Horst D. Deckert

Ampelkoalition: Ist der dumme August gelb?

FDP-Chef Christian Lindner (Foto:Imago)

Einen kleinen Vorgeschmack darauf, wohin die Reise der FDP gehen wird, gab es dieser Tage. Die Ampelkoalition steht noch nicht – die Unterschriften unter den Koalitionsvertrag werden für Ende November erwartet – und schon darf die FDP den dummen August für Rote und Grüne geben. Was ist passiert?

Noch im Wahlkampf hieß es vollmundig von Roten und Grünen, es müssten Steuersenkungen für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen erfolgen. Gute vier Wochen nach der Wahl ist dafür aber „kein Raum“ mehr. Wie’s wohl kommt? Auflösung des Mysteriums: Die FDP ist schuld. Sie spricht sich nämlich gegen weitere Steueranhebung bei „den Reichen“ aus. Der rote Kanzler in spe, Olaf Scholz, beim G-20-Treffen von seiner noch geschäftsführenden Amtsvorgängerin den anderen „Weltgrößen“ – Novum! – bereits als Nachfolger vorgestellt wie in einer Erbmonarchie, und sein grüner Koalitionär Habeck, Robert, schieben jede Verantwortung für die plötzliche Raumlosigkeit zur FDP hinüber und tun so, als ob die einzige Möglichkeit für Steuersenkungen auf kleine und mittlere Einkommen in einer verstärkten Besteuerung „der Reichen“ als „Gegenfinanzierung“ bestünde. Sie konstruieren einfach ein unhaltbares Junktim – und behaupten dann, wenn kein Raum für Steuersenkungen bestehe, dann bestehe er wegen der FDP nicht.

Ankündigungen einkassiert

Dabei gäbe es multiple Möglichkeiten für Steuersenkungen, etwa durch den Verzicht auf ein sauteures „Klimaministerium“, durch den Verzicht auf „Klimasteuern“, durch Senkung der Mehrwertsteuer… usw. usf.. Nur: Weniger Steuereinnahmen, das geht natürlich mit einem Scholz und einem Habeck überhaupt nicht. Wenn auch sonst so vieles knapp werden darf im Land – Rohstoffe, Strom, Gas, Aluminium, Bürgerrechte, Freiheit: Eines darf auf keinen Fall knapper werden, nämlich die Steuereinnahmen des kleptokratischen Staates. Wie praktisch, daß es einen gelben Koalitionär in spe gibt, bei dem SPD und Grüne die Verantwortung abladen können. Die FDP hat den großen Vorteil, daß sie nicht die mediale Unterstützung hat, wie sie Rote und Grüne genießen. Die FDP kann mehr oder weniger für sich allein im stillen Kämmerchen über die fiesen Methoden von SPD und Grünen jammern. Es wird niemanden interessieren. Dafür kann gesorgt werden.

So wird das weitergehen. Egal, was Rote und Grüne nicht umsetzen oder doch umsetzen: Wenn es schmerzhaft ist, wird die FDP in der öffentlichen Wahrnehmung als der Schmerzverursacher hingestellt werden. Jeder noch so gut begründete sachliche Einwand gegen die Schuldzuweisung wird medial in der Luft zerrissen werden. Die FDP wird in dieser Koalition keinen Fuß auf den Boden bekommen. Die Ampelkoalition heißt nicht umsonst so. Bei jeder eingeschalteten Ampel brennt das rote resp. das grüne Licht am längsten. Gelb dient nur als Ankündigung dafür, daß als nächstes rot oder grün leuchtet.

