Es lässt sich nicht leugnen: Auch mich beschleicht manchmal der große Zweifel. Kann es wirklich sein, dass Politik und Medien sich – oder uns – so täuschen, was die Gefährlichkeit von Corona angeht? Lügen die Intensivmediziner vor der Kamera, wenn sie zur Impfung aufrufen, weil Klinik und Personal am Limit seien? Wer bin ich schon, all diese Aussagen in Frage zu stellen! Die Deutschen bewahrten sich bisher immer eine gewisse kritische Haltung gegenüber „denen da oben”. Oft kamen sie mir übertrieben nörgelig vor, und daher rutschte mir ab und an ein „…dann machen Sie’s doch besser!“ heraus. Kritische Journalisten hingegen waren meine Helden, welche – ohne Gefahren zu scheuen – die Wahrheit ans Tageslicht brachten.
Doch heute ist alles so grässlich eintönig und auf einer Linie. Noch nicht einmal die Thriller-Avantgarde unter den Schriftstellern meldet sich zu Wort. Dabei gäbe das Thema Corona so viel Stoff für allerlei aufregende Geschichten her, über Laborunfälle, Impfstoff-Schwindel und böse Unternehmen, welche die bittere Wahrheit über Corona vertuschen wollen. Jedoch: Es herrscht das Schweigen im Walde. Wahrscheinlich werden wir so etwas erst zu lesen bekommen, wenn man sich damit nicht mehr gegen die öffentliche Meinung stellt – selbst wenn noch so deutlich wird, dass es sich nur um Gedankenspiele handelt.
Eine gute Inszenierung
Ist der Corona-Hype also so etwas wie eine Massenpsychose? Es spricht einiges dafür: Die Aufgeregtheit, die Jagd auf Andersdenkende. In unseren Nachbarländern lassen sich die Bürger längst nicht so viel bieten. Man soll vorsichtig sein mit solchen Diagnosen, aber unmöglich ist nichts in einem Land, das seit Jahren – paradoxerweise – mit dem Schönreden anderer Themen wie der Belastung durch Migration beschäftigt ist. Schreit die „Volksseele“ nun vielleicht nach einer Katastrophe?
1938, am Vorabend von Halloween, soll es in New York angeblich ebenfalls zu einer Massenpanik gekommen sein: Durch die Verkettung einiger Umstände glaubten viele Bürger, die Marsianer seien auf der Erde gelandet und hätten begonnen, die Erde zu erobern. Man kann heute nicht mehr genau nachvollziehen, ob die Aufregung wirklich so groß war oder es sich um einen nachträglich in Umlauf gebrachten PR-Gag handelte: Orson Welles‘ Hörspiel „Krieg der Welten” scheuchte viele Menschen auf. Das lag zum einen daran, dass es einfach gut inszeniert war, im Stil einer der damals üblichen Radioreportagen, aber auch daran, dass es traf auf die passende Stimmung traf: Die Amerikaner verfolgten angespannt die Meldungen über den sich ankündigenden Krieg in Europa, und die wenigsten Bürger hatten Lust, dort hineingezogen zu werden.
Kurzum, die Menschen fürchteten Schlimmstes. Was machte es da noch für einen Unterschied, ob Hitlers U-Boote vor der Küste New Yorks gesichtet wurden oder doch gleich die Marsianer? Wäre Markus Söder damals Bürgermeister von Big Apple gewesen, hätte er wahrscheinlich entschieden, dass nun keinesfalls das Vertrauen in die Medien erschüttert werden dürfe und man die Stadt deshalb auf einen Angriff vorbereiten müsse. Jeder, der erklärt hätte, dass es keine Sichtungen von dreibeinigen Killermaschinen gegeben habe, hätte fortan den Titel „Marsianer-Leugner“ getragen.
Beim Gegner graben
Nun lässt sich nicht abstreiten, dass es heute mehr Corona-Erkrankte als 1938 Marsianer in den USA gibt – darunter sicherlich auch manche, die es ziemlich übel erwischt hat. Was bleibt, ist die Frage nach dem angemessenen Verhältnis zwischen Maßnahmen und Realität. In diesen Fällen – wenn die Lücke zwischen der eigenen Wahrnehmung und der öffentlichen Meinung zu weit auseinanderklafft – sollte man sich zur Abklärung allerdings nicht an die Quellen aus den eigenen Kreisen halten, sondern gerade beim „Gegner“ graben. Was etwa die Gewaltbereitschaft der Antifa angeht, wird man herrlich bei den Tweets ihrer Sympathisanten fündig, ebenso, wenn es um den frauenfeindlichen Hintergrund des Kopftuchs geht.
Und wer sich zu den Corona-Zahlen schlau machen möchte, grabe sich durch die frei zugänglichen Daten des DIVI- Intensivregisters und die Wochenberichte des RKI, die doch auch – als kleinster gemeinsamer Nenner – von Corona-Panikern als rechtmäßig anerkannt werden sollten. Und plötzlich erscheint alles in einem weitaus rationalerem Licht: Mit ein wenig Rechnerei gelangt man schnell zur Erkenntnis, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen eben nicht akut durch Corona dahingerafft wird, sondern lediglich einige Bevölkerungsgruppen etwas mehr Schutz brauchen – so wie es böse Buben schon seit Monaten anmahnen.
Aber was wissen wir denn schon? Wenn alle es sagen, muss es doch richtig sein! Oder? Nein! Denn schon allein die Aussage „alle sagen es“ ist das Ergebnis von Beeinflussung. Die meisten sagen nur deshalb nichts anderes, weil sie fürchten, abseits zu stehen. Und das ist heute die größere Gefahr als alle Marsianer und Viren zusammen: Das Festsitzen im Meinungsknast.