf, dass sich nicht die NATO für die Smartphonedurchdringung des Landes verantwortlich zeichnete, sondern größtenteils das kommunistische China mit seinen Billigprodukten für den Weltmarkt. Nebenbei werfen die 20 Millionen afghanischen Smartphones auch die Frage auf, wie viel Strom eigentlich für alles andere übrig bleibt, wenn man den Sendemastenbetrieb und das Laden der Geräte vom Gesamtstromangebot des Landes abzieht. Ich fürchte, es reicht gerade so, um in der grünen Zone die Klimaanlagen am laufen zu halten.

Fakt ist, dass sich die wenigen positiven Aspekte in Afghanistan in den letzten 20 Jahren nicht wegen der Besatzung herausgebildet haben, sondern trotzdem. Seitdem mir das klar wurde, liegt es quer in meinen Kopf und will einfach nicht passen. Wie kann man etwas nur in einer derartigen Weise vergeigen? Blinde Hühner finden manchmal ein Korn und jede kaputte Uhr geht 2x richtig am Tag. Im Bezug auf die Besatzung Afghanistans muss das Huhn von Beginn an aus Gummi gewesen sein und die kaputte Uhr war offenbar eine digitale. Dennoch will unter den Verantwortlichen 20 Jahre lang niemandem aufgefallen sein, dass etwas nicht ganz richtig läuft und wo genau der Schuh drücken könnte (=> Energie & Demografie).

Abzug dann, wenn es die Sicherheitslage erlaubt“

Am entlarvendsten an an der Farce in Afghanistan ist in meinen Augen aber etwas militärisches und es betrifft vor allem die US-Militärführung, darunter Generalstabschef Milley, der kürzlich auch zum Thema des modernen Linksextremismus reüssiert hat. Trump trat 2016 mit dem Versprechen an, endlich aus Afghanistan abzuziehen. Hinter den Kulissen hat er auch tatsächlich immer wieder darauf gedrängt (siehe hier).

In dem Text wird aus der Perspektive des pensionierten Oberst Douglas Macgregor erzählt, wie er im letzten Amtsjahr von Trump durch diesen beauftragt unter Hochdruck einen Plan zusammenstellte, um den Abzug noch vor Ende des Jahres realisieren zu können. Kurz vor Jahresende hätte der Plan umgesetzt werden können. Allerdings ließ sich Trump dann ein letztes Mal einmal vom Generalstab davon überzeugen, dass es besser sei, den endgültigen Abzug noch einmal nach hinten zu verschieben. So lange, „bis es die Sicherheitslage erlaubt“.

Selbiges war im Tenor auch in den Jahren zuvor immer der Grund, weshalb es nicht zu einem kompletten Abzug der Truppen kam. Trump und wahrscheinlich auch Bush und Obama ließen sich immer wieder vom Militär vom Bleiben überzeugen, weil es die Sicherheitslage nicht erlauben würde. Es ist aber auch ein wirklich bequemes Argument. Dabei ist das Vertrauen der Präsidenten in ihr Militär und deren besseres Wissen in der Sache durchaus nachvollziehbar, denn immerhin widerspricht dem Präsidenten in einer kritischen Angelegenheit niemand ohne triftigem Grund.

Der Pfad war glasklar vorgegeben

Als Metathema für die militärische Planung des restlichen Afghanistaneinsatzes lässt sich daraus ableiten, dass mit Trumps Insistieren auf einen Abzug spätestens ab 2017 der geordnete Rückzug ganz oben auf der militärischen Agenda stehen musste. Daraus wiederum abgeleitet stand für die Zeit nach dem Abzug die Erhaltung der Sicherheit in dem Land ganz oben auf der Prioritätenliste. Am praktischen Ende dieses Ziels bedeutet es, dass das afghanische Militär und alle sonstigen staatlichen, quasistaatlichen und privaten Sicherheitskräfte in einen Zustand gebracht werden mussten, um dem wahrscheinlichen Ansturm der Taliban standhalten zu können. Das dauert dann so lange, bis diese sich irgendwann entweder totgelaufen haben, oder das afghanische Militär stark genug ist für den entscheidenden Schlag, oder das afghanische Leben weitergeht und die Taliban für die Menschen im Land ihren Reiz verlieren.

