Horst D. Deckert

Vom «Krieg gegen das Virus» zum Krieg gegen die eigenen Bürger

Die Covid-19-«Pandemie» erinnert in vielerlei Hinsicht an Krieg. Der italienische Philosoph Giorgio Agamben spricht gar von der «Verwirklichung des weltweiten Bürgerkriegs». Alle Nationen und Völker befänden sich schliesslich in einem dauerhaften internen Konflikt, «weil sich der unsichtbare und ungreifbare Feind, den sie bekämpfen, in ihrem Inneren versteckt».

«Wir sind im Krieg» – das sagte auch der französische Präsident Emmanuel Macron im März 2020. Und bei der Rhetorik blieb es dann auch nicht. Mit Beginn der «Pandemie» berief Macron am 4. März 2020 auch den sogenannten Verteidigungsrat ein, womit er das Vorgehen gegen die Krise militarisierte. Diese Militarisierung ist jedoch nicht bloss auf die Regierung Macrons beschränkt. Das Militär und ihr nahestende Organisationen spielten im sogenannten Kampf gegen das Coronavirus eine wichtige Rolle. Das zeigt der Autor und emeritierte Professor für Internationale Beziehungen an der University of Sussex, Kees van der Pijl, in seinem Buch «Die belagerte Welt» auf.

Van der Pijl vertritt die These, dass der globale Kapitalismus in eine revolutionäre Krise geraten ist und die herrschenden Klassen die Covid-«Pandemie» nutzen, um einen «demokratischen Wandel» zu verhindern. Der Autor ist überzeugt: Nicht Klaus Schwab, «das Orakel von Davos», habe einen Plan «ausgeheckt», der nun von den «nationalen Regierungen gehorsam ausgeführt wird». Vielmehr handelt sich um eine «komplexe historische Krise», eine «Machtergreifung durch die weltweit herrschende Klasse».

Im Folgenden einige Auszüge aus dem Buch.

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Die Covid-Krise wurde genutzt, wenn nicht sogar überhaupt erst entfesselt, um die Disziplin in der Bevölkerung durch eine auf Angst basierende Informationskampagne wiederherzustellen. Die Techniken für eine solche Kampagne wurden in der US-amerikanischen Aufstandsbekämpfung entwickelt. Wie beim Vergleich mit der Folter scheint die Verbindung auf den ersten Blick sehr dünn, aber es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der imperialistischen Guerilla-Bekämpfung in Vietnam, Mittelamerika, Afghanistan und Irak und der Repression, die derzeit durch die Abriegelungen ausgeübt wird.

Im Kampf um die Entkolonialisierung Afrikas und Asiens ging es darum, zu verhindern, dass die Unabhängigkeit von den europäischen Mutterländern durch Gruppen errungen wird, die sich nicht in ein neokoloniales Verhältnis fügen wollen. Nach der Entkolonialisierung übernahmen die USA, die dieses strategische Ziel verfolgten, die Taktik der Briten aus Malakka und Kenia, Agenten in den Widerstand einzuschmuggeln und dessen Führung auszuschalten. Nach dem erfolgreichen blutigen Militärputsch gegen Sukarno in Indonesien im Jahr 1965, bei dem Militärkommandeure und radikale muslimische Studenten mit Todeslisten versorgt worden waren, starteten sie die Operation Phoenix, um auch in Vietnam führende Kader aufzuspüren. Diese wurden zu Zehntausenden ermordet, um den Widerstand an der Wurzel auszurotten.

Das Phoenix-Modell mit seiner auf systematischer nachrichtendienstlicher Erfassung basierenden Penetration und Provokation wurde in den 1970er Jahren in Italien in der Strategie der Spannung und in den 1980er Jahren in einer Reihe von illegalen Drogen- und Anti-Terror-Operationen im Libanon und in Mittelamerika weiter ausgebaut. Nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967, in dem Israel weitere grosse Teile des arabischen Landes eroberte, die es bis heute innehat (mit Ausnahme des Sinai), entwickelte es ebenfalls eine eigene Taktik des Einsatzes von Doppelagenten und der gezielten Tötung von Palästinensern.

