Horst D. Deckert

Und täglich grüßt das Hitler-Tier

„Du bist nichts, dein Volk ist alles“ (Foto:Imago)

Wenn der Zahnarztbohrer auf einen noch unbetäubten Nerv trifft: So ähnlich muss es sich für Sympathisanten der sozialistischen Ideologie anfühlen, wenn auf Parallelen zwischen Sozialismus und Nationalsozialismus hingewiesen wird. Ein jäher Schmerz und ein schriller Schrei, das ist gemeinhin die Folge. Üblicherweise folgt daraus der Vorwurf, jemand habe „den Nationalsozialismus relativiert” – die ultimative Waffe gegen jeden, der den unschuldigen Blick auf die Geschichte aller sozialistischen und kommunistischen Ideologien verloren hat. Jüngst passiert ist dies der Journalistin Anna Dobler, auf Twitter als „Die Doblerin” bekannt. Anlässlich des Jahrestags der Wannseekonferenz twitterte sie zunächst, die Beteiligten seien durch und durch Sozialisten gewesen. Auf den einsetzenden Proteststurm hin löschte sie den ersten Tweet und schrieb stattdessen, sie sehe Parallelen zwischen Nationalsozialismus und Sozialismus. Deshalb verlor sie nun ihre Anstellung.

(Screenshot:Twitter)

Nun kann man sicher darüber diskutieren, ob ein schrecklicher Anlass wie die Wannseekonferenz der richtige Zeitpunkt für eine Debatte über ideologische Systeme ist. Allein die Nennung dieser Konferenz löst bei mir eine Mischung aus Entsetzen und Wut aus, wenn ich an die eiskalte Planung des Massenmordes an den europäischen Juden denke. Der Anlass hätte aber auch ein anderer sein können, um einen allgemeinen Vergleich zwischen den Strukturen des NS-Regimes und denen sozialistischer und kommunistischer Staaten der Geschichte anzustellen. Schon Hannah Arendt löste bekanntlich Empörung aus, als sie als Beispiele totalitärer Systeme sowohl den Nationalsozialismus als auch den Stalinismus benannte – wie konnte sie es wagen, da Stalin doch nach allgemeiner linker Doktrin Deutschland befreit hatte? Obwohl Arendt selbst nur knapp mit dem Leben davongekommen ist, als sie vor den Nationalsozialisten aus Europa fliehen musste, wurde ihr derselbe Vorwurf gemacht: Sie relativiere die Nazis. Ihr ging es jedoch um die Analyse der zugrundeliegenden Denkweisen, nicht um einen historischen Vergleich; sie wollte warnen und nicht abwiegeln.

Es geht ihnen nicht um NS-Verbrechen

Es geht jenen, welche eine „Relativierung des Nationalsozialismus” beklagen, im eigentlichen Sinne gar nicht um die Verbrechen Hitlers und seiner Anhänger, sondern darum, sich aus der Schusslinie zu bringen und das Image des Sozialismus als grundsätzlich menschenfreundlicher Idee zu pflegen. Es geht auch nicht um die ermordeten Juden, denn jeder Linke, der einmal hinter einem „Palestine will be free – from the river to the sea”-Banner hergelaufen ist, stimmt damit der erneuten Ermordung von Juden zu. Vielmehr will man einen möglichst großen Abstand zwischen sich und die Nazis bringen, die man im Grunde nur benötigt, um die Verbrechen der eigenen Idole verharmlosen zu können. Denn jeder Verblendete ist grundsätzlich bereit, zur Durchsetzung seiner Idee auch Gewalt anzuwenden.