Da Trumps Ansagen glasklar waren und intern als Begründung für das Herauszögern des Abzugs stets die Sicherheitslage in Afghanistan genannt wurde, lässt sich feststellen, dass Milley und Kollegen genau wussten, worin ihr Auftrag bestand und sie waren sich darüber hinaus auch der Prioritäten bewusst, die es dabei zu beachten galt.

Für die Vorbereitung und Durchführung eines geordneten Abzugs hatte das Militär damit eine Vorlaufzeit von mindestens vier Jahren. Zur Verfügung stand den Generälen dabei ein Apparat bestehend aus tausenden kriegs- und afghanistanerfahrenen Karriereoffizieren mit vermutlich jeder Qualifikationen, die sich auf dem Planeten finden lässt. Von Geologen bis Gynäkologen und Kraftwerkselektrikern war vermutlich alles dabei. Dazu kam ein Budget, das sich effektiv als unbegrenzt bezeichnen lässt, da man es in einem Jahr erst einmal schaffen muss ~700 Mrd Dollar auszugeben und das Wechselgeld in der Portokasse wohl nicht selten 9-stellig ist. Geld für den geordneten Rückzug und das Schaffen eines dauerhaften Problems für die Taliban, möchte ich damit sagen, war mehr als genug vorhanden.

Der ultimative militärische Rohrkrepierer

Wenn man vier Jahre lang für etwas Zeit hat und weiß was dabei wichtig ist, während es sich dabei sogar noch um etwas handelt, das sich als Kernkompetenz bezeichnen lässt und überdies eingehende Erfahrungswerte vorliegen – wie kann es dann sein, dass nach kürzester Zeit dennoch alles in sich zusammenfällt? Was haben die Militärs in den vier Jahren getan? Däumchendrehen? Die müssen doch gewusst haben, was im Vakuum nach dem Abzug passieren wird, wo es passieren wird und wie es passieren wird. So etwas gehört zum Einmaleins des militärischen Denkens. Sie sind darin ausgebildet, sich permanent solche Szenarien auszudenken. Es ist schlichtweg unmöglich, dass im massiven Vormarsch der Taliban aktuell eine gänzlich unerwartete Überraschung vorliegen könnte.

Warum hat das Militär sich selbst und das Land nicht darauf vorbereitet? Oder: Warum haben sie sich vorbereitet, dann allerdings nicht danach gehandelt? Mit dem Wissen darüber, was am wahrscheinlichsten geschehen wird, lassen sich systematisch Rückzugsgebiete, Sicherheitszonen und irgendwelche Bunkeranlagen und Waffenvorräte anlegen. Im Ergebnis minimiert sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Taliban in der Lage sind, in kürzester Zeit alles überrennen, wobei danach schlimmstenfalls ein Stellungskrieg droht. Dabei handelt es sich nicht um militärisches Expertenwissen, sondern einfach nur um gesunden Menschenverstand. In vier Jahren lässt sich so etwas durchaus vorbereiten, so stark sind die Taliban militärisch und zahlenmäßig nicht. Das zeigt sich an deren Agieren im Schatten.

Warum hat das US-Militär nicht 500 Mio Dollar auf den Tisch gelegt und wie auch immer Blackwater aktuell gerade heißen mag damit beauftragt, in den kommenden zwei Jahren jedes Mal dann in ein Gefecht einzusteigen, wenn ein kritischer Punkt verloren zu gehen droht? Die sind doch sonst nicht so drauf und ihnen müsste doch eigentlich auch bekannt sein, was in Afghanistan strategisch von welcher Bedeutung ist und wie viel die Verteidigung einer bestimmten Stellung militärisch kostet.

Militärisches Nullmalnull

Vier Jahre Vorbereitungszeit sollten ausreichen und wenn sich schon nicht das ganze Land retten lässt, so wäre es möglich gewesen, in verschiedenen Regionen strategisch günstig gelegene (und subsistenzfähige!) Festungen zu bauen, an denen sich die Taliban die Zähne ausbeißen. Immerhin besteht Afghanistan aus einer Unzahl an Tälern, deren Verteidigung sich auf die beiden Eingänge beschränkt. Das heißt: Bunkertechnik und eine entsprechende Ausbildung für die Verteidiger. Das ist kein Hexenwerk, sondern solides Kriegshandwerk.