US-amerikanische und israelische Agenten und Berater waren ihrerseits an den Todesschwadronen in Guatemala und El Salvador beteiligt, die die Guerilla in diesen Ländern bekämpften. Israels Erfahrung mit diesem Modell hat in Geheimdienstkreisen grosses Ansehen erlangt. Als der scheidende Chef des Inlandsgeheimdienstes 2005 gefragt wurde, ob er Skrupel habe, Gegner willkürlich zu ermorden, antwortete er, dass jede Woche ausländische Delegationen nach Israel kämen, um sich diese hochwirksamen Methoden beibringen zu lassen, und zwar nicht nur aus den Vereinigten Staaten. Schliesslich hat Israel die «gezielte Prävention» zu einer Kunstform erhoben: Erfahrene Führer werden ausgeschaltet, und die Neulinge, die an ihre Stelle treten, sind viel leichtere Gegner. Daraus entwickelte sich die bereits erwähnte «globale Kontrollmatrix», die mit der Covid-Krise in eine neue und entscheidende Phase getreten ist.

Nach dem 11. September 2001 wurden US-Spezialeinheiten damit beauftragt, Terrornetzwerke zu infiltrieren und «Reaktionen anzuregen», also sie zum Handeln zu bewegen. Im Jahr 2005 enthüllte Seymour Hersh, dass die USA systematisch mit eigenen terroristischen Einheiten arbeiteten, die in bestimmten Situationen Gewalt durch andere auslösen oder selbst begehen könnten. Das Pentagon verfügt über eine Datenbank von fast 2000 nichtstaatlichen Gruppen, darunter Rebellenmilizen, komplexe kriminelle Organisationen, Hacker und dergleichen. Sie können im Rahmen von US- Spezialoperationen eingesetzt werden, die dann nach Belieben als «Terrorismus» oder «Terrorismusbekämpfung» propagiert werden.

Zur Unterstützung solcher Operationen hat das Pentagon auch Theorien zur Informationskriegsführung («perception management») entwickelt. Neben der Störung und Demoralisierung des Gegners und seiner Verbündeten besteht ein wichtiger Faktor dieses Wahrnehmungs-Managements darin, die Öffentlichkeit in der Heimat davon zu überzeugen, dass sich die Kosten des Kriegseinsatzes lohnen. Daraus entstanden die Konzepte der «Netz-Kriegsführung» und des «Cyber-War».

Nach dem Finanzcrash von 2008 begann die Obama-Regierung, ihre Infanteriepräsenz in Afghanistan und im Irak schrittweise abzubauen und stattdessen Drohnen, Söldner und das Joint Special Operations Command (JSOC) einzusetzen. Unter General Stanley McChrystal, dem Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Afghanistan, nutzte das JCOS elektronische Informationen, um gezielte Tötungen durchzuführen. Laut Obamas Berater John Brennan, der 2012 zum CIA-Direktor ernannt wurde, sollte der Terror wie ein metastasierter Krebs bekämpft werden, ohne das ihn umgebende Gewebe zu zerstören. Diese Philosophie machte die gezielte Tötung zur Haupttätigkeit der CIA.

Im November 2012 unterzeichnete Obama einen Befehl an das Pentagon und andere Regierungsstellen, ein globales Programm aggressiver Cyber-Operationen einzuleiten. Einen Monat später wurde Glenn Greenwald von Edward Snowden kontaktiert, der dieses Programm in allen Einzelheiten öffentlich machen wollte. Das Motto der US-Cyber-Operationen lautete Total Information Awareness: Sicherstellen, dass alles über die Bevölkerung bekannt ist, bevor sie überhaupt an eine Revolte denken kann. Im Jahr 2014 intensivierte das Pentagon die Datenerfassung mit einem Programm namens A New Information Paradigm? From Genes to «Big Data» and Instagram to Persistent Surveillance … Implications for National Security. Beachten Sie, dass genetisches Material unter den Zielen gesondert aufgeführt ist.

In den Worten von Jeff Halper: «Der Krieg wird dadurch endemisch, weil es weder möglich noch wünschenswert ist, den ‹permanenten Notstand› zu beenden. Die Befriedung der Menschheit wird zum einzigen Weg, den Krieg zu beseitigen, aber dieses Unterfangen wird selbst zu einem gewalttätigen, nie endenden totalitären Projekt.» Das ist es, was sich vor unseren Augen abspielt.

