Dieser Tage erfuhr ich von einer jungen Expertin für Sexualpädagogik, die in regelmäßigen Kolumnen im reichweitenstärksten Medium Österreichs (der „Kronen Zeitung”, kurz die „Krone” genannt) einem gesellschaftlichen Defizit Abhilfe verschaffen möchte. Das geortete Defizit: In der Öffentlichkeit gebe es zu wenig Wissen über Sex! Die Expertin plädiert daher für verstärkte Sexualbildung und informiert hierzu in ihren didaktischen Kolumnen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gender & Sexuality Studies, Intimitäts- und Sozialforschung, Bildungssoziologie, Ungleichheit, soziale Klassen und Kultur sowie feministische Psychologie. Meine Recherche bestätigte das, was ich geahnt hatte: Wieder soll hier ein ideologie-affines Erziehungsmodell von einer Person mit stark links-rot geprägtem Hintergrund in Umlauf gesetzt werden. Und was bietet sich da mehr an, als die Sexualität kollektiv auf Linie zu bringen?
Hatten nicht Jahre zuvor schon willige Pädagoginnen – ausgestattet mit teils pädophil anmutenden Experten-Curricula – in den Kindergärten und Grundschulen begonnen, die Kinder darüber aufzuklären, wozu das menschliche Hinterteil, außer der Defäkation, noch so alles dienen kann? Oder dass das Geschlecht völlig unwichtig, jedoch die Möglichkeit, sich mit einem anderen als dem angeborenen Geschlecht zu identifizieren, der kreativen Freiheit letzter Schluss sei? Offenbar gewinnt ein Geschlecht erst dann an Wichtigkeit, wenn es gewechselt wurde. Und ist nicht auch die woke Jugend inzwischen so konditioniert, dass sie das Changieren zwischen den Geschlechtern als state of the art betrachtet – als Praxis zugunsten der ultimativen Gendergerechtigkeit? Und da Sexualität nicht nur ein individueller Status, sondern auch ein viel tiefer operierender Gesellschaftsmotor ist, bedarf es der Bestversorgung mit entsprechenden Anleitungen.
Der „Orgasmus-Unterschied”
Die eingangs erwähnte Sexualpädagogin, Dr. Barbara Rothmüller aus Wien, stellt in ihrem in der „Krone“ am 26. März erschienenen Beitrag die Frage, warum Frauen mit Männern seltener einen Orgasmus erleben als ohne (Mann), und schreibt dazu folgendes: „Zu wenig Wissen über die Klitoris und ihre Bedeutung für weibliche Lust sind nicht der einzige Grund für den Orgasmus-Unterschied, wonach Frauen häufiger einen Orgasmus in lesbischen Partnerschaften und bei der Selbstbefriedigung als mit Männern erleben.” Die Richtung ist eindeutig: Der Mann wird als Sexualpartner abgewertet, sogar für unnütz erklärt, denn er weiß nichts über die Bedeutung der Klitoris und somit über die Lustfähigkeit der Frau. Mit anderen Worten: Er kann mit dem weiblichen Körper eigentlich gar nicht umgehen, das handhaben Frauen einfach viel besser. Eine klare Absage an die heterosexuelle Verbindung Mann-Frau. Demnach soll künftig die homosexuelle Interaktion das anachronistische Hetero-Modell ersetzen. Penetration gilt grundsätzlich als unerwünscht, als ein fascho-patriarchales Relikt der Machtdemonstration des Mannes über die Frau, und bringt überdies keinerlei Lustgewinn für Letztere. Aus feministischer Sicht ist Penetration ein voller Rohrkrepierer.
