Horst D. Deckert

Maskenlos durchs Land: Au revoir, mon Cheri!

Deutsche Bahn: Nur mit Maske an Bord (Symbolbild:Imago)

Wieder einmal fahre ich ohne Maske in der Bahn durch Deutschland – auf dem Weg zu einem der wenigen verbliebenen Jobs bzw. Arbeitseinsätze, die der Herrschaft des Corona-Dämons und seiner Handlanger noch nicht zum Opfer gefallen sind.

Es ist noch nicht einmal 11 Uhr morgens und ich habe schon die erste Auseinandersetzung wegen meines freien, gottgegebenen Gesichts hinter mir. Wie in 98 Prozent der Fälle war es eine Dame der höheren Gesellschaft, die sich wieder einmal zur Übergriffigkeit berufen fühlte und mich auf meine fehlende Maske hinwies. Meine Maskenbefreiung quittierte sie mit einem verächtlich-empörten Schnauben, nach der Devise: „Wieder so eine, die versucht, sich auf hinterlistige Weise dem verordneten Gleichschritt zum Wohle aller zu entziehen.” Und weil ein solches Ausscheren natürlich nicht hingenommen werden kann, versuchte die verhinderte Lageraufseherin gleich mehrfach, mich zum Tragen der Maske zu zwingen, da ich verpflichtet sei, sie dadurch zu schützen. Dass sie ihr Gegacker 1,50 Meter von mir entfernt hinter einer luftdichten FFP2-Maske abließ, genügte ihr selbstverständlich nicht als Schutz.

Erlebnisse dieser Art sind sehr erhellend, denn sie erbringen den Beweis, dass es bei solchen Maßregelungen letztlich eben nicht um Schutz, sondern um die Durchsetzung von nicht zu hinterfragenden Regeln als Selbstzweck sowie um die Befriedigung primitiver ureigener Machtgelüste geht. Dies hatte der mit besagter Hobby-Blockwartin reisende Cordhosen-Ehemann mit runder Intellektuellenbrille und schütterem, grauem Hippiehaar wohl auch schon aus leidvoller Erfahrung eingesehen; anders konnte ich mir nämlich nicht erklären, dass er sich während des gesamten Wortgefechts peinlich berührt hinter seinem Buch versteckt und keinen einzigen Mucks von sich gegeben hatte.

Leidvolle Erfahrung

Und in der Tat – diese Maskenaufseherin war ein harter Brocken. Erst als ich sie fast anschrie: „Dann setzen Sie sich doch um, wenn Sie sich noch immer ungeschützt fühlen”, herrschte endlich Funkstille. Vermutlich trifft dies auch der Grundzustand ihrer Ehe. Einen Moment lang fühlte ich Mitleid mit ihrem Gatten, erinnerte mich aber dann an den bewährten Spruch meiner Oma: „Wie man sich bettet, so liegt man.

Noch unter dem Eindruck dieser Auseinandersetzung steige ich in den nächsten Zug und arbeite mich reichlich genervt mit meinem Koffer durch den engen Gang zum winzigen 1.-Klasse-Abteil des Nahverkehrszugs vor, das über lediglich neun Sitze verfügt. Hinter mir spüre ich einen gestressten Geschäftsmann. Er rückt mir so nah auf die Pelle, dass ich Mühe habe, die schwere Glastür aufzuziehen, um überhaupt in das Abteil gelangen zu können.

Wie in Unrechtssystemen ratsam und überlebenswichtig, mache ich mir zum Selbstschutz sogleich ein Bild von der Lage: Auf dem Vierersitz sitzt ein älterer, untersetzter Malocher mit brauner Schmuddelmaske, die halb unter seinem Gesicht hängt. Schräg rechts sitzt ein junger Mann ohne Maske. Er ist vielleicht Ende zwanzig, schlank und schlaksig. Sein braunes Haar ist leicht zerzaust und seine Augen blicken verträumt in die Gegend. Sein gesamtes Wesen strahlt Sanftmut aus und auf seinem Gesicht liegt ein leichtes Lächeln. Irgendwie erinnert er mich an den jungen Alain Delon.

Schnell schlängle ich mich hinter Mr. Schmuddelmaske auf den Zweiersitz, damit der drängelnde Geschäftsmann auch noch hinein kann. Er setzt sich mit seinem schwarzen Aktenkoffer zackig auf den Einersitz auf der anderen Seite des schmalen Ganges von mir und sondiert ebenfalls die Lage. Seltsamerweise scheint er mein maskenfreies Gesicht zu übersehen und greift statt dessen sofort den jungen, maskenlosen Mann an, der vor ihm sitzt: „Sie müssen eine Maske tragen!”, tönt es dumpf aus seiner Schnabelmaske.

Aufschlussreiche Dialoge

Der junge Mann erwidert mit einem entzückenden französischen Akzent: „I am vaccinated!