Nun haben Anhänger Hitlers und des Sozialismus schon einmal eine offensichtliche Gemeinsamkeit: Die Flucht in Illusionen über die Natur der von ihnen vertretenen Ideologie. Was dem Apologeten Hitlers sein „Wenn der Führer das gewusst hätte, wäre es nie so weit gekommen” ist, zeigt sich bei glühenden Sozialisten in der Ignoranz aller krachend gescheiterten Versuche, einen funktionierenden, sozialistischen Staat aufzubauen. Das ist nicht nur Verdrängung, die bei jedem eintritt, der sich einer Idee mit Haut und Haar verschrieben hat und deren Schattenseiten um jeden Preis ableugnen will – vor allem vor sich selbst. Eine weitere Gemeinsamkeit beider Ideologien führt darüber hinaus in letzter Konsequenz zum absoluten Verlust des Respekts vor menschlichem Leben: Der sowohl vom Nationalsozialismus als auch vom Sozialismus vertretene Kollektivismus, der sich zum Beispiel in den Versuchen zeigte, Familienstrukturen weitgehend zu zerschlagen und die Bürger in Kadern zu erfassen. Beide wussten bereits sehr gut mit dem Vorwurf des „Egoismus” zu operieren, der jeden traf, der sein näheres Umfeld über die „Volksgemeinschaft” stellte. Kommt uns das nicht ein wenig bekannt vor? „Du bist nichts, dein Volk ist alles” oder „Sag mir, wo du stehst”?

Störfaktor auf dem Weg zum ideologischen Endsieg

In letzter Konsequenz bedeutet das nichts anderes, als auf Menschen den Blick eines Produktionsleiters zu entwickeln, der mit seiner Maschine ein neues Produkt herstellt. Während dieser aber schon im finanziellen Eigeninteresse möglichst rasch seine Fehlversuche beenden will, findet der Ideologe immer einen neuen Feind, den er auslöschen will. Die Ermordeten und Drangsalierten verlieren aus seiner Sicht jeden Status als Mensch, sondern werden nur noch als Störfaktor auf dem Weg zum ideologischen „Endsieg“ betrachtet. Deshalb halte ich auch nichts davon, Opferzahlen gegeneinander aufzurechnen. Denn egal, wie viele es sind – wer einmal die Mordmaschinerie angeworfen hat, um seine Ideologie durchzupeitschen, hört nicht damit auf, es sei denn, man stoppt ihn. Weniger Tote sind nicht Zeichen eines „besseren Systems”, sondern lediglich der Mangel an Gelegenheit, mit dem Morden fortzufahren.

Es erstaunt mich immer wieder, wie leicht es Linken fällt, die historischen Erfahrungen mit ihrem System von sich abzuschütteln wie ein Stäubchen auf der Kleidung. Noch schlimmer ist eigentlich nur, dass es ihnen immer wieder auch von der Gesellschaft abgekauft wird und viele jederzeit bereit sind, ihnen wieder und wieder eine Chance einzuräumen. Man kann mit dem Konterfei des Massenmörders Che Guevara auf einem T-Shirt durch die Stadt laufen und wird wohl kaum gefragt „Spinnst du?”, sondern höchstens „Cool, wo hast du das her?”. Links sein ist romantisch verklärt, denn der Ruf nach Gerechtigkeit und Abschaffung der Armut trifft nahezu bei jedem einen Nerv. Es ist auch nicht so, dass man sich große Mühe geben würde, die Mittel zu verschweigen, die man zur Erreichung dieser Ziele anzuwenden bereit wäre. Linke sind in dieser Hinsicht die wahren Populisten, ein bisschen Enteignung und Zwang geht immer, wenn man es der Bevölkerung nur als Weg in eine bessere Gesellschaft verkauft.

So sehr ich den Nationalsozialismus schon aus eigener Betroffenheit verachte, so wenig halte ich von einer Verharmlosung linker Ideologie. Stalin, Pol Pot oder auch Ceaucescu haben in einer Liga des Verbrechens gespielt, aus der sie auch mit dem Hitler-Vergleich nicht auf ein harmloses Level gebracht werden können. Alle vier haben sich als Linke gesehen und ihre Heimat in dieser Ideologie gefunden. Wer in dieser Beziehung von „Relativierung” spricht, streut anderen lediglich Sand in die Augen und verweigert sich der Realität. Umso schlimmer, wenn er dann auch noch mit unhaltbaren Unterstellungen die Existenz des Kritikers zu vernichten versucht – und damit seinen eigenen Totalitarismus unter Beweis stellt.

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