Der Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen ÖVP-Korruption begann mit einem Riesen-Eklat. Denn der umstrittene Vorsitzende der ÖVP, Wolfgang Sobotka, ließ offenbar die Tonanlage umprogrammieren. So sollte nur er den jeweiligen Abgeordneten das Wort erteilen können – und es ihnen bei Bedarf auch wieder entziehen. Dieses Ansinnen scheiterte schließlich am Widerstand der übrigen Parteien. Gleich an diesem ersten Tag ist Kanzler Karl Nehammer (ebenfalls ÖVP) als Auskunftsperson geladen. Die ganze Republik fragt sich: Was wusste der neue starke Mann an der Spitze der Volkspartei über die ominösen Vorgänge im Umkreis seines Vorgängers?
Sobotka wollte unbedingt Ausschuss-Vorsitz
Am heutigen Mittwoch beginnt der Ausschuss, der das Ausmaß der türkis-schwarzen Machenschaften und Netzwerke aufdecken soll. Sobotka selbst ist schwer angeschlagen, geriet zuletzt selbst ins Visier: Wie Wochenblick berichtete, fuhrwerkte er in seiner Zeit als Innenminister intensiv im Sinne der ÖVP-“Familie”, musste offenbar sogar eine Liste über seine Interventionen führen. Obwohl der Ruf nach einem Verzicht des Vorsitzes im Ausschuss immer lauter wurde, klammerte er sich an das mächtige Amt.
Schon im vorangegangenen “Ibiza”-Ausschuss machte er eine kritikwürdige Figur. Für ihn kein Grund, kürzer zu treten. Er rechtfertigte den Vorsitz zuletzt mit steilen historischen Vergleichen. Er warnte vor einer Situation wie bei der sogenannten “Selbstausschaltung des Parlaments” im Jahr 1933. Damals führten Unregelmäßigkeiten bei einer Abstimmung dazu, dass nacheinander alle drei Nationalratspräsidenten ihr Amt niederlegten. Daraufhin erkannte der “christlich-soziale” Kanzler Engelbert Dollfuß die Gelegenheit eines Staatsstreichs und errichtete für die ÖVP-Vorgängerpartei einen autoritären Ständestaat.
Er wollte Herr über die Mikrofone sein
Nach Kritik am Vergleich ruderte Sobotka zurück – den Vorsitz behielt er aber. Dabei versuchte er sich gleich an der nächsten “Sobotage”: Nur er allein sollte bestimmen dürfen, wer wann das Wort im Ausschuss hat. Dafür wurde offenbar sogar die ganze Tonlage umprogrammiert. Anstatt wie bisher hätten sich die Abgeordneten nicht selbsttätig zu Wort melden dürfen, sondern hätten darauf vertrauen müssen, dass Sobotka sein Knöpferl drückt…
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Nehammer gab sich wie Unschuld vom Lande
Mit seinem interessanten Verständnis dieser Rolle sicherte sich Sobotka die Schlagzeilen des Tages. Damit verzögerte sich der Beginn. Und dieser erste Tag hat es in sich: Es findet die Befragung seines Parteifreunds, Kanzler Karl Nehammer, statt. Dieser diente von 2018 bis 2020 als Generalsekretär der Volkspartei. Dabei beteuerte er, nicht ins “Projekt Ballhausplatz” seines Vorgängers Sebastian Kurz involviert gewesen zu sein. Der einstige türkise Messias musste nach Vorwürfen über Postenschacher und Medienkauf in seinem Umfeld im Oktober seinen Hut als Regierungschef nehmen.
Nichtdestotrotz steht auch Nehammer im Ruf, den Aufbau eines “tiefen Staats” zumindest goutiert zu haben. Er musste etwa auch Fragen beantworten, wie es sein konnte, dass bei seinem “Umbau” des Verfassungsschutzes mit Omar Haijawi-Pirchner ausgerechnet eine Personalie zum Zug kam, die ein Naheverhältnis zur Volkspartei pflegen soll. Aber auch die Vorgänge im ÖAAB Niederösterreich, laut FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker der “Dreh- und Angelpunkt” des Interventionswesens war, bräuchten eine Beleuchtung, ebenso die generelle Leitungsposten-Vergabe im Innenministerium während Nehammers Zeit im Ressort.
Unzählige Verflechtungen mit schiefer Optik
Denn die Verteilung von Spitzenposten im Innenressort an Parteigänger hörte auch unter Nehammer nicht auf. Auch sonst könnte Nehammer womöglich eine größere Rolle zukommen, als er selbst zugeben möchte. Denn der nunmehrige Kanzler gilt als exzellenter Netzwerker mit guten Verbindungen in die niederösterreichische Landespartei. Just in der Zeit, als Kurz seinen Aufstieg plante und in der Folge orchestrierte, war Nehammer nicht nur Wien-Chef des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB, sondern auch dessen bundesweiter Generalsekretär.
Der Kanzler ist nicht die einzige pikante Auskunftsperson am Mittwoch. Auch der Unternehmer und ÖVP-Großspender Alexander Schütz, der sich beim letzten U-Ausschuss per Auslandsreise der Ladung entzog, musste Rede und Antwort stehen. In der Vergangenheit ließ er einen wegen Korruptions-Vorwürfen umstrittenen ukrainischen Oligarchen in seiner Villa residieren, dessen Flugzeug wiederum einst zum Schmieden einer Impf-Allianz nach Israel beförderte. Schütz selbst wurde in der Wirecard-Affäre, die sich ebenfalls teils im türkisen Umfeld abspielte, impliziert.
“Hure der Reichen”-Schmid schwänzt Befragung
Seinen Ladungstermin nach wahrgenommen hat indes Kurz-Intimus Thomas Schmid, der sich wegen eines Auslandsaufenthalts entschuldigen lässt. Der ehemalige Generalsekretär im Finanzministerium schrieb sich einst die eigene spätere Stelle als Chef der staatlichen ÖBAG aus. Nach Ansicht von Kurz und dessen Ex-Finanzminister Gernot Blümel gilt dieser als wichtiger Teil der türkisen “Familie”. Dessen geleakte Chat-Verläufe zeichnen ein düsteres Sittenbild türkiser Machtpolitik und erwecken nach Ansicht vieler Kritiker den Anschein einer Käuflichkeit der Politik im ÖVP Umfeld.
Unvergessen ist dabei seine Aussage gegenüber einem Finanzmitarbeiter, wonach der Dienst in einem ÖVP-Kabinett bedeute, dass man “die Hure für die Reichen” sei. Damals ging es um den Erlass einer massiven Steuerschuld des superreichen Investors Siegfried Wolf. Auch dieser sollte am Mittwoch vor dem Untersuchungsausschuss aussagen, sagte diesen Termin aber ab. Wie Schmid muss er nun neu geladen werden.