Das ficht den Geschäftsmann nicht an. Er beugt sich von seinem Sitz aus nach vorne und schnabelt den Franzosen direkt an: „Here in Germany you must wear a mask. It is the law.

Der Franzose: „But I am vaccinated!

Der Schnabler: „Me too.”

Der Franzose: „But then you are protected.

Gerade als der Schnabler Atem holt, um den Franzosen weiter unter Druck zu setzen, rastet der Malocher mit Schlabbermaske vor mir aus. Er hatte sich zwar bislang ruhig verhalten, aber ebenso wie ich konnte er in einem solch kleinen Abteil gar nicht anders, als das Gespräch mitzuhören: „Jetzt lassen Sie ihn doch in Ruhe. Es reicht, wenn die Regierung uns gängelt. Das ist doch nur ein Maulkorb und schützt sowieso nicht. Sie benehmen sich wie unter Hitler.

Ich pflichte ihm bei: „Ihre Maske schützt Sie doch nur, weil Sie daran glauben.

Der Schnabler will ansetzen, etwas zu erwidern, doch Schlabbermaske unterbricht ihn brüsk: „Es reicht jetzt! Es wäre wirklich gut, wenn Sie einfach mal den Mund halten und die Leute in Ruhe lassen. Hier ist 1. Klasse und keine Holzklasse.

Schnabler: „Wie reden Sie überhaupt mit mir!? Ich habe diesen Ton nicht benutzt. Wie kommen Sie dazu, mich mit der Hitlerzeit zu vergleichen?

Daumen hoch für den Sieg

Und nun spielten Schlabbermakse und ich uns regelrecht die Bälle zu.

Ich: „Sie gängeln diesen jungen Mann und lassen ihn nicht in Ruhe. Das ist in der Tat wie unter Hitler. Denn damals gab es viele kleine Hitlers, die andere ständig gemaßregelt haben. Vermutlich merken Sie nicht einmal mehr, wie Sie sich verhalten.

Erneut will der Schnabler lospicken, doch der wütende Schlabbermasken-Malocher schreit ihn nun richtig an: „Bleiben Sie doch einfach mal sitzen und sagen nichts.

Dann herrscht Ruhe.

Ich stupse Schmuddelmaske von hinten an und zeige ihm ein „Daumen hoch”. Er erwidert mein Zeichen. Zufrieden lehne ich mich zurück und genieße unseren Sieg.

Doch die Geschichte ist noch nicht vorbei. Zu meinem großen Erstaunen sucht der junge Franzose plötzlich das Gespräch mit dem Schnabler und fragt ihn, ob er denn ewig so mit der Maske leben wolle. Nachdenklich erwidert der: „Nein.”

Der Franzose: „Glauben Sie an die Wirksamkeit der Impfung?

Der Schnabler: „Nicht ganz…

Oha!

Eine verständnisvolle Schaffnerin

Der Franzose: „Ich kann und will einfach nicht mehr so leben. Wir müssen uns mit dem Virus anfreunden.

Ich beobachte, wie sich ein ruhiges, respektvolles Gespräch zwischen den beiden entspinnt. Auch in mir kommt etwas in Bewegung. Ich bewundere den jungen Franzosen für seine Standhaftigkeit und Sanftheit. Für seine Fähigkeit, das Gespräch mit einem Menschen zu suchen, der ihn noch kurz zuvor angegriffen hat.

Doch dann nähert sich die Schaffnerin. Ich bedeute dem Franzosen, dass es jetzt maskenkritisch wird. Er kramt eine Maske vor und setzt sie sich mehr schlecht als recht unter der Nase auf. Die Schaffnerin ist jedoch mehr an seinem Ticket interessiert. Dieses gilt nur für die 2. Klasse, und so verweist sie den jungen Alain Delon sehr höflich und freundlich in das andere Abteil.

Während ich mein Maskenbefreiungsattest hervorkrame, geht er an mir vorüber. Ich lächle ich ihn an und sage: „Au revoir, mon cheri!”. Er lächelt zurück.

Die Schaffnerin schaut mein Attest – wie mir scheint, mit voller Absicht – gar nicht richtig an und sagt entschuldigend: „Leider muss ich Sie danach fragen.

Wenig später erreiche ich meinen Zielbahnhof. Auf meinem Weg nach draußen sehe ich den sanften Franzosen ein letztes Mal. Er sitzt mit seinem schönen, freien Gesicht allein auf einem Zweiersitz. Ich lasse es mir nicht nehmen und sage: „You are very courageous, my dear!”.

Wir lächeln uns an und ich mache mich auf zu meiner S-Bahn. Das war bereits die zweite Maskengeschichte an diesem Tag – und es ist noch nicht mal 12 Uhr. Tatsächlich erlebe ich später noch eine dritte Episode – doch diese wird Gegenstand meiner nächsten Maskengeschichte sein.

 

Dieser Beitrag erscheint auch auf Conservo.

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