Mit solchen hanebüchenen Interpretationen suchen linke Feministinnen gezielt die intimste Privatsphäre der Menschen heim. Was sind das für bedauernswerte Geschöpfe, die in einer heterosexuellen Interaktion noch nie Lust verspürt, geschweige denn, je einen Orgasmus erlebt haben? Es ließe sich freilich einräumen, dass dies auch an miserablen männlichen Partnern gelegen haben könnte – derer es aufgrund des makaberen Testosteronschwundes bei westlichen Männern auch nicht wenige gibt. Aber ist es nicht so, dass Frauen – genau wie Männer – ihre Sexualpartner selbst auswählen, sie die Führung in der sexuellen Interaktion übernehmen und dem Mann signalisieren können, was ihnen gut tut? Sind nicht viele Menschen oft rat- und einfallslos, weil beim Sex die Kommunikation versagt und ein Feedback ausbleibt? Grundsätzlich gilt, dass dort, wo sexuelle Lust entsteht und sich den Weg zum anderen bahnt, natürliche Prozesse ihren Lauf nehmen und sich im erotischen Fluxus entfalten. Dabei kann ein Paar großartige Performances mit physischen, mentalen und emotionalen Höhepunkten erleben. Oftmals fehlen hierfür allerdings Wille und Voraussetzungen – denn entweder folgt man der Mathematik der unverbindlichen Promiskuität, oder führt eine solitäre Existenz mit beliebiger Masturbationsfrequenz. Das sexuelle Erleben nährt sich dann aus der introversiven Substanz einer „situationship”. Eine dritte Variante hat sich in heutigen Zeiten offenbar ebenso ihren Platz gesichert: die bewusste Asexualität, mit der sich neuerdings häufig Frauen brüsten.
Von der Freien Liebe zur Askese
Sexualpädagogin Rothmüller stellt in einem weiteren Statement zum Orgasmus-Unterschied und dessen Ursachen generalisierend fest, dass Sexualität in Filmen und Medien häufig männerzentriert dargestellt würde. Das ist wieder so ein alt-feministisches Geschoss, das den heutigen Tatsachen wenig gerecht wird; denn einerseits ist die weibliche Präsenz in den meisten Filmen mittlerweile sehr hoch, andererseits sind viele weibliche Figuren nicht nur mit einer anregenden Portion Sexappeal ausgestattet, sondern auch mit einem Selbstbewusstsein, das keine weibliche Opfertheorie zulässt. Besonders der französische Film war und ist diesbezüglich immer sehr erfrischend, der ohne die larmoyanten Klischees von Männerdominanz und Frauenunterdrückung auskommt und gerade dadurch einen besonderen erotischen Reiz ausübt.
Wenn Rothmüller mit dem Vorwurf der sexuellen Männerzentriertheit ins Gefecht zieht, meint sie das auch insofern, als sexuelle Praktiken abseits der Penetration lediglich als „Vorspiel“ gelten, das man pflichtgemäß hinter sich bringt, um möglichst schnell zur Sache (eben zur Penetration) zu kommen, wobei „weibliches Begehren und manuelle Stimulation ins Hintertreffen” geraten würden. „Dabei lebt Sexualität von der Berührung und dem Spiel mit der Berührungsintensität!“, so die Pädagogin. Allerdings liest sich das eher wie Anleitungen für Greise, denen nichts mehr anderes übrigbleibt, als einander mit zitternden Händen abzugreifen, wenn es deren geschundene Körper überhaupt noch wollen. So geht Sexualität ohne Sex.
An einem ähnlichen Punkt sind übrigens auch Rainer Langhans und seine Gespielinnen angelangt, die in den frühen 1970er Jahren in der Kommune 1 in Berlin mit „freiem Sex” (heute Polyamorie genannt) die Zukunft herausforderten, gemäß dem linksradikal-promiskuitiven Leitspruch „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment!“). Doch dann, im späten Seniorenmilieu operierend, pflegten die Ex-Kommunarden den „weichen Sex”, die haptische Reduktionsvariante für Alt-Revoluzzer vor dem sexuellen Stillstand. Rainer Langhans selbst übrigens, einer der Ersttrompeter der Freien Liebe, entschied sich im Alter für eine mönchisch-asketische Existenz.
