Es ist sicherlich richtig: Über die Sprache kann man Menschen kontrollieren; damit hat sich bereits George Orwell ausführlich beschäftigt. Eine verarmte, eingeengte Sprache lässt nicht nur die Kreativität versiegen, sondern erlaubt auch keine gut durchdachte Kritik mehr. „Ungut” hört sich weniger negativ an als „schlecht”, das wussten schon die Erfinder des Neusprech. Allerdings: Sprache ist nur ein Teil der Kommunikation. Indem uns Ideologen zwingen, uns nur auf das gesprochene Wort zu konzentrieren, verarmt auch das Gefühlsleben darum herum und alles, was der Sprache Leben einhaucht: Man stelle sich ein Gedicht vor, das von einer kalten Maschinenstimme ohne jede Betonung gelesen wird – das verdirbt den schönsten Text.
Es kommt eben nicht nur auf den Gebrauch der Worte an, sondern auch auf ihre Betonung und die Gesten, die sie begleiten. Wenn sich Sprachkontrolleure auf einzelne Worte oder Formulierungen stürzen, die sie am liebsten aus unserem Wortschatz ausradieren wollen, ignorieren sie vollkommen, wie man einen „anrüchigen Begriff” durch Ironie ins genaue Gegenteil verkehren kann. Aber da schon das Konzept der Ironie ihnen verdächtig erscheint, wollen sie sicherstellen, dass nur niemand mit den „falschen“ Worten spielt. In jemandem mit rebellischem Geist muss das geradezu Trotz hervorrufen – was verboten ist, macht bekanntlich doppelt Spaß. Kommt mir jemand besonders pathetisch daher, benutze ich gern Propagandabegriffe wie „heldisch” oder „er setzte ein Fanal”, um denjenigen damit aufzuziehen.
Einfache Sätze werden Stolperfallen
Kommunikation ist oft schon abseits der Worte schwierig; die Maskenpflicht etwa nahm uns in den letzten zwei Jahren bereits die Möglichkeit, anderen etwas durch unsere Mimik mitzuteilen. Ein zustimmendes Lächeln könnte keiner sehen, man galt also im Zweifelsfall als Muffelkopf. Aber auch einfache Sätze können zu Stolperfallen werden, denn bekanntlich kommt es auch dabei zu allerhand Missverständnissen, die sich auch aus der Beziehung von Sprecher und Zuhörer zueinander ergeben (das berühmte „4-Ohren-Modell”). Ein harmloser Satz wie „Es ist kalt hier!” kann demnach leicht als der Vorwurf verstanden werden, jemand sei nur zu geizig zum Heizen. In Zeiten der Ukraine-Krise wird vielleicht sogar ein politisches Statement daraus: „Bist du gegen Putin?”, denn auch Frieren ist jetzt Haltung. Linke hören zudem besonders gern auf dem „Alles ist wörtlich gemeint”-Ohr. Daher vermeide man es als Anhänger der AfD tunlichst, sich selbstironisch als „Nazi” zu bezeichnen, darauf wird man sich stürzen wie auf ein Glaubensbekenntnis. Aber auch wenn man etwas Negatives über den Nationalsozialismus sagt, muss man streng innerhalb des vorgegebenen Wortkorsetts bleiben, sonst wird einem die Ablehnung nicht geglaubt. Es empfiehlt sich, stets die Worte „menschenverachtend” und „hasserfüllt” zu verwenden – damit ist man immer auf der richtigen Seite, auch wenn man dabei nur Formeln abspult.
Wieder bleibt das Nonverbale hier komplett außen vor, es zählt weder der Tonfall noch der individuelle Hintergrund des Sprechers. Ist er generell für eine lockere Sprache bekannt? Kommt er aus einer Region wie dem Ruhrpott, wo man zu herzhafter Ausdrucksweise neigt? Wie hat er geguckt, als er seine Aussage tätigte? Stattdessen sollen wir wie am Reißbrett geplant sprechen, keinen Humor zeigen außer dem von Böhmermann & Co. lizenzierten und uns nur genehmigter Formulierungen bedienen. Überall lauern Fällen, das politisch korrekte Milieu funktioniert wie ein Abhör-Algorithmus des NSA und wirft sein Alarmsystem bei bestimmten Wortkombinationen an. Die Tabu-Liste wird dabei immer länger und beinhaltet auch längst nicht mehr nur in Ungnade gefallene Worte für Schaumküsse oder Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund.
Auch Bildsprache hilft nicht unbedingt weiter
Durch eine Folge von „Star Trek – die nächste Generation“ begriff ich Mitte der Neunziger endlich, was Ludwig Wittgenstein der Menschheit über Kommunikation mitteilen wollte: „Gehe niemals davon aus, dass jemand, der aus einem anderen Umfeld kommt als du, grundsätzlich versteht, was du mit deinen Beispielen mitteilen willst.” Kommunikation kann nämlich schon verdammt schwierig sein, wenn man sich nicht feindselig gegenübersteht. In der oben erwähnten Folge von Star Trek ging es um den Erstkontakt zu einer Zivilisation, deren Sprache noch nicht entschlüsselt war, jeder Übersetzungsfehler konnte zu einem Wutausbruch der Gegenseite führen. Die Erstkontakt-Spezialistin erklärte Captain Picard anhand einer Tasse Kaffee (dem Äquivalent zu Wittgensteins rotem Stift), dass auch Bildsprache nicht unbedingt weiterhilft, der andere weiß schließlich nicht, ob ich über die Farbe des Getränks oder das Trinken an sich sprechen will. Einem ähnlichen Ansatz folgt der Film „Arrival”, in dem eine Linguistin die Bildsprache außerirdischer Besucher entschlüsseln muss: Ihre chinesischen Kollegen, welche die – zugegebenermaßen nicht sehr niedlichen – Aliens als Feinde betrachten, kommen dabei zu vollkommen anderen Interpretationen als sie.
Als Freundin solcher Serien und Filme fand ich die Frage, wie wir wohl mit Außerirdischen kommunizieren würden, immer spannend. Ein Missverständnis könnte schließlich einen interstellaren Krieg auslösen. Wissenschaftler sind aber zuversichtlich, über die universelle Sprache der Mathematik einen Weg finden zu können. Langsam zweifele ich daran, ist es doch schon innerhalb unseres Landes immer schwieriger, mit Menschen anderer Meinung in einen Dialog zu treten.
Sie benutzen zwar teilweise das gleiche Vokabular wie wir, verknüpfen es allerdings mit ganz anderen Vorstellungen – man muss sich nur den inflationären Gebrauch des Wortes „Faschismus“ ansehen – man kann kaum noch dabei mithalten, für was er mittlerweile benutzt wird. Hinzu kommen Eigenkreationen der verschiedenen Aktivistengruppen, unter denen sich Außenstehende kaum noch etwas vorstellen können – da muss man erst einmal googeln, was eine „TERF“ ist oder die Vorsilbe „cis” bedeutet. Als Frau ist man plötzlich eine „Gebärende”, damit sich Transmenschen nicht zurückgesetzt fühlen müssen. Bei allem Verständnis für dieses Bedürfnis: Das ist eine ausgrenzende Szenesprache, bei der ein Normalbürger nicht mehr mitkommt. Schließlich können wir nicht alle einen Exolinguisten als Übersetzer im Alltag engagieren, der uns woke Sprache beibringt, wenn gerade mal keine Außerirdischen gelandet sind. Vielleicht könnte man diesen doch einfach einen Kaffee anbieten – während man bei bestimmten Menschen damit schon vorsichtig sein muss.
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