Horst D. Deckert

Welche Rolle darf Deutschland militärisch spielen?

Ab damit in die Ukraine? Bundeswehreinheiten mit Restbeständen noch einsatzfähiger Panzer (Foto:Imago)

Es war stets ein offenes Geheimnis, dass es um die Bundeswehr nicht gut bestellt war und ist. Böse Zungen meinten, ihre Fahrzeuge würden deshalb das Y-Kennzeichen tragen, weil der Buchstabe das Letzte (oder das Ende) von „GERMANY” ist. Zwar rangiert Deutschland mit seinen Militärausgaben in absoluten Zahlen unter den Top Ten weltweit (mit nur neun Milliarden Euro weniger als Russland). Dennoch halbierte sich der Anteil unserer „Verteidigungsausgaben” am Gesamthaushalt nach der Wende bis zum Jahr 2021 auf 2,1 Prozent (Destatis). Die angeblich nur 1,3 Prozent, die uns die USA vorwerfen, können nicht stimmen. Dabei war es von der „Völkergemeinschaft“ und den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs einst doch gewollt, dass Deutschland nicht nur flächenmäßig kleingehalten wird.

Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinen „Kettenhund“ Andrij Melnyk, Botschafter in Deutschland, hält das aber nicht davon ab, von Deutschland zu verlangen, nun auch das Kriegsmaterial herauszurücken, das es für NATO-Aufgaben bereithalten muss. Selbst verteidigen darf sich Deutschland nämlich gar nicht. Das soll in der vorliegenden Recherche thematisiert werden.

Kein Recht auf Selbstverteidigung?

Bedingung für die Zustimmung der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs zum 2+4-Vertrag vom 12. September 1990, der einen formalen Friedensvertrag ersetzte, war gemäß den Artikeln 2 und 3: „Die Regierungen der BRD und DDR erklären, dass das vereinte Deutschland keine seiner Waffen jemals einsetzen wird, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der UN.” Also nicht einmal zu seiner eigenen Verteidigung? In Artikel 3, Absatz 1 des Vertrages ist der „Verzicht auf atomare, biologische und chemische Waffen” manifestiert. Wenn Putin erfahren würde, dass unsere „Kriegsministerin des Äußeren”, Außenministerin Annalena Baerbock, sogar am helllichten Tag von „atomarer Teilhabe” träumt – auwei, auwei! Und in Artikel 3, Absatz 2 wurde die Abspeckung der beiden Streitkräfte von 490.000 Mann bei der Bundeswehr und 155.000 bei der Nationalen Volksarmee (NVA) auf am Ende insgesamt „370.000 Mann” geregelt. Die Kanzlerin der halben Sachen, Angela Merkel, halbierte diese Zahl dann nochmals ohne Not auf 183.000 Soldaten am Ende ihrer Amtszeit. Dafür machte sie im Gegenzug Frauen zu Oberbefehlshaberinnen aller Soldaten. Sollte dies die Dezimierung der Streitkräfte vielleicht wettmachen?

Blicken wir weiter zurück auf 1945, auf die Geburtsstunde der UN-Charta: In dieser wurde auch das Nachkriegsdeutschland zum Feindstaat erklärt. Zwar rückte Deutschland inzwischen zum viertgrößten Beitragszahler der Vereinten Nationen auf – trotzdem gelten wir, de jure, noch immer als „Feindstaat” der Völkergemeinschaft. Gemäß den Artikeln 53, 107 und 77 der UN-Charta hätte demnach formal jedes UN-Land das Recht, in Deutschland militärisch einzugreifen – auch ohne UN-Mandat!

Deutschland weiterhin UN-„Feindstaat“

Deutschland für die UN noch Feindstaat“ lautete der Titel einer journalistischen Problematisierung dieses Relikts durch die „Welt” vor bereits 10 Jahren in einem denkwürdigen Artikel. „Ein hellblauer Freibrief für eine Invasion Deutschlands?”, fragte der Autor darin provokativ. Mancheiner mag sich wundern – doch genau das gibt die UN-Charta tatsächlich schwarz auf weiß her. Man möchte es nicht glauben! Wenn Wladimir Putin wüsste, was M.M. Litwinow alias Max Wallach einst im Namen der Sowjetunion in der Deklaration der Vereinten Nationen für ihn so vorbereitet hatte! Wüsste Putin, was er legalerweise eigentlich mit uns machen dürfte, würde er dann – angesichts der Aufrüstung der Ukraine auch durch Deutschland – noch so stillhalten?

Nix dürfen macht nix”, war das inoffizielle Credo der Kanzlerin auch zur Feindstaatenklausel der UN. So ließ sie ihren Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages im Jahr 2006 und nochmals 2007 amtlich feststellen, dass Deutschland zwar den Charta-Buchstaben nach tatsächlich immer noch Feindesland ist – dies aber praktisch keine Bedeutung mehr habe. Wirklich nicht? Als Merkels Telefon 2013 vom US-Geheimdienst abgehört wurde, war das für sie kaum ein Aufreger… abgesehen von ihrer gestammelten Feststellung: „Das geht gar nicht!”. Doch, es ging. Immerhin jedoch darf Deutschland „Streitkräfte“ haben. Der Begriff findet sich 18 Mal im Grundgesetz. Aber die Bundeswehr wurde über die Jahre immer kürzer gehalten. Immerhin nennt die UN Deutschland nicht Schurken-, sondern nur Feindstaat.

Wieso baut die Stahlnation Ukraine keine eigenen Panzer?

