Horst D. Deckert

Medien-Framing: Verdreht ist auch gelogen

Deutscher Journalist mit differenziertem Blick (Symbolbild:Imago)

Da haben doch die bösen Israelis einmal wieder ein palästinensisches Unschuldslamm erschossen. Hat Heiko Maas schon eine UN-Resolution über diese Ungeheuerlichkeit verfasst? Schließlich ist es seine Pflicht als deutscher Außenminister, moralisch über den jüdischen Staat zu wachen, das befiehlt ihm sein durch die Gedenkkultur gestähltes Gewissen. In den deutschen Medien wurde der betreffende Fall gewohnt unterkomplex eingedampft, wie etwa hier bei den Öffentlich-Rechtlichen:

(Screenshot:ZDF/Heute)

Der tatsächliche Vorgang spielte sich allerdings etwas anders ab als in den verkürzenden Schlagzeilen unserer Presse: Das palästinensische Unschuldslamm war zum Tempelberg gereist, um dort mit Messer und Schusswaffe Terror zu verbreiten – und die Israelis taten das, was eigentlich jeder normale Staat tut, um seine Bürger zu schützen: Sie schalteten den Täter aus, damit er nicht weiter um sich schießen konnte. Und zwar ohne erst vorher zu ermitteln, ob dieser eventuell nur traumatisiert war – was aus deutscher Sicht enorm wichtig ist, um beurteilen zu können, wie viel Schutz und Empathie den Opfern zusteht. Alles ist eine Frage der Perspektive, wie PublicoMag hierzu treffend kommentierte:

(Screenshot:Twitter)

Der deutsche Moralblick, die richtige Haltung und die Neigung, für ausgewählte Täter sehr viel Rücksicht zu zeigen, prägen die Berichterstattung immer häufiger. Israel war eines der ersten Beispiele, an denen es mir auffiel, weil mir das Thema selbst emotional nahe steht. Aber irgendwann stellt man sich dann die Frage: Wenn sie es in diesem Fall tun, warum sollten sie es bei anderen Themen ehrlicher angehen? Umgekehrt sollte sich allerdings auch jeder, der sonst extrem medienkritisch veranlagt ist, fragen, warum er ausgerechnet die Nachrichten über Israel glaubt. Jedoch: In den Medien sind Profis am Werk, die von emotionalen Vorlieben nicht so stark geleitet sein dürften wie ihre Konsumenten.

Teilweise überschreiten die allgemein als seriös geltenden öffentlich-rechtlichen Medien bereits sogar schon die Grenze von der Halbwahrheit zur Unwahrheit – und sei es nur durch das Verschweigen von Fakten, die erst ein objektives Gesamtbild eines Ereignisses möglich machen. Im Fall Kyle Rittenhouse, der gerade die USA beschäftigt, hätte die Schlagzeile auch lauten können „Teenager verteidigt den Laden seines Freundes mit Migrationshintergrund gegen weiße Plünderer„. Allerdings befand er sich dabei mitten in einer „Black Lives Matter„-Zone, was aus den Plünderern jeglicher Hautfarbe im Handumdrehen gutwillige Aktivisten machte. Dabei suggerierte man zudem, es habe sich bei den Erschossenen um Schwarze gehandelt, die lediglich für ihre Bürgerrechte eintraten. Allein der Gedanke, es könnte sich anders verhalten haben, muss für Haltungsjournalisten schwer erträglich sein – wenn „das Gute“ sich als nicht ganz so moralisch einwandfrei entpuppt, muss man eben ein wenig nachhelfen.

Im Elfenbeinturm der deutschen Redaktionen weiß man genau, wie die Menschen da draußen Probleme lösen sollten: Nämlich genau so, wie man sie theoretisch selbst erledigen würde, käme man in die gleiche Situation. Dann müssen Ereignisse nur noch entsprechend bebildert und in den richtigen Rahmen gesetzt werden. Man plädiert zwar dafür, nicht mit dem politischen Gegner zu sprechen, glaubt aber, Killermaschinen mit Migrations- oder Aktivistenhintergrund durch Verständnis und gutes Zureden von ihrem Tun abhalten zu können. Margot Käßmann wirkt. Amen!

Keine Trennung mehr zwischen Meinung und Meldung

Die Einteilung in Gut und Böse muss unbedingt penibel erhalten bleiben. Das nächste Beispiel sind die europaweiten Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Ja – dabei ist es wohl auch zu Gewalttaten gekommen, es wurde mehrfach das Bild eines brennenden niederländischen Streifenwagens gezeigt – immer desselben Streifenwagens übrigens. Zumindest hat es diesen wirklich gegeben – im Gegensatz zu den Impfgegnern, die in München über eine Impfstation hergefallen sein sollen. Die Polizei wusste hierbei von nichts. Aber die Botschaft ist bereits in die Köpfe gepflanzt: Maßnahmengegner sind rabiate Typen, die marodierend durch die Lande ziehen. Europäische Solidarität hin oder her, mit derlei Gesellen verbrüdert man sich nicht. Wenn sie wenigstens für die gute Sache randalieren würden, wäre ihnen ein milder Umgang gewiss.

Täusche ich mich, oder wurde einst weitaus sorgfältiger zwischen Meinung und Meldung getrennt? Sprecher oder Sprecherin verlasen die Nachrichten, dann gab es ab und an einen Kommentar dazu, der deutlich als Meinung gekennzeichnet war. Das ist vollkommen in Ordnung so, denn es wird nicht der Anspruch auf Objektivität erhoben. Heutige Meldungen aber wollen beides in einem sein. Manifest und neutrale Meldung, das geht nur schwer zusammen. Aber selbst dies ist noch steigerungsfähig: Nun gibt es endlich einmal so etwas wie Kritik an der Bundespolitik seitens der Medien – aber nur deshalb, weil diese nicht noch härter bei den Maßnahmen durchgriffe; es fehle die „ordnende Hand“ kommentierte das ZDF-Magazin „Berlin direkt„. Deutschland ist wohl das einzige Land der Welt, in dem die Medien ohne Zwang nach Totalitarismus rufen. Und das ist bei alledem wohl das Verrückteste.

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