Die Anwendung der in Afghanistan und Irak angewandten Methoden an der Heimatfront erfolgte mit dem Abschied des JSOC-Kommandeurs McChrystal ins zivile Leben. In einem aufschlussreichen Bericht über das Scheitern der Afghanistan-Operation im Rolling Stone im Jahr 2010 verunglimpfte McChrystal die politische Führung in Washington; er wurde abberufen und entlassen. Der Journalist, der das Interview geführt hatte, Michael Hastings, veröffentlichte 2012 ein Buch über das Afghanistan-Abenteuer; im Juni 2013 wurde sein Mercedes gehackt und bei einem Zusammenstoss ferngesteuert zur Explosion gebracht. Kurz vor seinem Tod hatte sich Hastings an WikiLeaks gewandt, weil er an einem Artikel über die Rolle von CIA-Direktor John Brennan bei der Bespitzelung kritischer Journalisten arbeitete und sich verfolgt fühlte.

McChrystal gründete unmittelbar nach seiner Entlassung 2011 die Beratergruppe McChrystal Group, die mit seinen angeblichen Erfolgen bei der Zerschlagung des Al-Qaida-Netzwerks im Irak bekannt wurde. Laut der Website der McChrystal Group hatte der JCOS dort ein Jahrhundert militärischer Erfahrung über Bord geworfen und einen Teamansatz entwickelt (der militärische Einheiten, CIA usw., verbindet). Dieser wurde nun für den Einsatz im Inland angeboten. 2020 wurde die McChrystal-Group zum zentralen Beratungsunternehmen für die Bewältigung der Covid-«Pandemie» und sicherte sich einen steten Strom von Aufträgen einzelner Städte und Staaten.

Es überrascht nicht, dass der Ex-General findet, der Kampf gegen Covid-19 müsse wie ein Krieg geführt werden, wie er im April in einem Interview in Forbes sagte. Die Bundesregierung solle die Führung übernehmen; es sei sinnlos, 50 Staaten den Krieg einzeln führen zu lassen. Auch solle es keine politische Intervention geben. Ein Krieg müsse «ohne Opposition» geführt werden, sonst ende er, wie in Vietnam, mit Rückzug statt Sieg. Kein Wunder, dass die McChrystal-Group im Vorfeld der Wahlen im November 2020 auf ihrer Website DefeatDisinfo.com offen gegen Trumps Umgang mit der «Pandemie» Stellung bezogen hatte.

Für seinen Informationskrieg stützt sich McChrystal auf eine Vielzahl von Verbündeten in den Mainstream-Medien, von Fox News über CBS bis CNN. In den Podcasts der Gruppe – vielsagender Titel: No Turning Back – kommen neben Medienvertretern auch Sprecher des militärisch-industriellen Komplexes wie Michèle Flournoy (ehemalige Stellvertretende Verteidigungsministerin mit dem Ruf eines extremen Falken) sowie Vertreter des biopolitischen Komplexes wie Sue Desmond-Hellman (2014-20 CEO der Bill & Melinda Gates Foundation) zu Wort. Als führendes US-amerikanisches Cyber-PR-Unternehmen führt die McChrystal Group auch Kampagnen gegen Corona-Skeptiker und «Anti-Vaxxer» ebenso wie das Poynter Institute, das von der Gates Foundation, dem Omidyar Network (des eBay-Eigentümers Pierre Omidyar), der Open Society Foundation von George Soros und Facebook finanziert wird.

Frankreich, das europäische Land, das am Vorabend der Covid-Krise als am stärksten von revolutionären Umbrüchen bedroht galt, ist den USA auch am nächsten, wenn es um den Einsatz des Militärs gegen die Bevölkerung geht. Wie in den USA lässt sich der Ursprung der im Rahmen des Covid-Ausnahmezustands angewandten Techniken auf den Übergang von der kolonialen zur neokolonialen Unterwerfung der Peripherie zurückführen. In Frankreich wurde der Ausnahmezustand – angesiedelt zwischen Gewohnheitsrecht und dem allgemeinen Kriegszustand – 1955 eingeführt, um die Folgen der kolonialen Kriegsführung für die Heimatfront zu bewältigen. Nach der Entkolonialisierung Algeriens führte die Bombenkampagne reaktionärer Militärs, die in der «Geheimarmee» OAS organisiert waren, 1962 zur Verlängerung des Ausnahmezustands. Doch nun war der Zusammenhang mit den ausländischen Kriegen nicht mehr unmittelbar ersichtlich, und die Repressionsmaschinerie wurde völlig neu auf die innenpolitische Situation ausgerichtet.