Auch die Patrouille der Bergrücken hätte für die Afghanen durchaus im Bereich des Möglichen gelegen. Nur Not ließe sich das sogar mit günstigen Amateurmodellflugzeugen und internetfähigen Kameras bewerkstelligen. Beides bietet das kommunistische China zu günstigen Preisen an, und dank Internetkultur wissen wir, dass selbst Affen dazu in der Lage sind, Drohnen kontrolliert fliegen zu lassen. Der Faktor mit den afghanischen Analphabeten wäre damit ebenfalls abgedeckt.

Ich kann einfach nicht glauben, dass die Geschichte gerade so endet, wie sie es tut und es macht mich es absolut wütend, wie diese hochbezahlten und hochdekorierten Militärs mitsamt ziviler Verwaltung und Expertenstab trotz jahrzehntelanger Zeit, Milliardenbudgets und triftigem Anlass nicht einmal das Nullniveau des Mindesten erreichen konnten. Afghanistan steht heute buchstäblich wieder da, wo es in den 1990er Jahren stand. Mit Smartphones zwar, dafür aber auch mit der doppelten Bevölkerungszahl. Ansonsten sehe ich NULL Änderung. Nicht einmal bei den Burkas kam es zu einer Innovation. Sie haben immer noch alle die selbe Farbe und den selben Schnitt für die Augen.

Nichts am Verlauf des Afghanistaneinsatz ergibt Sinn

Die gesamte Sequenz, die in Afghanistan abgeliefert wurde, ist so unsäglich dumm, ich kann mir absolut keinen Reim darauf machen. Mein Bild in der Sache wird immer nur dann stimmig, wenn ich in die verschwörungstheoretische Perspektive wechsle und den Verantwortlichen Absicht unterstelle. Sie wollten es genau so wie es gerade läuft und haben alles dafür unternommen, um in Afghanistan und anderswo den maximal möglichen Schaden anzurichten und zwar während des Einsatzes und danach.

Mein Problem damit: Mir fallen dafür keine möglichen Motive ein. Es lief einfach alles viel zu schwachsinnig ab, als dass sich für mich irgendein noch so verrücktes Muster hätte herausbilden würde. Mir kommt es vor, als hätten die Beteiligten alle einfach nur bei jeder Gelegenheit die dümmstmögliche Entscheidung getroffen. Man muss sich das einmal vorstellen: Es gibt etwas derart idiotisches, dass sich daraus nicht einmal eine plausible Verschwörungstheorie ableiten lässt. Denn selbst der Winkelzug über die Schaffung eines Problems für das benachbarte kommunistische China fällt bei näherem Hinsehen flach. Einmal, weil die unwirtliche und unüberwindliche Grenzregion eine natürliche Barriere darstellt. Und dann auch, weil China einen umso größeren Anlass für einen entschiedenen Eingriff in Afghanistan hat, je schlimmer die Situation dort außer Kontrolle gerät. Nicht zuletzt hätte ein starkes Afghanistan an der Seite USA eine großartige Front gegen die Weltmachtpläne der Kommunisten in Peking abgegeben.

Wer weiß, vielleicht war es auch ein Sammelsurium aus unterschiedlichsten Motiven, die in ihrer Summe einen einmaligen Zitronenmarkt erschufen, der sich daraufhin zuverlässig selbst vernichtete. Was mich daran zweifeln lässt, ist aber eben diese Zuverlässigkeit, mit der alles den Bach runter ging. Zitronenmärkte können sich immer nur so lange halten, wie die dominanten Faktoren für dessen Aufrechterhaltung konstant bleiben. Verschiebt sich ein Faktor, dann kann durchaus eine Situation entstehen, in der sich der Markt zu einem neuen, besseren Gleichgewicht hinbewegt und aus der Falle herauskommt. Verschoben hat sich zumindest beim Personal ständig etwas.

