Horst D. Deckert

Linksgrüne Kehrtwende: Wehrpflicht statt Wehrkraftzersetzung

SPD-Verteidigungsministerin Lambrecht mit Parteichef Lars Klingbeil (r.) beim Truppenbesuch: Schluss mit der Ära der Hampelmänner! (Foto:Imago)

Der Krieg in der Ukraine führt in der deutschen Politik binnen weniger Tage zu teilweise ganz erstaunlichen 180-Grad-Wendemanövern. Dazu gehört, neben einem realpolitischen Teilerwachen in der Energiepolitik, vor allem die als „Umdenken” verbrämte (ob hier viel „gedacht“ wurde, sei dahingestellt) Neuausrichtung der Verteidigungspolitik – und zwar in „Regierung” und „Opposition”, soweit unterscheidbar, gleichermaßen. Dass die bislang rüstungs-, soldaten- militärfeindliche SPD auf einmal all das wiederentdeckt, was früher in der Landesverteidigung völlig selbstverständlich war, ist mindestens so bemerkenswert wie die opportunistische Situationsanpassung von weiten Teilen der CDU, die schließlich 2011 die Wehrpflicht „ausgesetzt” und damit faktisch abgeschafft hatte. Jetzt, nachdem die Früchte dieser Bundeswehrverzwergung und -verhöhnung sichtbar werden und Deutschland militärisch so hilflos wie eine tibetanische Mönchsrepublik im Angesicht der Bedrohung dasteht, führen sie alle plötzlich das große Wort und reden von Erhöhung der Wehrbereitschaft.

Zum neuen Wind, der weht und alles sogleich von einem Moment verändert, gehört auch die Debatte über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer und Frauen nach deren Schulzeit. Diese solle sich nicht auf die Bundeswehr beschränken, sondern etwa auch auf den Pflege- und Sozialbereich. Auch SPD-Sicherheitsexperte Wolfgang Hellmich befürwortete eine solche Dienstpflicht, die „den Gemeinsinn fördern” würde. Eine entsprechende Debatte müsse „dringend” geführt werden. Allerdings müsse auch die Bundeswehr attraktiver gemacht werden: „Wir brauchen eine professionell ausgerüstete und agierende Bundeswehr. Da sind wir über die allgemeine Wehrpflicht weit hinaus.” Auch die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sara Nanni, betonte die Notwendigkeit, „zu allererst in das Personal” zu investieren, denn dieses sei „das Rückgrat der deutschen Verteidigungspolitik”.

Jahrzehntelange strukturelle Bundeswehrzerstörung

Was hier vorgebracht wird, sind genau die Argumente, die diejenigen, die sie jetzt ins Feld führen, zuvor nie hören wollten und sträflich ignoriert haben – obwohl die Kritiker der sträflichen strukturellen Bundeswehrzerstörung sie gebetsmühlenartig vorgetragen hatten. Wenigstens kann man denen, die jetzt so tun, als seien dies ganz neue Erkenntnisse, zugute halten, dass sie – besser spät als nie – nun auf der richtigen Seite stehen. Es gibt noch schlimmere Kantonisten, die selbst trotz des Ukrainekrieges den Schuss nicht gehört haben – und weiterhin Kritik an der Wiedereinführung der Wehrpflicht üben; diese Unverbesserlichen finden sich nicht nur in den linken Parteien, sondern auch in der CDU und der FDP, wo man anscheinend meint, Freiheit gäbe es gratis und sie müsse nicht verteidigt werde. Der Tenor ist hier der, dass die Wehrpflicht „unzeitgemäß” sei (was sie sicher nicht ist) und „der dringend erforderlichen Modernisierung der Bundeswehr nicht förderlich” wäre (als ob das eine etwas mit dem anderen zu tun hätte!)

Dass zu diesem eine Dienstpflicht ablehnenden Lager ausgerechnet auch die SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht gehört („Ich kann nur davon abraten, jetzt über Wehrpflicht zu diskutieren”), die damit erneut der eigenen Truppe in den Rücken fällt, aber auch ihre Parteigenossin Eva Högl – die wohl fulminanteste Fehlbesetzung aller Zeiten im Amt der Wehrbeauftragten -, zeigt, dass sich nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ etwas in der Führungsbesetzung der Truppe etwas ändern muss: Als erstes müssten dort fachfremde, ideologiestrotzende Quotenhausfrauen, Bedenkenträger und Polit-„Amateur*Innen” verschwinden, und stattdessen Politiker (und eben nicht länger „-Innen”!) mit Durchsetzungsstärke, tunlichster Diensterfahrung und militärischem Sachverstand oder zumindest natürlicher Autorität an die Schalthebel zurückkehren. Damit wäre im In- und Ausland schon viel gewonnen.

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