Horst D. Deckert

Kriegstreiberei und Russland-Bashing bei „Bild“

„Bild“, Krieg und Blut (Symbolbild:Imago)

Bei aller berechtigten Kritik an der durch nichts zu rechtfertigenden russischen Invasion in der Ukraine fühlt man sich  durch die geradezu propagandahafte „Berichterstattung“ einiger deutscher Medien doch schon fast an die „Jeder Schuss ein Russ`”-Stimmungsmache vom Sommer 1914 erinnert; zur Erinnerung: In der verballhornten Version eines Volksliedes hatte es während des Ersten Weltkrieges geheißen: „Die Russen sind alle Verbrecher, Ihr Herz ist ein finsteres Loch…”. In diese Zeit fühlt man sich heute mitunter wieder zurückversetzt. Besonders unrühmlich tun sich hier seit Anbeginn der militärischen Aggression der Axel-Springer-Verlag im Allgemeinen und die „Bild”-Zeitung im Besonderen hervor. Der russische Präsident Waldimir Putin wird hier fast durchgehend als „Kreml-Tyrann bezeichnet, und die Berichterstattung strotzt nur so von emotionalen, polemischen Anfeindungen, die durchaus geeignet sind, eine „Stellvertreter.-Pogromstimmung” gegen eben nicht nur tatsächliche, sondern auch nur vermeintliche „Putin-Sympathisanten“ loszutreten (siehe hier und hier). Vor diesem Hintergrund muten die gleichzeitigen Mäßigungsappelle und Verurteilungen antirussischer Übergriffe in Deutschland wie pure Heuchelei an.

Besonders dreist trieb es Ex-„Stern”-Chef Hans-Ulrich Jörges, der in Bild-TV sogar unverhohlen zu Putins Beseitigung durch einen Putsch aufrief. Welche Folgen es hätte, wenn der größte Flächenstaat der Welt, der auch die weltgrößte Atommacht ist, in innenpolitische Konflikte, womöglich bis hin zum Bürgerkrieg, versänke – das scheint sich Jörges nicht zu fragen.

Genüsslich wird in „Bild“ auch über die Jagd auf Jachten russischer Oligarchen berichtet und triumphierend die Beschlagnahme der Jacht des „Protz-Russen” und „Putin-Freundes” Andrey Melnitschenko vermeldet; wenn derselbe Melnitschenko, auch wegen der sich abzeichnenden Nahrungsmittelkrise, dagegen auf Frieden drängt, wittert „Bild” dahinter vor allem die Sorge um das eigene Vermögen als Motiv. Auch „Putins Diamanten-König” Sergei Iwanow (der noch dazu ja ein „Spion-Spross” ist) habe, so das Revolverblatt, ein „Klunker-Problem”, weil die USA ein Embargo auf russische Luxuswaren verhängt haben. Und immer wieder wird bei „Bild“ die Frage aufgeworfen: „Brauchen wir Putins Gas wirklich so dringend?” Der russischen Delegation wird bei den Verhandlungen mit der Ukraine grundsätzlich und pauschal Verlogenheit unterstellt. In diesem Duktus geht es unablässig weiter. Dass mit diesen Anfeindungen, wenn sie sich auch gegen konkrete Personen richten, aufgrund ihrer unsäglichen Primitivität unterschwellig immer auch uralte Russen-Klischees bedient werden, nimmt man billigend in Kauf, sofern überhaupt ein Bewusstsein dafür besteht.

Um der Schwarzweißmalerei Genüge zu tun, wird selbstverständlich zeitgleich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Lichtgestalt gemalt, wird als „Helden-Präsident” und „großer Staatsmann” gefeiert, der seine Hauptstadt „in vorderster Front verteidigt. Der Glorienschein färbt sogar auf seine Ehefrau, seine Familie und sein selbstloses patriotisches Umfeld ab.

In dieser Art der Meinungsmache ist jedes Augenmaß verlorengegangen – wenn es denn je vorhanden war. Dass gerade in Kriegszeiten eine kritische Distanz zu den Verlautbarungen aller Beteiligten geboten ist, wird völlig ignoriert. Stattdessen wird die ukrainische Sicht der Dinge prinzipiell unhinterfragt übernommen. Dabei sollte „Bild“ wissen, dass man sich sich keinesfalls automatisch zum Verteidiger der russischen Aggression macht, wenn man die rudimentärsten Grundsätze der journalistischen Neutralität oder Ausgewogenheit beachtet.

Dass bei „Bild“ so manche Sicherungen durchgeknallt und selbst die „Edelfedern” von allen guten Geistern verlassen sind, hatte bereits Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner Anfang März bewiesen. Der CEO steht seit der Affäre um den geschassten Bild-Chefredakteur Julian Reichelt und deren mutmaßlicher Vertuschung unter immensem Druck. In einem wie im Fieberwahn geschriebenen Kommentar hatte Döpfner kurz nach Kriegsausbruch  gefordert, die Nato-Mitglieder müssten „…JETZT handeln. Sie müssen JETZT ihre Truppen und Waffen dahin bewegen, wo unsere Werte und unsere Zukunft NOCH verteidigt werden. Zur Not ohne Nato.” Die „formalen Debatten” um den den Verteidigungsfall definierenden Artikel 5 des Nato-Vertrages würden „das Problem verschleiern”.

Stattdessen müssten Frankreich, England, Deutschland und Amerika „als Allianz der Freiheit Putins mörderisches Treiben mit ihren Truppen und Waffen in Kiew und mit dem modernsten Cyber-War in Moskau beenden.” Und weiter: „Wenn das geschieht und nicht schnell gelingt, droht eine Eskalation bis zum 3. Weltkrieg. Wenn es nicht versucht wird, bedeutet das Kapitulation. Die Freiheit ist dann eine Phrase. Das transatlantische Bündnis eine Fußnote. Die Demokratie ein Auslaufmodell.” 

Döpfner dürfte nicht entgangen sein, dass es genau solch irrsinnige Scharfmacherei ist, die eine „Eskalation bis zum 3. Weltkrieg”  am Ende tatsächlich befördert. Folgerichtig stieß Döpfners Forderung dann auch (endlich) auf vehemente Kritik (siehe hier und hier).

Es bleibt zu hoffen, dass sich auch die Politik von dieser bellizistischen Dauerberieselung nicht in eine weitere Eskalationsspirale hineintreiben lässt – und „Bild“ wieder zu etwas Nüchternheit und Augenmaß zurückkehrt. Denn es wird irgendwann auch noch eine „Nachkriegszeit“ geben – auch für die deutsch-russischen Beziehungen.

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