Man hätte nur das Licht einschalten müssen

Meines Erachtens hätte der entscheidende Impuls für die Entwicklung Afghanistans noch vor der Demografie über die Energieinfrastruktur erfolgen können. Ein einziges neues Großkraftwerk in Kunduz oder einer anderen Großstadt an der nördlichen Grenze hätte eventuell sogar ausgereicht, um am Ende ganz Afghanistan herumzureißen. Mit der dafür benötigten Pipeline wäre die Basis für weitere Kraftwerke geschaffen worden und die neuen Möglichkeiten mit der Menge an zuverlässigem Strom wären einer ganzen Region zugute gekommen. Beispielsweise für eine große Eisenschmelze, in der die vielen noch immer über das Land verstreuten sowjetischen Panzerwracks zu etwas brauchbaren hätten verarbeitet werden können. Eisenbahnschienen etwa.

Oder vielleicht ein Zementwerk als Basis für billige Baustoffe für die stark wachsende Bevölkerung. Laut Suchmaschine wurde 2016 das erste Zementwerk des Landes eröffnet. Übersetzt bedeutet es, dass sie 16 Jahre dafür benötigt haben, um den Zement für ihre Bunker endlich nicht mehr teuer über Pakistan anliefern lassen zu müssen. Dieser Zeitraum ist genauso peinlich wie die Ausrede der „fehlenden Facharbeiter“ als Begründung für die verzögerte Entwicklung. In jedem einzelnen Nachbarland Afghanistans hätte es sicherlich eine ganze Brigade von diesen gegeben, die sich für steuerfreie 30.000 Dollar liebend gerne hätten anheuern lassen, um von mir aus im hermetisch von der Außenwelt abgeriegelten Produktionskomplex in den ersten Jahren für den Betrieb zu sorgen, bis genug Eigengewächse herangezogen sind.

Ähnlich bedeutend wären aufgrund der Bevölkerungsentwicklung Düngemittelfabriken gewesen, von denen es in Afghanistan genau eine gibt (siehe hier). Vermutlich stammt auch sie noch aus der Zeit von vor dem Einmarsch der Sowjetunion. Dennoch hätte sie als Ausbildungsbetrieb für weitere Fabriken völlig ausgereicht. Eine zügige Entwicklung in dieser Beziehung wäre also durchaus möglich gewesen. Nebenbei erzählt der Artikel übrigens noch von den sagenhaften Rohstoffvorkommen des Landes. Über die hat man in den letzten Jahren auch nichts mehr gehört. Warum auch immer.

Der seltsame Unwille, in Afghanistan zu gewinnen

Schuld am fehlenden Entwicklungsschub Afghanistans sei laut dem Dünger-Rohstoff-Artikel die „Vetternwirtschaft“ im Land. Nicht die Militärs und auch nicht die zahllosen Entwicklungshelfer und -helferetten sind schuld an der Misere, auch wenn sie einfach mal so 20 Jahre lang vergaßen, dem Land zu einer nennenswerten Energieinfrastruktur zu verhelfen. Die Afghanen seien schlichtweg selbst schuld daran, nachdem ihnen vier Jahrzehnte lang alles geraubt wurde und sie daher in der Folge einen Tick zu sehr darauf zu achten begannen, das Geld in der Familie zu halten. Dabei dachte ich ursprünglich einmal, dass der Militäreinsatz in Afghanistan genau deswegen stattfindet, also um diese kritische Lücke in der afghanischen Mentalität stopfen zu helfen, damit die Menschen dort wieder sukzessive zu sich selbst finden und darauf aufbauend eine neue gegenseitige Vertrauensbasis entsteht.

Für mich deutet der Artikel auf eine mit simplistischen Fehlannahmen durchsetzte Mentalität hin, die in den höheren Ebenen der Einflussnahme wohl überall herrschen muss. Denn mit gesundem Menschenverstand kommt man sicherlich zu anderen Schlüssen. Es unterstreicht, wie wenig in den Entscheiderzirkeln über den eigentlichen Zweck der Übung nachgedacht wird und für wie heilig und über den Dingen stehend man sich dort oben wähnt. Dennoch bleibe ich dabei. Afghanistan, so wie es lief, war Absicht. Nichts und niemand kann in der vorgeführten Weise so nachhaltig dumm agieren. Nicht, wenn das Gewinnen so leicht ist, nicht wenn so viele Abzweigungen entlang des Weges auf einen warten und nicht wenn so viele Menschen involviert sind, die teuer dafür bezahlt werden, dass sie es besser wissen.

Quelle Titelbild

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