Als der Westen nach dem 11. September 2001 wegen der «Terrorbedrohung» den Klassenkompromiss aufgab, schloss sich Frankreich, das sich noch unter Chirac gegen die angloamerikanische Invasion im Irak gewehrt hatte, nach der Wahl von Nicolas Sarkozy im Jahr 2007 diesesm Einmarsch an. Sarkozy unterstellte sich dabei der US-israelischen Aufsicht, indem er die französischen Nachrichtendienste umstrukturierte: Der Generalnachrichtendienst (RG) und die Abteilung für Sicherheit (DST) wurden zu einer einzigen Generaldirektion für Innere Sicherheit (DCRI) mit einem engen Vertrauten Sarkozys an der Spitze zusammengelegt. Ein weiterer Sarkozy-Verbündeter wurde zum Leiter des Auslandsgeheimdienstes DGSE ernannt.

Die neue DCRI intensivierte die Überwachung von Muslimen und vertiefte die Zusammenarbeit mit Israel. Als Sarkozys Wiederwahl 2012 ungewiss war und er öffentlich darauf hingewiesen wurde, nur ein dramatischer Notfall könne ihn noch retten, ereigneten sich im März in Südfrankreich zwei scheinbar nicht miteinander zusammenhängende Schiessereien: Eine wurde Neonazis zugeschrieben, die auf nordafrikanische Soldaten eines Fallschirmjägerregiments zielten; die andere war ein blutiger Schusswechsel mit einer jüdischen Religionsschule in der Nähe. Sarkozy warf beide Fälle in einen Topf und brachte im Parlament Anti-Terror-Gesetze im Stil des Patriot Act der USA ein, die jedoch keine Mehrheit fanden.

Die Geheimdienste identifizierten daraufhin einen einzigen Täter für beide Anschläge: einen arabischstämmigen Informanten des DCRI, der in einer zirkusähnlichen Belagerung erschossen wurde, weil ihn die Polizei als mörderischen Fanatiker einschätzte. Sarkozy unterlag jedoch François Hollande, auf den man nicht so sicher zählen konnte wie auf seinen Vorgänger, um die Linie zu halten. Als Hollande nach einem Besuch in Berlin das versprochene Ende der Sparmassnahmen abblies, sah er sich mit wachsenden Unruhen in der Bevölkerung konfrontiert.

Sein Wirtschaftsminister trat aus Protest zurück und wurde 2014 durch Emmanuel Macron ersetzt. Unterdessen stimmte die sozialistische Mehrheit im Parlament für die Anerkennung eines unabhängigen Staates Palästina, und am 5. Januar 2015 sprach sich Hollande gegen Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine aus. Wenige Tage später, am 7. Januar, erschossen maskierte Bewaffnete 12 Menschen in der Redaktion der antimuslimischen Zeitschrift Charlie Hebdo. Kurz darauf wurden vier Geiseln in einem jüdischen Supermarkt getötet.

Wie 2012 schien es, als wäre ein antisemitischer Anschlag an eine ansonsten nicht damit zusammenhängende Greueltat «angehängt» worden. Eine elegante Erklärung für die «Generationen» im islamistischen Dschihad könnte der strategischen Ausrichtung der Täter Glaubwürdigkeit verleihen, während die «Verschwörungstheorie» ausdrücklich abgelehnt wird. Jedoch deuten zu viele Ungereimtheiten auf eine Operation unter falscher Flagge hin, die Hollande zu einem Kurswechsel zwingen und der französischen Gesellschaft Angst einflössen sollte.

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Kees van der Pijl, «Die belagerte Welt – Corona: Die Mobilisierung der Angst – und wie wir uns daraus befreien können», Der Politikchronist e.V. i.Gr., 2021. ISBN 978-3-98586-018-0, 223 Seiten, 24,90 Euro. Mehr Infos finden Sie hier. Die deutsche Version des Buches wurde durch den Verein «Der Politikchronist e.V. i.Gr.» veröffentlicht und wird in verschiedenen Formaten angeboten.

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