Der deutsche Soziologe Aladin El-Mafaalani, als Kind Syrischer Eltern 1978 in Deutschland geboren, stellt in seinem neuesten Buch „Wozu Rassismus?“ die Frage ob es in unserer mittlerweile multikulturellen Gesellschaft Rassismus „überhaupt noch braucht“.
Seit Juli 2019 ist er Professor und Inhaber des Lehrstuhls für „Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft“ an der Universität Osnabrück. Zugleich ist er ehrenamtlich Beauftragter des NRW-Integrationsministeriums in Fragen des muslimischen Engagements. Weiters ist er Mitglied im Rat für Migration, im Netzwerk Flüchtlingsforschung.
Nährstoff für „Migrationsklatscher“
Der Tod des afro-amerikanischen US-Bürgers George Floyd im Zuge einer, durch weiße Polizisten in Minneapolis 2020 durchgeführten Verhaftung, hatte auch in Deutschland wieder einmal eine hitzige und kontroverse Debatte über Rassismus angestoßen.
Ungeachtet dessen, dass Europa mit derlei Gewaltexzessen beider Seiten gottlob noch nicht in vergleichbarem Ausmaß betroffen wäre.
Aladin El-Mafaalani behandelt in seinem neuesten Buch nicht den Begriff „Rassismus“ und dessen diverse Interpretationen. Wie definiert man Rassismus, wann ist er entstanden, wie hat er sich bis heute gewandelt? Woran kann man erkennen, ob eine Handlung oder eine Aussage rassistisch ist? Und wird Rassismus von Betroffenen wahrgenommen?
Frage nach der Herkunft ist rassistisch grenzwertig
In einem Interview der linken Nachrichtenseite taz gibt also Hr. El-Mafaallani tiefe Einblicke in das „Wesen“ des Rassismus.
Auf die Frage des Journalisten, ob die Frage nach der Herkunft seiner Familie (wäre alleine auf Grund des Namens legitim, möchte man meinen) bereits rassistisch sei, gerät man bei den Antworten des Soziologen ins Staunen.
Es ist ungefähr so, wie wenn man jemanden, den man noch keine fünf Minuten kennt, fragt: Wie viel verdienst Du? Das ist in Österreich, denke ich, genauso wie in Deutschland eine unangemessene Frage. Und deswegen ist auch diese Frage unangemessen, wenn sie zu früh kommt. Dann betont man etwas, was unter Umständen Rassismus relevant ist, so Mafaalani.
In Österreich wird Rassismus nicht thematisiert
Besonders in den Gesellschaften, in denen Rassismus sehr offen thematisiert und problematisiert wird – und ich bin mir nicht sicher, ob Österreich da schon dazugehört, hat Rassismus bisher einen Teil des gesellschaftlichen Zusammenhalts gebildet, erläutert der Soziologe weiter.
Au weia, wiedermal das rückständige „Ösiland“ mit enormem gesellschaftlichem Aufholbedarf, ein wenig diskriminierend klingt das dann aber doch.
Im Nachsatz erläutert es weiter, „Ich beschreibe die Situation in Deutschland, manchmal auch nur Westdeutschland. Ich glaube, Österreich ist zehn, vielleicht auch 20 Jahre hinter Deutschland, was diese Entwicklung angeht. Die Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte sind in Deutschland unübersehbar, in Österreich waren sie deutlich langsamer“.
Na wenn wir da auch so schön in Schwung sind, da geht noch ein Seitenhieb aufs Nachbarland. Bitte aber nicht falsch zu verstehen, das ist kein Rassismus, da betrifft es ja quasi den mehr oder weniger gleichen kulturellen, gesellschaftlichen und religiösen Hintergrund (Anm. der Red.)
Grenzschließungstendenzen sind randständig
Wenn man nun sieht, dass es Schließungstendenzen gibt, im Sinne von: nicht noch mehr Migranten! Nicht noch mehr nicht-weiße Menschen in Europa! Diese Tendenzen kann es nur geben, wenn es vorher starke Öffnungsprozesse gegeben hat, so Mafaalani.
Was heute als populistisch gilt, war noch vor 40 Jahren Mainstream. Heute fallen solche Positionen auf, weil sie randständig sind. Gleichzeitig muss man sehen, dass die Zuwanderung im letzten Jahrzehnt nicht gering war, gibt Mafaalani unumwunden zu.
Selbstkontrolle um Rassismus zu bändigen
Alle müssen sich aber kontrollieren, damit Rassismus gebändigt wird. Ohne Kontrolle geht’s nicht. Auch in der Corona Krise sind viele positive Bewegungen ins Stocken geraten.