Von dem abgespeckten Bundeswehrarsenal will die Ukraine nun an die letzten verbliebenen Filetstücke unserer eigenen Landesverteidigung. Es reicht den Machthabern der Ukraine nicht, dass ihre Soldaten in NATO-Manövern auf deutschen Panzern ausgebildet wurden. Sie wollten ihre begehrten „schweren Waffen“ auch nicht selbst produzieren – und das, obwohl die Ukraine vor dem Krieg nach Deutschland der zweitgrößte Stahlproduzent in Europa (ohne Russland) war. Vermutlich auch deshalb wollte Selenskyj mit seiner Wiedereingliederungsministerin Iryna Wereschtschuk die „Volksrepublik“ Donezk mit Mariupol als Zentrum der Schwerindustrie, unter anderem mit seinem Asow-Bataillon, zurückerobern.

Doch sich Panzer schenken lassen ist natürlich bequemer als selbst in die Hände spucken. Das kleine Israel baut – sogar ganz ohne eigene Stahlproduktion – selbst Panzer. Vielleicht könnte sich Botschafter Melnyk ja besser als Chef einer Panzerfabrik um sein immerhin größtes Land Europas (Frankreich ist nur mit seinen Überseegebieten größer) verdient machen? Und wie man Flugzeuge baut, hätten die Ukrainer in sowjetischen Zeiten von den Russen lernen können. Doch nach der Majdan-Revolution ging die Beschäftigung in allen Wirtschaftsbereichen zurück; im Gewerbe arbeiteten zuletzt keine 25 Prozent mehr. Dafür blühten die Schattenwirtschaft sowie die Korruption – und aus beiden fließen keine Steuern, mit denen sich eine Armeeausrüstung finanzieren ließe.

Dennoch bestehen alle unsere Parteien mit Ausnahme der AfD, unter dem Druck der Medien, auf noch mehr Waffenlieferungen – jetzt auf Umwegen über Drittstaaten („Ringtausch”). Zwar wird das den Krieg nur verlängern – so wie auch den Zweiten Weltkrieg, der schon 1943 verloren war, durch die Mobilisierung der letzten deutschen Reserven nochmals zwei Jahre länger dauerte und weitere vier deutsche Millionen Tote (und zahllose in Europa) forderte. Aber jeder Nation steht es zu, ihren eigenen Heldentot zu sterben – so auch der Ukraine.

Vorschlag zur Güte

Deshalb ein nicht ganz ernstgemeinter Vorschlag meinerseits „zur Güte“: Weil wir die Ukraine völkerrechtlich eigentlich nicht aufrüsten dürfen, verratet doch einfach dem Melnyk, wo die Schlüssel zu den Kasernen liegen. Dann können sich die Ukrainer das Material ganz unbürokratisch beschaffen. Nehmt mit, was ihr brauchen könnt! Wir wollen nichts damit zu tun haben. Was zurückgelassen wird, kommt in unsere militärgeschichtlichen Museen. Auch ökonomisch würde dieser Deal Sinn machen. Denn wenn die Waffen bei uns verrosten, müssen wir sie teuer entsorgen. Die Verschrottung auf dem Schlachtfeld in der Ukraine käme uns da billiger. Nicht einmal einzelne Exemplare jeder Waffengattung müssten wir in die moderne Arche der Museen retten, so wie es Noah mit den Tieren tat.

Das Kriegshandwerk kann man auch im Internet bequem von zu Hause aus erlernen, die Software gibt’s dort billig bis gratis. Zumindest Verteidigungsministerin Christine Lambrecht könnte sich vermutlich mit diesem Gedanken anfreunden: Als sie neulich von der heruntergelassenen Laderampe eines Lufttransporters einen halben Meter aufs Rollfeld „heruntersteigen” musste, war keine Leiter da, weshalb sie von einem Soldaten an die Hand genommen wurde. Das wäre doch am PC alles viel einfacher! Also überlasst der Ukraine doch einfach, was sie will! Deutsche Interessen gibt es ohnehin nicht mehr – nur noch ukrainische Forderungen und „Wunschlisten”.

Es muss ein Friedensvertrag mit Russland her

Doch zurück zum Ernst der Lage: Wir brauchen uns von der Ukraine ganz sicher nicht vorwerfen lassen, mit der Bezahlung des vertragsgemäß gelieferten russischen Erdgases Putins Krieg zu finanzieren. Denn auch die Ukraine bezieht russisches Gas! Und sie kassiert kräftig ab für die Durchleitung des Gases durch ukrainisches Gebiet. Außerdem hat ein Regime seine moralische Integrität verloren, das Nazis in den eigenen Reihen (wie den Hitler-Kollaborateur Bandera) als Nationalhelden feiert. Und wer – wie Melnyk – das faschistische Asow-Regiment der ukrainischen Armee als heldenhafte Verteidiger Mariupols lobt, hat als Botschafter in Deutschland nichts mehr verloren. Er müsste als unerwünschte Person ausgewiesen werden. Wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von Selenskyj zur unerwünschten Person erklärte wurde – warum können wir das nicht auch mit dem ukrainischen Botschafter tun?

Deshalb mein Rat an Europa: Schickt statt Waffen in die Ukraine – und zugleich Diplomaten und Militärs nach Moskau, die Eckpunkte für einen Friedensvertrag vorbereiten. Aber es sollte kein Vertreter der USA dabei sein, die Europa zur Drehscheibe ihrer Waffengeschäfte machen und irgendwelche „Geschäfte zu Lasten Dritter” anstreben. Verhandelt selbst – und wenn es über die Köpfe der Ukraine hinweg geschieht. Auch wenn diesmal die Ukraine nicht der Aggressor ist: Die Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde ohne Hitlerdeutschland von den Alliierten vorbereitet, und wir mussten – und konnten am Ende gut – mit den Ergebnissen leben. Wir haben es erlebt und überlebt. Das wäre auch dem ukrainischen Volk zu wünschen.

 

Dieser Artikel erscheint auch auf der Webseite des Autors.

 

 

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