Penetration als Gewaltakt
Zurück zur Sexualpädagogin. Rothmüller setzt mit ihrem manuellen Lust-Schwerpunkt gleich zwei Sexualorgane, nämlich Vagina und Penis, außer Kraft und leugnet kurzerhand den bilateralen lustspendenden Aspekt der Penetration, indem sie in Letzterem einen Gewaltakt sieht. Nichts Neues also in der feministischen Diktion: Der Mann ist immer der Aggressor, die Frau wird stets nur von blinder männlicher Begierde heimgesucht und sträflich in ihrem Lustempfinden übergangen, wenn nicht missbraucht. Die notorische Opfertheorie. Der Weg aus dem Dilemma soll die Frauen deshalb weit weg von der Männer-zentrierten Sexualität führen, nämlich in die liebevoll tastenden Hände des eigenen Geschlechts! Gähn…
Doch die Sexualpädagogin setzt noch einen drauf: „Vom Spüren lenkt schließlich paradoxerweise auch eine Orgasmus-Fixiertheit ab, d.h. wenn man sich zu sehr darauf konzentriert, einen Orgasmus zu haben, haben zu wollen, oder haben zu sollen. Die meisten Männer möchten auch gerne gute Liebhaber sein. Wenn der weibliche Orgasmus jedoch zur männlichen Leistung wird, steigen der Druck und die Selbstbeobachtung.“
Diese pubertär anmutende Herangehensweise mag für Anfänger gelten, aber nicht für Menschen, die mitten in ihrem Sexualleben stehen. Erwachsene, sexuell intakte Männer wissen, dass es für einen gelungenen Akt der Potenz bedarf, welche sich nicht allein aus dem männlichen Begehren, sondern auch aus der weiblichen Lustkorrespondenz nährt. Sexuell aufgeschlossene und erfahrene Frauen wissen, was sie einsetzen können, wenn es um gegenseitige Luststeigerung geht, und machen sich die männliche Potenz zunutze. Alles weitere erledigt die Natur der Leidenschaft.
Kreuzbieder in den Abgrund
Ginge es nach den lustlos klagenden Handarbeits-Pädagoginnen, sollte eigentlich gar kein Sex mehr zwischen Männern und Frauen stattfinden. Dem Kinderkriegen hat man ja in diesen Reihen bereits eine Absage erteilt, dem solitären Lebensstil gilt der Vorzug, und wenn schon Sex, dann gehört der weibliche Körper in Frauenhand. Was ist bloß aus den jungen Frauen von heute geworden, dass sie kastrativen Sex, also Sex ohne dazugehörige Organe und deren Funktion, propagieren? Dass sie die erotisch-sexuelle Union von Mann und Frau verabscheuen, deren Natürlichkeit ignorieren und sich statt dessen lieber eine unverbindliche LGBTQ-Community herbeiwünschen? Was ist der Grund für die weibliche Lustlosigkeit und infantile Kuschel-Erotik, die sich mitunter sogar in Form hässlicher, ungepflegter und übergewichtiger Frauenmodelle als „superior” darstellen möchte?
Meines Erachtens haben wir es besonders bei Vertreterinnen der jungen Generationen mit einem kollektiven Schwächeanfall zu tun – und einem katastrophalen Missverständnis bei der Definition von Sexualität.
Gerade in Zeiten der Restriktion aller Lebensbereiche trifft es nun auch die Sexualität, indem zwangsgehemmte, kreuzbiedere, moralinsaure und tugend-woke Kastrationsexperten hinter den Kathedern wiederauferstehen und eine neue Lustfeindlichkeit lehren. Aus Essen wird kraftlose Ersatznahrung, Natur und Klima geraten zur Apokalypse, aus Körpern werden Zellhaufen, aus Geschlechtern ein Nihilum und Sex wird zur pseudotherapeutischen Fingerübung. Ein morbides Gerüst, das an den Nahtod gemahnt. Wer den Sex kastriert, löscht den vitalsten Bestandteil menschlicher Existenz. Was noch lebt, ist offenkundig die Todessehnsucht in den egomanen Verfallskulturen des Westens.
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