Fehlender Medienrückhalt

Dabei wäre es ganz einfach, den rot-grünen Horror gar nicht erst wahr werden zu lassen: Die FDP steht für eine Ampelkoalition schlicht nicht zur Verfügung! Und für eine Jamaika-Koalition nur zu ihren Bedingungen. Wenn das nicht geht, dann soll sich eben eine Union, die sich dringend erneuern müsste, weiterhin in einer GroKo ihres letzten Restes an bürgerlich-konservativem Image berauben lassen – oder aber versuchen, sich in einer „Zoff-Koalition“ neu zu profilieren. Alles, was hierzulande mit einer Ampelkoalition endgültig gar den Bach runtergehen würde, ließe sich vermeiden, wenn Lindner den Herren Scholz und Habeck noch den Fehdehandschuh hinwerfen würde, anstatt auf Kuschelkurs zu gehen. Stattdessen sieht es so aus, als würde Lindner für vier Jahre Regierungsbeteiligung lieber das gelbe Sündenböckchen für Rote und Grüne abgeben -, sowie die eigene Partei als auch das ganze Land in den Abgrund stürzen wollen. Es würde noch nicht einmal eine volle Legislaturperiode dauern, bis die FDP bei ihren Wählern völlig unten durch ist. Es gibt ja am heutigen Tag schon genügend FDP-Wähler, die sich fassungslos mit der flachen Hand auf die Stirn patschen, weil sie sich fragen, was für einen Fauxpas sie sich bei der Wahl geleistet haben angesichts der Tatsache, daß die Partei, die sie gewählt hatten, nunmehr möglich macht, was sie eigentlich unbedingt hätten verhindern wollen, den Ökosozialismus nämlich.

Wenn man gut begründet unterstellen kann, daß Merkel ein „neomarxistisches“ U-Boot zur Zerstörung der CDU war, dann sollte man sich fragen, was Lindner in Bezug auf die FDP wäre, wenn er diese Ampelkoalition tatsächlich noch verwirklichen will, nachdem ihm schon vor Unterzeichnung eines Koalitionsvertrages mit der „Debatte“ um steuerliche Entlastungen der Bezieher kleiner oder mittlerer Einkommen der Schwarze Peter rübergeschoben wird. Noch wäre Zeit, die Albtraum-Ampel zu verhindern. Und bei der FDP sollte man sich dringend überlegen, ob nicht sehr schnell ein Sonderparteitag einzuberufen wäre, bei dem die Abwahl Lindners als Parteivorsitzender im Mittelpunkt steht, um den Absturz in die totale Bedeutungslosigkeit binnen der kommenden vier Jahre noch abzuwenden.

Welche Mission hat Lindner?

Welchen für die FDP verheerenden Weg er gerade einschlägt, müsste sogar Lindner erkennen können. So kurzsichtig kann doch nicht einmal er sein, als daß er nicht sieht, wohin der Weg der FDP in einer Ampelkoalition führen muß. Unterstellt, daß Lindner genau weiß, was er tut, muß man ebenfalls unterstellen, daß er etwas weiß, das bislang sonst noch niemand weiß. Dann fragt man sich, was das sein könnte. Könnte es sein, daß Lindner eine sehr genaue Vorstellung davon hat, welchen Bedeutungsverlust Parteien im Nationalstaat binnen der kommenden vier Jahre generell hinzunehmen haben werden – und daß in vier Jahren belohnt werden wird, wer diesen Bedeutungsverlust „verdienstvoll“ mitbefördert hat – Stichwort „Vereinigte Staaten von Europa„? Zugegebenermaßen ist das ein sehr verwegener Gedanke, aber „wir“ erleben ja mit dem zivilreligiösen Klimawahn und der haarsträubenden Pandemiegläubigkeit allerweil, daß wahr wird, was sich vor zwei Jahrzehnten noch kein Mensch hätte vorstellen können. Ist dieses logisch nicht nachvollziehbare Koalitionstheater um die Ampel im Grunde nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver, eine Show für den „Souverän“, die von dem ablenken soll, was insgeheim längst beschlossene Sache ist?

Die Frage steht tatsächlich wie ein Elefant im Raum: Wie in aller Welt kann ein FDP-Vorsitzender auf das schmale Brett kommen, daß es für seine Partei in einer Koalition mit SPD und Grünen irgendetwas zu gewinnen gäbe, das länger als fünf Minuten haltbar ist? Ist da die Unterstellung nicht schon fast zwingend, daß er wissen muß, wie sehr alle anderen von falschen Voraussetzungen ausgehen? Und wäre dann nicht verständlich, daß er sie in aller Seelenruhe weiterhin davon ausgehen läßt? Linders Vorgehen ist schier nicht anders zu erklären, als mit einem Wissen, das außer ihm und wenigen Eingeweihten niemand hat. Die einzige andere Erklärung wäre tatsächlich die: „Dummer August“.

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