Wahlkampf 1930 (Foto:Imago/AGBFoto)
Die Krise der Parteien wird zur Staatskrise: Noch nie war die öffentliche Meinung zerrissener, die Republik gespaltener als heute. Übernächsten Sonntag könnten wir die letzte Bundestagswahl vor dem ganz großen Knall erleben, vor einer politischen Instabilität also, wie sie dieses Land seit 90 Jahren nicht mehr gesehen hat. Dass keine zwei Parteien zusammen eine Mehrheit bilden können und somit das einstige demokratiebedenkliche Schreckgespenst einer „Großen“ Koalition sozusagen vom anderen Extrem her verunmöglicht ist, könnte sich als geschichtlicher Kipppunkt erweisen. Doch auch die Umfrageergebnisse der ebenfalls anstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin erinnern an die Spätphase von Weimar.
Relativ betrachtet gibt es natürlich Sieger: So könnte der 26. September zum „großen Triumph“ für die SPD werden – mit nicht einmal einem Viertel der Wählerstimmen, was vor nicht allzulanger Zeit zum historischen Debakel gereicht hätte. Doch nicht nur deswegen, sondern auch wegen der Umfragewerte fürs die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus gehen die Genossen vor Enthusiasmus steil: In der Hauptstadt winken ihnen aktuell 21 Prozent und damit ein Punkt mehr als den Grünen – obwohl dies schon wieder ein leichter Rückgang gegenüber der letzten Infratest-Umfrage ist. Richtig rund läuft es wohl nur für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, wo die SPD im „ZDF-Politbarometer“ satt vorn liegt, wie „dts“ schreibt – mit gegenüber dem Bundesresultat traumhaften Werten von 38 Prozent. Das ist tatsächlich respektabel – ganz anders als die Scholz-Werte im Bund, die diesen allenfalls als Einäugigen gegenüber Blinden ausweisen.
Gänzlich deplatzierte Euphorie
Noch erbärmlicher ist in Berlin die Laschet-Truppe aufgestellt: Die CDU kommt laut „Politbarometer“ in Berlin nur mehr auf 17 Prozent, die Linke auf 12, die AfD auf 9, die FDP auf 8 Prozent. Die Summe aller kleineren Mitbewerber liegen bei rekordverdächtigen 13 Prozent, keine davon wird aber separat ausgewiesen – was faktisch bedeutet, dass fast ein Siebtel der Hauptstadtwähler lieber unbedeutenden Splittergruppen ohne Aussicht auf parlamentarische Vertretung seine Stimme schenkt, als eine der etablierten Parteien oder der AfD fürs Abgeordnetenhaus zu favorisieren. In Mecklenburg-Vorpommern ist die SPD hingegen unangefochten stärkste Kraft; weit abgeschlagen dahinter folgen AfD (17 Prozent), CDU (15 Prozent) und Linke (11 Prozent). Grüne und FDP dürfen sich mit je 6 Prozent Hoffnung auf den Einzug in den Landtag machen, in dem sie beide derzeit nicht vertreten sind. Die anderen Parteien kommen hier zusammen auf 7 Prozent.
Die Erosion der Parteien, die als „dynamisch“ schöngeredeten Wählerwanderungen und Fluktuationen zeugen von einer zunehmenden Unzufriedenheit, die die fast schon klischeehafte „Politikverdrossenheit“ abgelöst hat und durchaus Sprengkraft birgt – weil nämlich die nächste, die letzte Stufe dann schon offener Widerstand und Rebellion ist. Viel fehlt nicht, um das metastabile Equilibrium aus dem Lot zu bringen, das derzeit noch durch Corona-Panikmache, billionenschwere Umverteilung und mediale Ablenkungsmanöver aufrechterhalten wird.