Deutschland sei auch, nach Ansicht Mafaalanis (wieder einmal) zwei Schritte voraus im Vergleich zu Österreich, was beispielsweise den zweisprachigen Unterricht betreffe. Es werde darüber diskutiert herkunftssprachlichen Unterricht zu fördern.
Obwohl die Handlungspraxis auch in Deutschland noch weitgehend davon ausginge „es sollte erst einmal richtig Deutsch gelernt werden“, erläutert Mafaalani.
Das habe tatsächlich etwas zu tun mit einer Haltung, die man gar nicht anders erklären könne als durch die rassistische Geschichte aller Länder – denn in Frankreich wäre es ja ganz ähnlich, so der Soziologe.
Aber die Veränderungen kommen, da kann man gar nichts dagegen machen. In den Großstädten stammen die Kinder überwiegend aus Familien mit einer internationalen Geschichte, haben also einen Migrationshintergrund. Warten wir noch 20 Jahre, dann kommen sie in den Arbeitsmarkt hinein, meint Mafaalani.
Champions League der offenen Gesellschaft
Mafaalani erläutert weiter, „Wir werden in den nächsten 15 Jahren eine massive Veränderung haben. Das ist reine Mathematik. Das passiert, auch wenn wir die Grenzen zumachen würden und es keine Zuwanderung mehr gibt. Wenn man es sich in der rassistischen Ecke gemütlich macht, schadet man nur sich selbst. Es gibt nur noch eine Möglichkeit, diese Entwicklung rückgängig zu machen: mit massiver Gewalt“.
Mit den Diskriminierungserfahrungen dieser Menschen offen umzugehen, sei die Champions League der offenen Gesellschaft, so Mafaalani.
Der „alte weiße Mann“ muß lernen Widersprüche aus zu halten
Der „alte weiße Mann“, laut Mafaalani als Vertreter der Babyboomer-Generation und zu den „Letzten der freilaufenden Gruppe“ gehörig, werde heute überall in seine Grenzen gewiesen.
Nun erhebt sich daher die Frage, wie könne sich Dieser in die offene Gesellschaft „eingliedern“.
Alles steht und fällt damit, Widersprüche auszuhalten. Früher mussten alte, weiße Männer gar nicht vorsichtig sein. Freiheit endet aber dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Wenn sich jetzt ganz viele andere Gruppen auch ihre Freiheit nehmen, müssen diese Männer nun vorsichtiger sein und können sich nicht mehr wie der Elefant im Porzellanladen benehmen. Offenheit besteht aus Vorsichtig-Sein, so Mafaalani.
Mir drängt sich hierbei die Frage auf, was ist aber nun mit der „alten weißen Frau“? Hat der Soziologe hier etwa vergessen zu gendern oder ist dies etwa ein kulturell bedingter „Lapsus“?
Liberale Demokratie ist kein Paradies
Mit seinem abschließenden Statement hat Mafaalani allerdings den Nagel auf den Kopf getroffen, wie wir alle an Hand er vorherrschenden, rechtsbeugenden Corona-Diktatur täglich feststellen können.
Alle glauben, die liberale Demokratie ist so etwas wie das Paradies. Das Gegenteil ist der Fall: Es ist ein Ort, an dem man vorsichtig sein muss.
Etwa mit der Frage: Wo kommt Ihre Familie eigentlich her? Ich empfehle immer, sich daran zu orientieren, wann man jemanden fragen würde, wie viel er verdient, oder wann er oder sie das letzte Mal Sex hatten. Wenn man die Frage mit der gleichen Vorsicht stellt, kann man nichts falsch machen. Gleichzeitig kommt es auch darauf an, wem man die Frage stellt. Meine Mutter würde sich freuen, wenn Sie ihr diese Frage stellen. Sie ist aus Syrien und redet gerne über ihre Herkunft und ihre Sehnsucht. Wenn Sie aber meiner Tochter dieselbe Frage stellen, wird das Gespräch sehr unangenehm, so Mafaalani.
Mit seinem abschließenden Statement hat Mafaalani allerdings den Nagel auf den Kopf getroffen, wie wir alle an Hand er vorherrschenden, rechtsbeugenden Corona-Diktatur täglich feststellen können. Das Gebot der Stunde also, wie man sieht in allen Lebensbereichen – vorsichtig sein!
Offenbar verschwimmen heut zu Tage die Grenzen zwischen den Staatsformen gänzlich „unhinterfragt“.